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AfD in Rheinland-Pfalz
Mitglieder kehren Partei den Rücken zu

Nach seiner Niederlage gegen Frauke Petry denkt Bernd Lucke noch darüber nach, aus der AfD auszutreten. Andere Mitglieder haben schon längst mit der Alternative für Deutschland abgeschlossen, auch Teile ihrer politischen Elite. Sie sehen einen Rechtsruck der Partei und warten nun gespannt, ob Lucke eine neue Bewegung gründet.

Von Anke Petermann | 08.07.2015
    Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry spricht in Essen beim Parteitag der AfD.
    Frauke Petry hat den Machtkampf gegen Bernd Lucke gewonnen. (Federico Gambarini, dpa picture-alliance)
    Aslan Basibüyük sieht blass aus. Der AfD-Kreischef Rhein-Lahn hatte soeben eine Polit-Karriere auf Bundesebene gestartet: Als Sprecher des neuen migrationspolitischen Beirats der Bundes-AfD wollte er die Große Koalition mit neuen Steuerungskonzepten zur Einwanderung in Zugzwang bringen. Doch jetzt tritt der Lucke-Anhänger aus der Partei aus. Von sechs Mitgliedern des migrationspolitischen Beirats gehen vier. In Essen erkannte Basibüyük seine Partei nicht wieder, fühlte sich als Migrant gar bedroht von den eigenen Leuten:
    "Da haben auch sehr viele gerufen nicht nur 'Lucke raus, Lucke raus', sondern 'Ausländer raus, Ausländer raus', und dass diese Leute im Thüringer Block da standen, diesen Heil-Hitler-Gruß - rechter Arm hoch und riefen dann 'Heil Höcke', da habe ich Angst gehabt."
    Bernd Höcke, Chef der Thüringer AfD, gilt als rechtsnationaler Gefolgsmann von Parteichefin Frauke Petry. Er stammt aus dem Norden von Rheinland-Pfalz. Dort ist auch der Bonner Bioinformatik-Professor Martin Hofmann-Apitius zuhause, der in Mainz von Ekel, Scham und Entsetzen spricht und seinen AfD-Mitgliedsausweis zerreißt - unter dem Applaus von schon Ausgetretenen und Austrittswilligen. In dieser Partei zu bleiben sei nicht vereinbar mit seiner Reputation und seiner Arbeitswelt als Chef einer Wissenschaftler-Arbeitsgruppe mit zehn Nationalitäten und verschiedensten Religionen.
    "Rabauken" in der Basis
    Kein Zweifel: Hier verlässt nicht irgendwer die AfD, sondern Teile ihrer politischen Elite. Der frisch gegründete Kreisverband Kusel - aufgelöst. Potente Spender - vergrault. Der Landesvorstand - halbiert. Ausgerechnet zu Beginn des Wahlkampfs in Rheinland-Pfalz quittiert der Trierer Maschinenbau-Professor Uwe Zimmerman den Job als Landeschef. Als "Rabauken" hat er Teile der Basis in Essen erlebt:
    "Das ist eben nicht mein Ding, ich will keine Protestpartei, ich will auch keine Pegida-Partei haben. Offensichtlich will das aber sowohl die Parteiführung als auch die große Mehrheit des Parteitags, und da bleibt mir nichts anderes übrig als zu sagen: Wenn ich damit nicht leben kann, muss ich austreten, anders geht's nicht."
    "Vereinfacht: ja, für mich ist es ein Rechtsruck", ergänzt Uwe Volkmer, Chef des Mainzer Kreisverbands. Mitte des Monats erst tritt er aus der AfD aus, um die Geschäfte noch ordnungsgemäß zu übergeben - Fairness bis zum Schluss ist seine Devise. Dazu gehört auch, dass er nicht allen Verbliebenen in der AfD unterstellt, aktiv auf ein rechtes Profil hinzuarbeiten. Die Partei werde sich gewissermaßen von selbst radikalisieren, glaubt er: wenn nämlich für die Wirtschaftsliberalen, die gehen, Nationalkonservative und Rechte eintreten. Energisch dementiert der verbleibende rheinland-pfälzische AfD-Vize Uwe Junge, dass die geschrumpfte Partei ein rechtes Sammelbecken für Ex-NPD- und DVU-Leute wird.
    "Ich glaube, es gibt keine andere Partei in Deutschland, die genau darauf so intensiv achtet, gerade weil man uns das ja sehr schnell mal unterstellt, und da müssen Sie wirklich eintragen, in welchen Parteien Sie vorher gewesen sind, und wenn sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass Sie da die Unwahrheit gesagt haben, dann ist das Partei-Ausschlussverfahren ein sehr schnelles."
    Verkraftbare Austritte?
    Auflösung der AfD zum Wahlkampf-Auftakt? Uwe Junge schüttelt den Kopf: 60 Austritte auf 1.300 Mitglieder in Rheinland-Pfalz - das hält er für verkraftbar. Mitte des Monats werde die Partei ihr Wahlprogramm vorstellen, auf dem Programmparteitag im September Nachwahlen für vakante Vorstandsposten abhalten, "alles im Zeitplan", versichert Junge. Doch sollte Parteigründer Lucke der AfD den Rücken kehren, zieht das wohl eine neue Austrittswelle nach sich. Und neue Konkurrenz für die AfD.
    "Ich werde wahrscheinlich, sollte sich eine neue Partei unter Lucke gründen, in dieser Partei weitermachen, in der jetzigen AfD auf jeden Fall nicht. Und thematisch muss man ganz klar sagen, hat der Essener Parteitag die AfD nach rechts gebracht. Was für Leute da unterwegs waren - der erste programmatische Beschluss wurde ja schon gefasst, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört - diese Meinung vertrete ich nicht. Und ich bin mir sicher, dass das auch viele andere Mitglieder so sehen werden", sagt ein mit 16 bislang wohl jüngstes Mitglied. Auch Aslan Basibüyük schöpft nach dem Schock von Essen wieder Mut und hofft auf den düpierten AfD-Gründer:
    "Also, wenn er mich heute fragen würde, werde ich sagen: Herr Lucke, ich bin dabei!"