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Tillmann (CDU) zu Grundsteuer-Reform
"Modell Scholz scheint sehr kompliziert zu werden"

Das von Finanzminister Olaf Scholz vorgestellte Modell zur Reform der Grundsteuer sei mit viel Bürokratie auch für die Bürger verbunden, sagte die finanzpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion im Bundestag, Antje Tillmann, im Dlf. Da die Zeit dränge, müsse ein schnell umsetzbares Modell gefunden werden.

Antje Tillmann im Gespräch mit Silvia Engels | 29.11.2018
    15.03.2018, Berlin: Antje Tillmann (CDU) spricht im Bundestag.
    Antje Tillmann (CDU) favorisiert bei der Grundsteuer-Reform das Flächenmodell (picture-alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Silvia Engels: Es ist eine Reform, um die die Bundesregierung lange gerungen hatte, aber die sie machen musste, denn sie wurde vom Bundesverfassungsgericht dazu aufgefordert. Die Rede ist von der Grundsteuer. Sie wird auf Basis veralteter Bemessungsgrundlagen erhoben, so lautete die Kritik der Richter. Gestern nun stellte Bundesfinanzminister Scholz seinen Reformentwurf den Finanzministern der Länder vor.
    Am Telefon ist Antje Tillmann. Sie ist finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Morgen, Frau Tillmann!
    Antje Tillmann: Guten Morgen!
    Engels: Ist Finanzminister Scholz mit diesem Entwurf auf dem richtigen Weg?
    Tillmann: Es ist gut, dass die Diskussion jetzt anfängt. Wir haben nicht so viel Zeit. Bis zum 31. 12. 2019 muss das Gesetz verabschiedet werden. Von daher brauchen wir jetzt einfach die Debatte auch untereinander.
    Wir hätten uns ein Flächenmodell vorstellen können, ein wertunabhängiges Modell, weil die Berechnung davon einfacher gewesen wäre und weil es den Vorteil gehabt hätte, dass man nicht alle paar Jahre neu bewerten müsste. Aber wir werden sehen, wie die Debatte jetzt läuft. Die Länder haben sich ja nur teilweise positioniert. Und ich hoffe, dass wir da sehr schnell jetzt zu einem Ergebnis kommen werden zu Gunsten der Kommunen.
    Engels: Sie springen offenbar Bayern bei. Da war ja die Überlegung, nur Grundstücksgröße und Wohnfläche einzubeziehen. Scholz will mehr Faktoren einbeziehen, zusätzlich auch die Netto-Kaltmiete und das Baujahr, um den Wert vernünftig zu berechnen. Er sagt, das sei gerechter. Was sagen Sie?
    Tillmann: Das ist so: Die Einzelfallgerechtigkeit ist in dem Fall größer. Man muss sehen, ob das technisch überhaupt zu machen ist. Wir haben ja auch in der Umsetzungsfrist nicht so viel Zeit. Von daher teile ich seine Auffassung, dass es im Einzelfall gerecht sein könnte. Trotzdem ist ein anderes, einfacheres Modell natürlich auch gut, weil wir da erheblich weniger Bürokratieaufwand für die Bürgerinnen und Bürger haben.
    "Wichtig, dass wir ein möglichst einfaches Modell haben"
    Engels: Wer muss denn diese Bürokratie, vor der ja auch Bayern warnt, tragen? Die Kommunen, die Länder, der einzelne Bürger?
    Tillmann: Bisher war es so, dass es die Finanzverwaltung ermittelt hat. Weil der Zeitraum aber so kurz ist, werden wir vermutlich die Bürgerinnen und Bürger auch bitten, Selbsterklärungen durchzuführen. Von daher wird es eine Mischung zwischen Finanzamt und Bürger sein und gerade deswegen ist es wichtig, dass wir ein möglichst einfaches Modell haben.
    Engels: Wie muss man sich das praktisch vorstellen? Was muss der Bürger beibringen an Informationen?
    Tillmann: Es geht schon damit los, dass wir die Adressen derjenigen haben müssen, die Grundstücke besitzen. Das weiß der Bürger natürlich am besten. Das zweite ist, dass er entweder die Netto-Kaltmiete oder die Grundstücksflächen mitteilen muss. Auch das weiß der Bürger eigentlich. Kompliziert wird es bei den Vervielfältigern und das ist auch die Kritik an dem Modell. Je mehr unterschiedliche Vervielfältiger wir haben, zum Beispiel Ein-Familien-Häuser, Mehr-Familien-Häuser, Vervielfältiger nach Wohnlage, Vervielfältiger nach Alter, desto komplizierter wird es für den Bürger. Das ist dann Aufgabe der Finanzämter beziehungsweise auch des Gesetzgebers und da scheint mir das Modell Scholz sehr kompliziert zu werden.
    Engels: Vervielfältiger meint in dem Zusammenhang einfach eine Immobilie, in der es mehrere Wohnungen gibt.
    Tillmann: Nein! Der Grundstückswert wird ja noch mal mit einem Vervielfältiger berechnet. Wenn ich die Netto-Kaltmiete mit der Grundstücksfläche berechnet habe, dann muss darauf ein Vervielfältiger angewandt werden, damit ich weiß, welche Art von Grundstück ich vorliegen habe. Dazu muss es Tabellen geben. Das gibt es im bisherigen Recht auch schon. Aber diese Tabellen scheinen mir nach dem Scholz-Modell noch aufwendiger zu werden, und das scheint mir das Problem an diesem Modell zu sein.
    "Dass der Einzelne nicht mehr bezahlt, kann man nicht garantieren"
    Engels: Aufwand ist das eine. Die andere Kritik richtet sich gegen Herrn Scholz dahingehend, ob es wirklich damit gewährleistet ist, dass unter dem Strich nachher die Steuerbelastung für den Immobilienbesitzer oder auch den Mieter nicht steigt. Ist das tatsächlich zu leisten?
    Tillmann: Da hat der Finanzminister völlig recht. Das haben wir selbst in der Hand, indem wir nämlich die Steuermesszahl, die letzte Berechnungsgrundlage vor der Steuer mit dem Bundesgesetz festlegen wollen. Das können wir so machen, dass niemand mehr bezahlt. Das gilt aber für den Durchschnitt. Dass der Einzelne nicht mehr bezahlt, kann man mit diesem Modell auch nicht garantieren.
    Engels: Dann schauen wir auf den anderen Aspekt zurück, nämlich die komplizierte Berechnung beziehungsweise die Daten, die dazu erhoben werden müssen. Sie haben schon mehrfach auf den knappen Zeitrahmen verwiesen. Was machen Sie, wenn das gar nicht umsetzbar ist, wie Herr Scholz sich das vorstellt?
    Tillmann: Wir müssen ein Modell finden, was umsetzbar ist. Wir können auf gar keinen Fall den Kommunen am Ende dieses Zeitraums sagen, wir haben es nicht geschafft. Das ist keine Option. Wir müssen es schaffen und wir werden es auch schaffen. Und auf diesen Aspekt muss man das Gesetz, den Gesetzesvorschlag auch durchgucken, ob es tatsächlich in der Zeit umsetzbar ist, und das ist ja das, was gerade einige Länder problematisieren und was jetzt überprüft werden muss. Weil wir die Daten fast alle nicht digital vorliegen haben, muss es ein Modell sein, was sehr einfach umzusetzen ist.
    Engels: Wie können Sie denn die Kommunen, aber auch die Länder und auch die Bürger beziehungsweise auch die Verbände entlasten bei diesem Bürokratieaufwand, der da auf sie zukommen könnte?
    Tillmann: Im digitalen Zeitalter kann man da vieles tun. Wenn man sich mal anguckt, wie man zum Beispiel erkennen kann, wann die braune Tonne abgeholt wird, dann gibt es Systeme, wo man einfach seine Adresse einträgt und dann kommt das Datum, wann in dieser Straße an welchem Wochentag die Tonne abgeholt wird. Das könnte man sich für die Vervielfältiger natürlich auch vorstellen.
    Wir haben die Werte nach Mikrozensus, die könnte man einpflegen in ein System, so dass jeder Bürger nur noch seine Adresse eintragen muss und den Wert, den Vervielfältiger für sein Haus abrufen könnte. Aber auch diese Werte gibt es noch nicht digital. Die müssen alle noch eingepflegt werden. Das ist noch erheblicher Aufwand.
    "Wenn wir die Frist nicht einhalten, fällt die Grundsteuer weg"
    Engels: Noch mal die Frage: Was tun, wenn es nicht kommt und Sie den Zeitplan nicht einhalten können? Gibt es dann noch mal Aufschub?
    Tillmann: Nein. Nein, definitiv nicht. Das Verfassungsgericht hat gesagt, dass ab dem Tag die Grundsteuer dann endgültig verfassungswidrig ist und dass sie nicht mehr angewendet werden darf. Das heißt: Wenn wir die Frist nicht einhalten, fällt die Grundsteuer weg. Deshalb kann diese Option keine sein.
    Engels: Die Lebenserfahrung zeigt uns allen ja, dass das Einführen neuer, komplexer Systeme meistens länger dauert als kürzer. Das heißt, im Extremfall kann man dann nur versuchen, das System noch weiter abzuspecken, dann vielleicht doch auf die einfachere Lösung zurückzukommen, nämlich nur auf die Wohnungsgröße, die Wohnfläche und die Grundstücksgröße zurückzukommen?
    Tillmann: Ganz genau. Wenn das Modell nicht umsetzbar wäre in diesen vier Jahren, dann müssten wir einfach ein einfacheres Modell nehmen.
    Engels: Ein einfacheres Modell. Aber ist das dann wieder das ungerechtere?
    Tillmann: Das ist eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit. Viele sagen ja, das Steuerrecht sollte einfacher und gerecht werden. Wenn man da ein bisschen pauschaler herangeht, zum Beispiel über Freigrenzen, Freibeträge bei der Einkommenssteuer oder bei der Grundsteuer darauf verzichtet, dass jeder Quadratmeter sehr gerecht besteuert wird, dann kann das Modell auch insgesamt trotzdem zu einem vernünftigen Modell werden.
    Engels: Die Linke geht in diesem Fall sogar noch einen Schritt weiter. Sie hat natürlich das Thema Gerechtigkeit im Sinn und sagt: Es wäre doch auch schon viel gewonnen, wenn einfach die Grundsteuer künftig überhaupt nicht mehr auf die Mieten umgelegt wird. Dann wäre dieser ganze Faktor als möglicher Kostensteigerungsfaktor raus.
    Tillmann: Das kann man gerechter empfinden. Ich empfinde das als ungerechter. Denn wenn man sich anguckt, wofür die Kommunen die Grundsteuer verwenden - sie verwenden sie nämlich für Schulsanierung und für Straßenbau, für Gestaltungen von Parkanlagen -, dann kann man daran erkennen, dass jeder Bürger diese Leistungen, die die Kommunen bezahlen, auch nutzt. Deshalb ist es nach unserer Sicht sinnvoll, dass sich auch alle Bürgerinnen und Bürger daran beteiligen, vor allen Dingen, weil sie dann in den Stadträten auch Interesse daran haben, die entsprechenden Politiker dazu zu motivieren, die Hebesätze nicht unbegrenzt zu erhöhen.
    Engels: Die Meinungen unter den Ländern gehen derzeit noch weit auseinander. Glauben Sie an eine Einigung?
    Tillmann: Wir brauchen zwingend eine Einigung und das wissen die Länder auch und sie werden eine Einigung hinbekommen.
    "Wir werden eine gemeinsame Lösung finden"
    Engels: Herr Scholz hatte ja nun auch diese beiden Modelle, das einfachere, was auch Bayern bevorzugt, was auch Sie bevorzugen, und sein Modell vorgestellt. Hat er damit das Problem einfach den Ländern vor die Füße gekippt?
    Tillmann: Ach, ich weiß nicht. Ich glaube, wir wissen, dass wir in der Beziehung ein Team sind. Er hat jetzt seine Vorstellungen vorgestellt, so wie die Länder das ja auch in der letzten Legislaturperiode mit ihrem Modell gemacht haben. Jetzt muss man sich an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Lösung suchen. Das hat schon bei anderen Themen geklappt; das wird auch diesmal klappen. Das ist ein Gesetz, was jeden Bürger betrifft. Deshalb ist es gut, dass wir uns sehr intensiv darüber Gedanken machen. Aber wir werden eine gemeinsame Lösung finden.
    Engels: Und am Ende kann sich der Bürger darauf verlassen: Bis auf diesen möglichen zweistelligen Eurobetrag, den Herr Scholz schon angekündigt hat als mögliche Steigerung der Kosten für den Einzelnen, wird es weiter nichts an Belastung geben?
    Tillmann: Wenn Herr Scholz das so gesagt hat und das auch berechnet hat, dann gehe ich mal davon aus, dass er die Wahrheit sagt. Ich habe die Berechnungsmodelle selber noch nicht gesehen. Das hängt alles an dem Vervielfältiger, den er ja auch noch gar nicht vorgestellt hat. Von daher würde ich da ein bisschen vorsichtiger herangehen. Aber wenn das sein Ziel ist, dann ist das ein gemeinsames Ziel von uns, und damit kann man in dem Sinne gut verhandeln.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.