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10 Jahre Energieausweis
Mieterbund fordert mehr Einheitlichkeit und Kontrollen

Den Energieverbrauch von Häusern und Wohnungen vergleichbar machen: Dieses Ziel hat der Energieausweis, der seit zehn Jahren Immobilienkäufer informieren und Sanierungen für Besitzer attraktiv machen soll. Der Deutsche Mieterbund kritisiert den Pass jedoch als praxisfremd und schlecht vergleichbar und fordert eine Reform.

Von Philip Banse | 01.06.2016
    Ein Energiepass für Immobilien ist im Vordergrund zu sehen. Im Hintergrund ein gelb angestrichenes Haus mit Garage.
    Eigentlich ist der Energiepass Pflicht bei Verkauf und Neuvermietungen, doch in bis zu 40 Prozent der Fälle wird laut Mieterbund und Verbraucherzentralen kein Ausweis vorgelegt. (imago / blickwinkel)
    "Eigentlich ist der Energieausweis eine gute Sache, kann Mietern wichtige Informationen geben über den energetischen Zustand des Hauses", sagt der Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds, Ulrich Ropertz. Eigentlich. Mieter und Käufer könnten auf den ersten Blick sehen: Wie viel Energie verbraucht eine Immobilie? Ist das im Vergleich zu anderen Wohnungen viel oder wenig? Mit welchen Energie-Kosten muss ich rechnen? Eigentlich.
    "Warthestraße - war gerade ein Wohngebäude ..."
    Franco Dubbers sucht einen Energieausweis, den er kürzlich ausgestellt hat. Dubbers ist Architekt und von der Deutschen Energieagentur zertifizierter Energieberater in Berlin. In 14 Jahren hat er knapp 200 Energie-Ausweise ausgestellt. So wie der Energieausweis heute aussieht, sei er in der Praxis von sehr überschaubarem Nutzen. Es fängt damit an, dass der Energieausweis immer eine aus dem Volumen des Hauses berechnete Normnutzfläche angibt, die aber mit der eigentlichen Wohnfläche nichts zu tun hat, was dazu führe,
    "dass die Leute anrufen und sagen, das stimmt ja gar nicht, das ist doch gar nicht die Wohnfläche. Meistens schreibe ich im Anschreiben schon dazu: Bitte nicht wundern, die Normnutzfläche stimmt nicht mit ihrer Wohnfläche überein. Das ist absurd eigentlich."
    Unterschied zwischen Verbrauchs- und Bedarfsausweis
    Weiteres Problem: Es gibt nicht einen Energieausweis, sondern mindestens zwei: Einen Verbrauchsausweis, der knapp 200 Euro kostet und einen Bedarfsausweis, der bis zu 1.000 Euro kosten kann. Der Verbrauchsausweis gibt an, wie viel Energie in den letzten vier Jahren vor Ausstellung des Ausweises von den Bewohnern verbraucht wurde.
    Beim Bedarfsausweis wird der Energieverbrauch nicht anhand der letzten Heizkostenabrechnungen berechnet, sondern anhand der Bausubstanz: Baujahr, Volumen, Fensterfläche. Dieser eher theoretische Energieverbrauch liege jedoch immer weit über dem, was die Bewohner dann tatsächlich verbrauchen, sagt Energieberater Dubbers:
    "Bei großen Mehrfamilienhäusern stelle ich das einfach fest und alle Kollegen eigentlich auch, dass die Berechnungen Größenordnung 50 Prozent drüber liegen. Das ist die Systematik der Energieeinsparverordnung. Die Normgrundlagen stimmen da einfach nicht."
    Energieberater Dubbers zeigt den Energieausweis der Warthestraße 64 in Berlin. Baujahr 1900, 45 Wohnungen, Fernwärme. Der aus den Gebäudewerten abgeleitete Energieverbrauch steht ganz klein auf Seite 2: 133 Kilowattstunden pro Quadratmeter pro Jahr.
    Praxisfremde Berechnung mit bedenklichen Nebenwirkungen
    "Die wichtigste Zahl ist hier auf fünf Seiten ganz klein versteckt irgendwo. Könnte man schon besser darstellen und erläutern."
    Denn Bewohner einer 100 Quadratmeter-Wohnung müssen sich jetzt erst mal ausrechnen, dass 133 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter bei ihnen 13.300 Kilowattstunden im Jahr sind. Wenn sie dann noch wissen, dass eine Kilowattstunde Heizenergie bis zu 10 Cent kostet, können sie sich ausrechnen, dass sie mit Energiekosten von über 1.300 Euro pro Jahr rechnen müssen. Theoretisch. Denn in der Praxis liege der Energieverbrauch deutlich niedriger als von diesem Energieausweis angeben, sagt Dubbers:
    "Der tatsächliche Verbrauch ist einfach niedriger. Wahrscheinlich wird’s dann einfach statt 133 Kilowattsunden nur 100 Kilowattstunden haben oder auch 90."
    Also statt über 1.300 Euro nur 900 Euro Energiekosten pro Jahr. Eigentlich eine gute Nachricht, aber die Verwirrung sei groß, sagt Dubbers. Dieser praxisfremd hoch errechnete Energieverbrauch habe aber weitere bedenkliche Nebenwirkungen: Er macht nämlich Sanierungen unrealistisch attraktiv.
    Mieterbund fordert stärkere Kontrollen
    Beispiel: Wer glaubt, 1.300 Euro Energiekosten zu haben, findet eine Heizung attraktiv, die 20 Prozent spart, also 260 Euro, denn damit hat sich die Heizung schnell rentiert. Ist der tatsächliche Verbrauch aber nur bei 900 Euro pro Jahr, ist die Ersparnis nur 180 Euro und die neue Heizung deutlich unattraktiver.
    Eigentlich ist der Energieausweis Pflicht bei Verkauf und Neuvermietungen, fehlt der Ausweis drohen bis zu 15.000 Euro Strafe. Dennoch haben Mieterbund und Verbraucherzentralen herausgefunden, dass in 30-40 Prozent der Verkäufe und Neuvermietungen kein Ausweis vorgelegt wird, sagt Franz Michel vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Der Trend zeige zwar nach oben:
    "Problematisch ist nichts desto trotz die Kontrolle, weil die Kontrolle Länder- beziehungsweise Kommunalsache ist und dafür oft keine Kapazitäten zur Verfügung stehen."
    Der Deutsche Mieterbund fordert daher, dass der Energieausweis reformiert wird. Geschäftsführer Ulrich Ropertz:
    "Wir brauchen einen einheitlichen Energieausweis mit klar definierten Vorgaben wie der Energiebedarf idealerweise zu errechnen ist – möglicherweise auch noch mit Hinweis darauf, wie viel Energie verbraucht wurde in dem Objekt. Und das muss auch tatsächlich kontrolliert werden, ob des diesen Energieausweis gibt, ob er vor Ort präsentiert wird."