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1.4.1204 - Vor 800 Jahren

Richard Löwenherz ist auf dem Rückweg vom Kreuzzug in Gefangenschaft geraten. Seine Mutter, Eleonore von Aquitanien, schreibt aufgebracht an Papst Coelestin:

Von Sylvie von Frankenberg | 01.04.2004
    Eleonore, durch Gottes Zorn Königin von England - Dreimal habt Ihr versprochen, Legaten zu schicken, und habt es nicht getan. Ach! Jetzt weiß ich, dass Versprechungen von Kardinälen leere Worte sind...

    Der Papst schweigt. Also handelt Eleonore. 1194 reist sie an den Rhein, um dem deutschen Kaiser, Heinrich VI. eigenhändig das Lösegeld für ihren Sohn zu überbringen.

    Nachdem sie Richard befreit hat, zieht sich die über siebzigjährige Königin in ihr Lieblingskloster, die Abtei von Fontevrault zurück, - in der trügerischen Hoffnung, endlich zur Ruhe zu kommen.

    Welch ein turbulentes Leben lag hinter ihr. 1137 heiratete die fünfzehnjährige Eleonore Ludwig VII. von Frankreich. Sie brachte nicht nur das reiche Herzogtum von Aquitanien mit in die Ehe. Ihre Macht erstreckte sich über neunzehn der heutigen Departements, vom Poitou bis zur Gascogne. Gegensätzlicher kann man sich ein Paar kaum vorstellen: Die rothaarige, selbstbewusste Braut, die in Bordeaux an einem der kultiviertesten Höfe Europas erzogen wurde, und - der in sich gekehrte, fromme Ludwig aus dem Geschlecht der Kapetinger. Zwei Töchter gingen aus dieser Verbindung hervor.

    Als Bernhard von Clairvaux 1146 die westlichen Herrscher zum Zweiten Kreuzzug aufruft, tritt Eleonore an Ludwigs Seite die waghalsige Reise ins Heilige Land an. Der Kreuzzug endet im Desaster. Auch die Ehe mit Ludwig ist gescheitert, als das Paar drei Jahre später nach Paris zurückkehrt.

    Dann der Skandal: Henry Plantagenet, der Herzog der Normandie tritt in ihr Leben. Er ist jünger als sie und Anwärter auf den englischen Thron. Auf ihr Drängen wird ihre Ehe annulliert. Kurz darauf heiratet Eleonore Henry in Poitiers. 1154 werden sie in Westminster Abbey gekrönt.

    Eleonore von Aquitanien ist die einzige Frau der Geschichte, die jemals sowohl die französische als auch die englische Krone trug. Sie gebiert Henry II. acht weitere Kinder, darunter zwei zukünftige Könige: Richard Löwenherz und Johann Ohneland.

    Gemeinsam regieren sie nun über ein riesiges Reich, das von den Pyrenäen bis an die schottische Grenze reicht. Eleonore sitzt im Kronrat, spricht Recht, setzt sich für die Modernisierung des normannischen Verwaltungs- und Finanzsystems ein. Das Reich blüht auf. Eleonore fördert die Literatur und Musik, während Troubadoure ihre Schönheit und Klugheit besingen.

    Trotz ihrer Vorbehalte wird der Lordkanzler, Thomas Becket, zum Erzbischof von Canterbury gewählt. Die Spannungen zwischen Kirche und Krone nehmen zu und gipfeln in der Ermordung Beckets.

    So groß Eleonores Liebe zu Henry war, so erbittert ist nun ihr Hass, als sie von seiner Affäre mit der berühmten Rosamund erfährt. Eleonore zieht sich in ihre Erblande nach Poitiers zurück und bekämpft ihn gnadenlos. Sie wiegelt die eigenen Söhne gegen ihn auf. Bis Henry II. sie fünfzehn Jahre lang in Old Sarum gefangen setzt.

    Sag mir, Adler mit den zwei Köpfen, sag mir: Wo warst du, als Deine Jungen aus dem Nest flogen und es wagten, ihre Krallen gegen den König der Nordwinde zu richten? Du warst es – wir haben es vernommen -, der sie angetrieben hat, sich gegen ihren Vater zu erheben. Deshalb bist Du aus Deiner Heimat fortgeschleppt und in ein fremdes Land gebracht worden... Kehre zurück, o Gefangene, kehre zurück in Deine Länder, wenn Du kannst...

    ...mahnt der Zeitgenosse Richard Le Poitevin.

    Als Henry 1189 stirbt, befreit Richard Löwenherz seine Mutter und folgt dem Vater auf den Thron. 1199, nur fünf Jahre nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft, stirbt auch er. Und wieder ist Eleonore gefordert, als ihr ungeliebter jüngster Sohn, Johann, König von England wird und Frankreich eine normannische Burg nach der anderen zurückerobert.

    Wieder setzt Eleonore ihre ganze Kraft und Erfahrung als Regentin ein. Mit einem letzten heiratspolitischen Schachzug versucht sie, die Zukunft ihres Reiches zu sichern. Noch als Achtzigjährige reist sie über die Pyrenäen, um ihre Enkeltochter Bianca von Kastilien, als Verlobte des französischen Thronfolgers, nach Paris zu begleiten.

    Ihre Hoffnung auf Frieden zwischen England und Frankreich wird sich nicht erfüllen. In der Nacht zum 1. April 1204 stirbt Eleonore von Aquitanien und wird in der Abtei von Fontevrault beigesetzt.