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Guatemala
Der zähe Kampf gegen die Korruption

Korruption und Straflosigkeit - diesen Missständen hat Guatemala den Kampf angesagt und entwickelte sich dabei zum Vorzeigeland. Mit Unterstützung der UN-Mission CICIG wanderten ranghohe korrupte Politiker und Unternehmer reihenweise in Haft. Doch der eigene Erfolg wird der CICIG nun zum Verhängnis.

Von Martin Reischke | 29.11.2018
    Ein Mann mit einem Protestplakat in Guatemala, vor ihm der Rauch eines Feuerwerkskörpers.
    Vor zehn Jahren nahm die Antikorruptions-Kommission unter Iván Velásquez ihre Arbeit auf - nun wurde ihr Mandat nicht verlängert (picture alliance / Moises Castillo)
    "Sra. Presidenta del 73. período de la asamblea general de Naciones Unidas, senores jefes de Estado y de gobierno ."
    Am Dienstag, den 25. September 2018 tritt der guatemaltekische Präsident Jimmy Morales vor die Vollversammlung der Vereinten Nationen. Zum dunklen Anzug trägt er eine hellblaue Krawatte, sein Blick ist ernst.
    Er ist nach New York gekommen, um der Welt darüber zu berichten, was in seinem Land vor sich geht. Vor allem aber will er über die CICIG reden - die Internationale Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala.
    "Die CICIG ist eine Bedrohung geworden für den Frieden in Guatemala. Sie hat ein Terrorsystem errichtet, das Andersdenkende verfolgt und gegen sie ermittelt. Die Kommission wird beschuldigt, Zeugenaussagen zu erzwingen. Diese Menschen macht sie dann zu Kronzeugen, indem sie ihnen einen verkürzten Prozess und Straffreiheit anbietet."
    Kampf gegen Korruption hat mächtige Feinde
    Das sind harte Anschuldigungen. Aber Präsident Morales ist längst noch nicht fertig mit seiner Abrechnung.
    "Guatemala ist heute so polarisiert wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Es gibt sogar Menschen, die sagen, dass es selbst während des Bürgerkriegs in den 1980er Jahren nicht diesen Grad an Polarisierung gab."
    Der Mann, der dafür verantwortlich sein soll, heißt Iván Velásquez. Velásquez ist der Chef der Internationalen Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala. Ein großgewachsener Jurist aus Kolumbien mit ruhiger Stimme und einem zurückhaltenden Wesen, der für seinen Anti-Korruptionskampf international gefeiert wird. Gerade erst wurde er sogar mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Wie passt das zusammen mit den Anschuldigungen des Präsidenten?
    Iván Velásquez, Chef der Internationalen Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala vor der Flagge der UN.
    Die Wiedereinreise nach Guatemala wurde ihm verweigert: Iván Velásquez (AP)
    Für Velásquez selbst ist die Haltung von Jimmy Morales keine Überraschung. Er weiß schon lange, dass er sich durch die Korruptionsermittlungen bis in höchste Kreise mächtige Feinde gemacht hat.
    "Es gibt eine starke Gegenreaktion gegen unsere Ermittlungen der vergangenen drei Jahre. Diese Gegenreaktion wird in Guatemala oft als 'Pakt der Korrupten' bezeichnet, dazu gehören Leute, die schon in Untersuchungshaft sitzen genauso wie Abgeordnete oder Unternehmer, die von unseren Untersuchungen betroffen sind. Und diese Gegenreaktion ist so stark, dass sie immer noch zu einem Rollback führen kann."
    Ranghohe Politiker reihenweise in Haft
    In ganz Lateinamerika sind Korruption und Straflosigkeit ein großes Problem. Weil die Lage in Guatemala besonders prekär ist, griff das kleine zentralamerikanische Land vor mehr als zehn Jahren zu einem außergewöhnlichen Mittel: 2006 bat die guatemaltekische Regierung die UNO um Mithilfe bei der Aufklärung von Verbrechen, ein Jahr später hat die "Internationale Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala", kurz CICIG, ihre Arbeit im Land aufgenommen - eine weltweit einzigartige UN-Mission, deren Aufgabe es ist, illegale Netzwerke und Machtstrukturen aufzudecken und zu beseitigen sowie Vorschläge an die Politik zu machen, um die Neubildung dieser illegalen Strukturen zu verhindern.
    Seit vor drei Jahren sogar der damalige Präsident Otto Pérez Molina wegen eines Korruptionsskandals direkt aus dem Präsidentenpalast in Untersuchungshaft wanderte, ist CICIG-Chef Iván Velásquez nicht nur für viele Guatemalteken zu einer Art Superheld geworden. Menschen aus der ganzen Region schauten neidvoll und bewundernd nach Guatemala, das sein korruptes politisches System nun endlich gründlich aufzuräumen schien. Ranghohe Politiker und einflussreiche Unternehmer wanderten reihenweise in Haft, weil ihnen Bestechung, Korruption oder illegale Wahlkampffinanzierung vorgeworfen wurde.
    Doch der eigene Erfolg wird der CICIG nun zum Verhängnis. Niemand hatte damit gerechnet, dass die Kommission so rigoros durchgreifen würde. Nun sehen die guatemaltekischen Eliten aus Politik und Wirtschaft die CICIG als Feind, der auch ihre eigenen Interessen bedroht. Kein Wunder, meint Jordán Rodas, der Ombudsmann für Menschenrechte in Guatemala.
    "Das waren ja Gruppen, an die sich die Justiz nie zuvor ran getraut hatte - und auf einmal, zusammen mit der CICIG, ging es. Natürlich gibt es zwischen den Politikern und einflussreichen Wirtschaftsbossen Differenzen, aber der gemeinsame Feind hat sie zusammengeschweißt. Und das hat zu dieser unglückseligen Entscheidung geführt."
    Der Präsident von Guatemala, Jimmy Morales, im Juni 2017 auf einer Konferenz in Paris.
    Jimmy Morales, Präsident von Guatemala, stellt sich gegen den Kampf gegen die Korruption (picture-alliance / dpa / MAXPPP / Leon Tanguy)
    Die verkündet Präsident Jimmy Morales am Freitag, den 31. August 2018. Begleitet von einem großen Militäraufgebot informiert er die Öffentlichkeit bei einer Pressekonferenz im Präsidentenpalast darüber, dass die Arbeit der CICIG im September kommenden Jahres enden soll. Bisher war das Mandat alle zwei Jahre verlängert worden. Doch nun würde man weitere internationale Unterstützung nicht mehr benötigen, so der Präsident. Es ist ein schwerer Schlag gegen den Anti-Korruptionskampf in Guatemala, der in den vergangenen Jahren vor allem aufgrund der Arbeit der CICIG so erfolgreich war.
    Zur gleichen Zeit patrouillieren Militär-Jeeps vor der CICIG-Zentrale in Guatemala-Stadt - die Szenen wecken bei vielen Guatemalteken Erinnerungen an dunkelste Zeiten.
    "Solche Bilder haben eine Wirkung auf die Menschen, denn wir haben einen 36 Jahre langen Bürgerkrieg hinter uns. Und es war eine gut geplante Strategie, denn danach kamen gleich die nächsten Schritte, ohne dass es eine Reaktion der Zivilgesellschaft gegeben hätte. Und genau so war es ja auch gedacht: Als Einschüchterung, um die Menschen davon abzuhalten, öffentlich dagegen zu protestieren."
    Ende der Anti-Korruptionskommission?
    Ganz ist das der Regierung allerdings nicht gelungen. Gleich am nächsten Tag versammeln sich einige hundert Menschen vor dem Präsidentenpalast in Guatemala-Stadt, um für die CICIG und gegen die Entscheidung der Regierung von Jimmy Morales zu demonstrieren. Doch der zeigt sich unbeeindruckt - und legt nach: Als CICIG-Chef Velásquez auf einer Dienstreise in New York weilt, weist Präsident Morales die guatemaltekischen Migrationsbehörden an, ihm die Wiedereinreise nach Guatemala zu verweigern. Velásquez sei "eine Bedrohung für den Frieden in Guatemala", heißt es dazu in einer Stellungnahme der Regierung.
    Zwar kassiert das guatemaltekische Verfassungsgericht die Anweisung des Präsidenten schon wenige Tage später, doch Jimmy Morales denkt nicht daran, dem Gerichtsentscheid Folge zu leisten - und die UNO will den Konflikt nicht noch weiter anheizen. Iván Velásquez bleibt also in New York. Sein Sprecher Matías Ponce ist sichtlich bemüht, die Situation nicht zu dramatisieren. Die Arbeit gehe natürlich ganz normal weiter, so Ponce.
    "Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat Iván Velásquez gebeten, die CICIG aufgrund der aktuellen Situation vom Ausland aus zu leiten. Und das macht er nun, neben den vielen Arbeitstreffen im Ausland, die er ebenfalls wahrnimmt. Trotzdem ist er jeden Tag in Kontakt mit unseren Untersuchungsteams und jede Woche gibt es ein Treffen zwischen der Staatsanwaltschaft und der CICIG, um die aktuellen Fälle voranzubringen."
    "Business as usual" also? Wohl kaum. Denn seit CICIG-Chef Velásquez im Exil ist und klar ist, dass das Mandat der Kommission nicht verlängert wird, geht auch in der guatemaltekischen "Staatsanwaltschaft für die Bekämpfung der Straflosigkeit" - kurz FECI - die Angst um, dass ihre Arbeit bald ein Ende haben könnte. Gegründet wurde die FECI vor zehn Jahren, sie ist das Bindeglied zwischen den guatemaltekischen Untersuchungsbehörden und der CICIG. Juan Francisco Sandoval, ein junger, unscheinbarer Mann, leitet die Staatsanwaltschaft seit drei Jahren. Auch er hat gemerkt, wie die Gegner der CICIG immer stärker geworden sind. Anfeindungen und sogar Morddrohungen gehören für ihn zum Alltag.
    Einmischungen des Präsidenten
    "Ich befinde mich jetzt an dem schwierigsten Punkt meiner ganzen Karriere in der Staatsanwaltschaft. Es wäre natürlich einfach zu sagen: 'Ich werfe das Handtuch, warum tue ich mir das Ganze überhaupt noch an?' Aber ich glaube, dass unsere Untersuchungen ein Symbol dafür sind, dass die Justiz vor niemandem Halt macht."
    Auch nicht vor dem guatemaltekischen Präsidenten Jimmy Morales. Der betont zwar immer wieder, dass er sich in die Arbeit der CICIG und der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft nicht einmische. Aber Juan Francisco Sandoval kann darüber nur lachen.
    "Die Tatsache, dass sich der Präsident immer wieder negativ über die Ermittlungsarbeiten äußert, ohne eine Ahnung davon zu haben, und dass er Dinge behauptet, die überhaupt nicht zum Prozessverlauf passen - ist das etwa keine Einmischung? Und die Tatsache, dass CICIG-Mitarbeitern das Visum verwehrt wird, die mit Untersuchungen betraut sind, die den Präsidenten, seinen Bruder und seinen Sohn betreffen - ist das etwa auch keine Einmischung? Wenn das keine Einmischung sein soll, was dann?"
    Der frühere Verteidigungsminister Manuel Lopez Ambrosio nach seiner Verhaftung im Juni 2016 - gegen ihn werden Vorwürfe wegen Korruption und Geldwäsche erhoben, so auch von der CICIG.
    Geldwäsche und Korruption - so lauten die Vorwürfe auch gegen Manuel Lopez Ambrosio, dem früheren Verteidigungsminister (picture alliance / Esteban Biba)
    Als der Sohn und der Bruder von Präsident Jimmy Morales vor zwei Jahren aufgrund von Korruptionsermittlungen in Untersuchungshaft kommen, beginnt sich das eigentlich gute Verhältnis zwischen der CICIG und dem Regierungschef merklich abzukühlen. Jimmy Morales war vor drei Jahren selbst als politischer Outsider und Anti-Korruptionskandidat ins Präsidentenamt gewählt worden. Kritiker werfen der CICIG und der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft vor, den Korruptionsfall um Sohn und Bruder von Morales medial ausgeschlachtet zu haben. Sandoval wehrt sich gegen die Vorwürfe.
    "Dass wir in der Untersuchung auch eine Beteiligung dieser beiden Personen feststellen konnten, das war natürlich eine etwas unerfreuliche Entdeckung, aber was hätten in diesem Moment denn die Staatsanwaltschaft und die CICIG machen sollen? Hätten sie die Ermittlungen einstellen sollen, weil diese beiden Personen involviert waren? Ich glaube, dass vor der Justiz alle gleich sind. Und Korruption ist weder groß noch klein, es ist und bleibt einfach Korruption."
    Streit um ideologische Motive
    Ricardo Méndez Ruiz sieht das ganz anders. Der Mann mit den sorgsam frisierten grauen Haaren, der stets Wert auf korrekte Kleidung legt, ist als stramm rechter Spin-Doctor in Guatemala eine der radikalsten und lautesten Stimmen der CICIG-Kritiker.
    "Wenn das mein Sohn gewesen wäre, dann hätte ich Iván Velásquez noch am selben Tag aus dem Land geworfen."
    Für Méndez Ruiz sind die CICIG und vor allem Iván Velásquez nichts als feindliche ausländische Kräfte, die als Teil einer linken Verschwörung Guatemala polarisieren und wirtschaftlich in die Knie zwingen wollen. Das klingt wie Propaganda aus dem Kalten Krieg. Doch spätestens seit die CICIG auch gegen Präsident Jimmy Morales selbst Untersuchungen wegen illegaler Wahlkampffinanzierung aufgenommen hat, treffen die Forderungen von Méndez Ruiz auch in der Regierung auf offene Ohren.
    "Wenn der Kampf gegen die Korruption zu einer schweren politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise führt, dann ist irgendetwas faul. Und was ist das? Es ist der ideologische Hintergrund. Das ist es. Guatemala ist heute in einer schlechteren Verfassung als noch vor drei Jahren."
    Es ist der exakt gleiche Diskurs, mit dem Präsident Jimmy Morales Ende September vor der UN-Vollversammlung erklärt, warum die CICIG Guatemala angeblich in die Krise geführt habe. Iván Velásquez kennt den Diskurs nur zu gut. Er hat ihn hunderte Male anhören müssen in Guatemala.
    "Wenn die Verteidigung keine Argumente mehr hat, dann versucht sie, unsere Arbeit zu delegitimieren, indem sie sagt, es handele sich um eine Verfolgung aus ideologischen Gründen. Und wenn diese Strategie nicht mehr funktioniert, dann sagen sie, dass die Wirtschaft des Landes beschädigt werde, dass die Verwaltung lahmgelegt sei und kein Beamter sich mehr trauen würde, auch nur einen Vertrag zu unterschreiben, weil es keine Rechtssicherheit gebe. Es geht um alles außer um die wirklichen Beweise, um so die Position der Staatsanwaltschaft oder der CICIG zu schwächen."
    Entscheidend: die Position der USA
    Flankiert wird der Kampf gegen die CICIG von neuen Gesetzen im Parlament, wo Korruptionsdelikte wie zum Beispiel die illegale Wahlkampffinanzierung einfach abgeschafft werden. Doch lange Zeit haben die CICIG-Kritiker ein Problem: Der größte Geldgeber der Kommission sind die USA, sie fördern den Anti-Korruptionskampf auch deshalb, weil sie sich davon einen Rückgang der Migrantenzahlen aus Zentralamerika versprechen. Jedes Jahr machen sich zehntausende Guatemalteken auf die Reise Richtung Norden. Auch in der großen Migranten-Karawane, die seit einigen Tagen an der Grenze zwischen den USA und Mexiko in Tijuana campiert, sind viele Guatemalteken vertreten, die vor der Hoffnungslosigkeit in ihrem Heimatland fliehen.
    Hunderte Flüchtlinge ziehen am 25.10.2018 von Guatemala in Richtung mexikanische Grenze.
    Auch aus Guatemala ziehen seit Wochen Migranten in Richtung Norden - sie wollen in die USA (imago / Agencia EFE / Estaban Biba )
    Die CICIG soll helfen, die Situation in Guatemala zu stabilisieren. So wollen es die USA, die einen starken Einfluss auf die guatemaltekische Politik haben. Gegen den Willen Washingtons lässt sich die CICIG also kaum schwächen.
    Deshalb bekommt die US-amerikanische Anwaltskanzlei und Lobbygruppe Barnes & Thornburg einen sensiblen Auftrag. Sie soll bei US-Politikern Zweifel am Erfolg der CICIG-Mission säen und den US-Botschafter diskreditieren, der eng an der Seite der Kommission steht. Auftraggeber der Schmähkampagne seien die guatemaltekische Regierung und wichtige Unternehmer des Landes gewesen, erzählt die guatemaltekische Journalistin Jody García, die den Fall recherchiert hat.
    "Das Ziel dieses ersten Lobbyversuchs war es, den US-Botschafter Todd Robinson abzusetzen und anschließend Iván Velásquez, und daneben sollten weitere führende Persönlichkeiten vor allem in der Justiz entfernt werden: die guatemaltekische Generalstaatsanwältin Thelma Aldana ebenso wie der Innenminister Francisco Rivas."
    Doch der Lobbyvertrag wird öffentlich, die guatemaltekische Regierung muss zurückrudern. Bald aber startet sie einen neuen, geheimen Versuch.
    Zwar gelingt es den Lobbyisten auch jetzt nicht, die US-Politiker davon zu überzeugen, CICIG-Chef Iván Velásquez aus dem Amt zu drängen. Doch ihre Kritik an der internationalen Kommission stößt bei manchen US-Politikern auf offene Ohren - und trägt dazu bei, dass einige Senatoren der Republikaner die Freigabe der US-Mittel für die CICIG über Monate blockieren.
    Die Bürger sind müde
    Die internationale Gemeinschaft, die die Arbeit der CICIG über die vergangenen elf Jahre mit insgesamt mehr als 160 Millionen US-Dollar finanziert hat, scheint angesichts der aggressiven Haltung der guatemaltekischen Regierung eingeschüchtert zu sein. Eine Interview-Anfrage an den deutschen Botschafter Harald Klein lehnt das Auswärtige Amt ab - offizielle Begründung: Zeitmangel. Die Bundesrepublik, teilt das Ministerium dann doch noch mit, habe die CICIG in den vergangenen Jahren mit insgesamt 5,4 Millionen Euro unterstützt. Zur aktuellen Diskussion um die CICIG will man sich allerdings nicht äußern.
    Einer der wenigen Diplomaten, der zu einem Gespräch bereit ist, ist Stefano Gatto. Der gebürtige Italiener arbeitet in Guatemala als Botschafter der Europäischen Union, einem der größten Geber der CICIG. Er kennt die Bitten zivilgesellschaftlicher Gruppen, sich stärker in die Debatte um die CICIG in Guatemala einzumischen. Doch die Frage, ob das Mandat der Kommission verlängert werden soll oder nicht, sei eben eine souveräne Entscheidung des Landes.
    "Die guatemaltekische Regierung hat die CICIG noch bis vor ein paar Jahren unterstützt, danach hat sie ihre Einschätzung geändert. Das ist ihre Einschätzung und es ist natürlich völlig legitim, dass sie die vornehmen."
    Bei dieser Art von Unterstützung, so Gatto, müsse man sich ganz nach den Wünschen des Landes richten. Doch für ihn ist der Kampf gegen die Korruption in Guatemala nicht zwangsläufig an das Fortbestehen der CICIG gebunden.
    "Wenn die Behörde aufhört zu existieren oder die Regierung entscheidet - so wie sie es getan hat - dass es keine weiteren Untersuchungen mehr geben soll, dann endet natürlich auch unsere Unterstützung. Was nicht endet, ist unsere Hilfe im Kampf gegen die Korruption und Straflosigkeit."
    Wenig Hoffnung für die Zukunft
    Schon jetzt würde die EU neue Unterstützungsprogramme für die guatemaltekische Staatsanwaltschaft planen, so Botschafter Gatto. Nur: Was wird aus Guatemalas Rechtsstaat und dem Kampf gegen die Korruption, wenn die CICIG, die mit UN-Mandat wirklich unabhängig agieren kann, im September kommenden Jahres ihre Segel streichen muss? Der guatemaltekische Menschenrechts-Ombudsmann Jordán Rodas hat wenig Hoffnung.
    "Es gibt ein sehr großes Risiko, dass Guatemala zu einem Drogen-Staat wird, regiert von einer Kleptokratie. Weil wir dann wieder ein Staat mit einer öffentlichen Verwaltung voller Korruption wären, und die Justiz nicht mehr unabhängig."
    Menschen in Guatemala protestieren gegen die Entscheidung, das Mandat der Internationale Kommission zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Guatemala nicht zu verlängern.
    Die Entscheidung des Präsidenten Jimmy Morales, das Mandat der CICIG nicht zu verlängern, hat zu Protesten geführt (picture alliance / Oliver De Ros)
    Am 20. Oktober 2018, dem Tag der Revolution in Guatemala, kommen nur wenige Menschen auf dem zentralen Platz der Hauptstadt zusammen, um für mehr politische Beteiligung der indigenen Bevölkerung zu demonstrieren. Ein Liedermacher auf der Bühne singt von einer Regierung, die besser kontrolliert werden müsse - er singt von einem Guatemala, das es bald so vielleicht nicht mehr geben wird. Denn die Bürger sind müde, die CICIG scheint am Ende, der politische Rollback ist in vollem Gange: Es sieht nicht gut aus für die progressiven Kräfte im Land.
    Doch im Juni kommenden Jahres sind Präsidentschaftswahlen - das gibt einigen Menschen Hoffnung, dass es vielleicht doch noch eine Zukunft für die CICIG in Guatemala gibt und noch nicht alles verloren ist. Ombudsmann Jordán Rodas jedenfalls übt sich schon einmal in Zweckoptimismus.
    "Gerade sieht es so aus, als wenn die Korrupten die Oberhand gewinnen würden, aber langfristig glaube ich, dass die ehrliche Bevölkerung sich am Ende durchsetzen wird. Wenn nicht, wäre das wirklich sehr traurig für Guatemala."