Dienstag, 19. März 2024

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100 Jahre Leica
Ausstellung zum Sinnbild des "Neuen Sehens"

Der legendären Kleinbildkamera von Leica ist derzeit die Ausstellung "Augen auf" im Hamburger Haus der Fotografie gewidmet. Anhand journalistischer Bild-Strategien, dokumentarischer Ansätze und freier künstlerischer Arbeiten können Zuschauer die hundertjährige Geschichte der vielleicht ersten echten Einsteigerkamera betrachten.

Von Petra Marchewka | 24.10.2014
    Eine Leica M8 liegt am 18.10.2012 auf einem Stuhl in Bad Windsheim (Bayern)
    Leica traf vor 100 Jahren den Zeitgeist und hat sich gut gehalten - hier die Digitalkamera Leica M8. (picture alliance / dpa - David Ebener)
    "Also der Sound dieser Kamera war auch immer etwas Verführerisches. Was die Leute natürlich begeistert hat."
    Klein, leicht und einfach zu bedienen sollte sie sein, in der Manteltasche immer dabei und griffbereit, ideal für unkompliziertes Fotografieren mit preiswertem Material, gemacht für Amateure, Quereinsteiger und Profis.
    Kurator Hans-Michael Koetzle: "Wir wollen erzählen: Wie hat diese kleine Kamera ab 1925 die Fotografie verändert."
    Eine Leica M6.
    Die Geschichte der Leica begann natürlich in schwarz-weiß - auch wenn diese M6 erst ab 1984 produziert wurde. (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
    Die Kleinbild-Kamera Leica, von Oskar Barnack in den Leitz-Werken in Wetzlar entwickelt, trifft bei ihrer Markteinführung den Geist der Zeit, wird dank ihrer flexiblen Einsatzmöglichkeit schnell zum Sinnbild des "Neuen Sehens".
    "Das verändert die Fotografie, die Wahrnehmung, man muss wissen, 1925 war doch ein Schlüsseljahr für die Moderne, die große Art Deco-Ausstellung in Paris hat eröffnet, Eisenstein bringt seinen Film 'Panzerkreuzer Potemkin' ins Kino, Moholy-Nagy veröffentlicht sein Buch "Malerei, Fotografie, Film", also 1925 war sozusagen das geistige Terrain bereitet und jetzt kommt diese Kamera, fällt auf fruchtbaren Boden."
    Den Zeitgeist getroffen
    In einem roten Raum auf roten Podesten von Lichtspots beleuchtet liegen neun ausgewählte Leica-Schlüsselmodelle. Daneben entsprechende Vergrößerer und Projektoren.
    "Denn heute hat man ein Handy oder hat 'ne kleine, kompakte Digitalkamera, man stellt's gleich ins Internet, das war damals mühsame Laborarbeit, um zu einem Bild zu kommen. Natürlich auch die Magie der Entwicklerschale, wie das Bild dann langsam kommt, das sind also alles Dinge, die wir hier noch mal inszenieren wollen, eben auch entlang dieser ersten Kameras."
    Fotografien von Alexander Rodschenko, dem russischen Konstruktivisten. Aufnahmen von Georgi Petrussov, der nicht durch den Sucher der Kamera schaut, sondern sie in die Höhe hält und "blind" fotografiert. Eine handliche Kamera, von Stativ und Fernauslöser befreit, lädt zum Experimentieren mit Perspektive, Bewegung und Schatten ein. Auch Künstler anderer Metiers übten sich darin, George Grosz zum Beispiel. Der Maler, Karikaturist, Dadaist war 1932 per Schiff nach Amerika gefahren, die Leica im Handgepäck. Hans-Michael Koetzle steht vor einer Aufnahme, die unscharfe Gestalten an einer Schiffsreling zeigt.
    "Ich meine, damals ging so eine Schiffsreise zehn Tage, vielleicht vierzehn Tage, da probiert man jetzt so eine Kamera aus, und da stehen jetzt also die Leute dicht gedrängt an der Reling und gucken, da sind die Schuhspitzen, die rausragen, es ist ein Bild, das in seinem Aufbau recht komplex ist und man muss wirklich genau hinschauen, um zu entdecken, was ist da eigentlich los."
    550 Fotografien von mehr als 140 Künstlern
    Dokumentarisches Material, Zeitschriften, Magazine, Bücher, Werbemittel und Broschüren ergänzen die rund 550 Fotografien von mehr als 140 Künstlern, darunter Henri Cartier-Bresson, Sabine Weiss, Christer Strömholm, William Klein, F.C. Gundlach. Durch die Geschichte der Kleinbildfotografie zieht sich das Phänomen des "Neuen Sehens" wie ein roter Faden.
    "Die Ausstellung versucht so ein wenig zu belegen, dass eigentlich jede Zeit, jede Generation, jedes Jahrzehnt das "Neue Sehen" neu definiert. Es gibt immer wieder Möglichkeiten, die Welt neu zu interpretieren und neu zu sehen."
    Die Ausstellung "Augen auf" möchte auch ein Plädoyer sein, will zum Hinschauen einladen und um Offenheit für neue Perspektiven werben. Nach dieser Reise durch die Geschichte der Leica-Fotografie stehen die Chancen dafür sicher nicht schlecht.
    "Wir sehen bestimmte Dinge, nachdem wir hier bestimmte Bilder gesehen haben, anders, wir nehmen sie vielleicht zum ersten Mal wahr. Bestimmte Momente der Schattenbildung auf der Straße, bestimmte Ausschnitte, bestimmte Perspektiven kriegen eine ganz andere Bedeutung."
    Die Ausstellung "Augen auf - 100 Jahre Leica" können Sie bis zum 21. Januar 2015 besuchen, im Haus der Fotografie in den Hamburger Deichtorhallen. Danach wandert sie weiter nach Frankfurt, Berlin, Wien und München.