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10. Internationaler Liedwettbewerb der Hugo-Wolf-Akademie
Stuttgarter Spitzentreffen

Der Wettbewerb für Liedkunst der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie gilt international als Messlatte in Sachen Liedgesang. Bei der jetzigen 10. Ausgabe hatten junge Musiker tagelang gezeigt, wie man mit Stimme und Klavier eine Welt an Bildern und Erlebnissen vermitteln kann. Am Sonntag standen die Preisträger fest.

Von Ines Stricker | 27.09.2016
    Ilker Arcayürek, Fiona Pollak (1. Preis), Stuart Jackson, Jocelyn Freeman (2. Preis) und Renate Rohlfing, Samuel Hasselhorn (3. Preis) sind die Preisträger beim Stuttgarter Liedwettbewerb 2016 (V.l.n.r.)
    Glücklich: die Preisträger des Stuttgarter Liedwettbewerbs 2016 (Holger Schneider)
    Musik: Schubert, Nachtstück
    "Etwas, das sich so ausschließlich mit dem Lied beschäftigt, gibt es in der Größenordnung dann in Deutschland nicht noch einmal. Sicherlich Veranstalter, die das Lied auch sehr wichtig nehmen, zunehmend wieder neue Veranstalter, die sich da auch mit beschäftigen, aber mit dieser langen Tradition und in diesem Umfang sehe ich uns tatsächlich relativ alleine, und dementsprechend eben auch international in dem Kontext mit einer Wigmore Hall oder einer Schubertiade."
    So selbstbewusst ordnet Cornelia Weidner, die Intendantin der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie, die Stellung ihrer Institution ein. Und tatsächlich: Ein Blick in die Liste der bisherigen Dozenten und Wettbewerbspreisträger macht klar, dass die Stuttgarter zu den Spitzenreitern des Liedfachs gehören.
    Entsprechend war auch dieses Jahr die Jury wieder mit hochrangigen Liedinterpreten besetzt, dem Pianisten Graham Johnson etwa, der Mezzosopranistin Ann Murray oder der Sopranistin Birgid Steinberger, die dieses Jahr der Jury vorsaß. Die heutige Kammersängerin hat die strengen Kriterien des Hugo-Wolf-Wettbewerbs für Liedkunst vor vielen Jahren als Teilnehmerin und Preisträgerin selbst kennen gelernt:
    "Da gibt’s den musikalischen Willen und die Ausdruckskraft, die stimmliche Präsenz, d. h. das technische Können, aber man darf doch auch nicht ausschließen, wie jemand auf der Bühne steht und wie sich jemand präsentiert, Es muss jemand auf der Bühne zaubern können. Seine Person muss wirken."
    Musik: Franz Schubert, Nachtstück
    Das Lied – eine Herzensangelegenheit
    Insgesamt 24 Lieder mussten die Teilnehmer für den Stuttgarter Liedwettbewerb vorbereitet haben, vor allem von Franz Schubert und Hugo Wolf, aber auch von anderen Liedkomponisten des 19. und 20. Jahrhunderts. Ein hoch anspruchsvolles Programm, auswendig vorzutragen über – im Ernstfall – drei anstrengende Runden. Und vor dem eigentlichen Wettbewerb hatte bereits eine Auswahl unter den Anmeldungen stattgefunden.
    Alles in allem eine ziemlich Strapaze für eine Gattung, die im Vergleich zum Aufwand ein recht überschaubares Publikum und wenig Einnahmen beschert. So weiß Birgid Steinberger zwar, wie notwendig die stimmliche und interpretatorische Feinarbeit im Lied für andere Gattungen ist, etwa den Operngesang. Bei ihren Studenten in Wien hat sie aber sehr unterschiedliche Reaktionen auf den Liedgesang festgestellt:
    "Die einen lassen sich von diesem Zauber einfangen, sie studieren Lied mit Begeisterung, weil sie diese Sprache der Musik irgendwie drin haben und lernen wollen. Und dann gibt es die, die auch sehr begabt wären dafür, aber die ganz berechnend sagen ‚Das bringt mir nix mehr, ich gehe einen anderen Weg', nicht dass es sie persönlich nicht bereichert, aber davon können sie nicht leben, davon können sie nie runterbeißen und machen es nicht."
    Der Tenor Ilker Arcayürek und die Pianistin Fiona Pollak machen sich über die Besucherzahlen bei Liedkonzerten ebenfalls keine Illusionen. Andererseits ist für die beiden das Lied als unmittelbare Verbindung von Poesie und Musik eine große und lang gehegte und gepflegte Liebe. Und so schaffte es das österreichische Duo, das erst seit wenigen Wochen miteinander probt, beim Stuttgarter Wettbewerb für Liedkunst den ersten Preis zu bekommen und das Publikum beim Preisträgerkonzert im ausverkauften Konzertsaal der Musikhochschule hinzureißen.
    Musik: Wolf, Der Tambour
    "Ich denke, dass Lied nicht unbedingt massentauglich sein muss, es ist etwas sehr Intimes. Das ist eigentlich schön: Es geht immer darum, dass man die Herzen der Menschen erreicht."
    "Es ist einfach heute sehr schwer, die Leute zu bewegen, dass sie kommen. Wenn sie da sind, sind sie natürlich Feuer und Flamme, aber dass sie kommen. Das geht auch nur, wenn man selber einfach auch sehr viel gibt und diese Kommunikation, einfach dieses Anstecken."
    Musik: Wolf, Der Tambour
    Auf dem aufsteigenden Ast
    Den zweiten Platz errang ein Duo aus Großbritannien, den dritten ein deutsch-amerikanisches Duo, im Finale und den beiden Runden davor waren Teilnehmer aus Frankreich, Polen, Japan und Brasilien auf der Bühne gestanden. Für die Intendantin der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie Cornelia Weidner ein ermutigendes Zeichen:
    "Jedes Jahr gibt es mehr Anmeldungen, was einen grundsätzlich ja ganz optimistisch stimmt bzw. was einem einfach zeigt, dass der Wettbewerb grundsätzlich auch immer internationaler wird, wir haben tatsächlich das Gefühl, dass die Anmeldungen wirklich auch mittlerweile mehr aus dem Ausland noch dazukommen."
    Zudem sind die Mitglieder- und Besucherzahlen bei der Hugo-Wolf-Akademie in den letzten Jahren leicht gestiegen. Mit dem für Interpreten und Zuhörer anspruchsvollen Lied hofft Intendantin Cornelia Weidner auch ein jüngeres Publikum zu erreichen, etwa durch szenische Umsetzung oder modernere Liedliteratur. Größtes Zugpferd der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie bleibt freilich der Internationale Wettbewerb – auch für junge Musiker wie Ilker Arcayürek und Fiona Pollak:
    "Man macht einen Wettbewerb natürlich auch, um Repertoire zu lernen, aber auch ein bisschen, um auf sich aufmerksam zu machen. Und vielleicht öffnen sich dadurch Türen… – So wie ein Teppich quasi, den man nur noch überqueren muss. – Genau! Mit viel Arbeit natürlich, aber es hat sich gelohnt."
    Musik: Wolf, Der Tambour