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100 Jahre Normierung
Happy Birthday DIN!

Zahnbürsten, Babyschnuller, Druckerpapier, Strumpfhosen: Die sogenannte DIN-Norm regelt, welchen Standards ein Produkt entsprechen muss. Sie macht die Welt der Verbraucher übersichtlicher und sicherer. Wie sicher, das zeigt schon ein Blick in die Geschichte.

Von Monika Dittrich | 22.12.2017
    Packungen mit weißem DIN A4-Papier
    Die DIN-A4-Norm dient dazu, dass Papier immer in dne Drucker passt (dpa/Stephan Jansen)
    Öschelbronn, ein Dorf auf der Grenze zwischen Baden und Württemberg, Anfang der 1930er-Jahre. An einem heißen Septembertag bricht ein Feuer aus.
    "Und bei dem Brand werden innerhalb von 24 Stunden 184 Häuser zerstört."
    Erzählt der Historiker Daniel Leupold von der Berufsfeuerwehr in Köln.
    "Die Brandbekämpfung war nur deshalb sehr schleppend möglich, weil eben die Schlauchverbindungen zwischen den badischen und den württembergischen Spritzen nicht richtig gut zusammenpassten."
    Die badische Feuerwehr hatte andere Schlauchkupplungen als die württembergische. Da standen also die Brandbekämpfer aus den Nachbarorten bereit und konnten doch nicht helfen. Diese Erfahrung war ein Weckruf für die Feuerwehren und hatte die Normierung ihrer Gerätschaften zur Folge. Die sogenannte Storzkupplung zum Beispiel wird heute überall in Deutschland eingesetzt:
    "Diese Storzkupplung hat den besonderen Vorteil, dass sie zwei gleiche Hälften hat. Das heißt, es gibt nicht wie bei einer Mutter oder einer Schraube zwei unterschiedliche Stücke, die miteinander verschraubt werden, sondern die Kupplungen sind immer gleich."
    Geburtsstunde der Massenproduktion
    Nicht immer geht es bei den Normen gleich um Leib und Leben. Die Vordenker der technischen Vereinheitlichung hatten vor allem die industrielle Massenproduktion im Sinn. Am 22. Dezember 1917 wurde dafür der "Normenausschuss der deutschen Industrie" gegründet, also noch während des Ersten Weltkriegs. Das war kein Zufall, sagt der Technik-Historiker Günther Luxbacher:
    "Bestimmte Produkte, seien es Lkw, seien es Geschützlafetten oder das Maschinengewehr 08/15, die brauchte man in so großen Stückzahlen, dass man sämtliche Hersteller dazu verdonnert hat, dieses Gewehr oder diese Produkte herzustellen, und die mussten natürlich identisch sein. Und um diese Identität herzustellen, war es notwendig, an alle dieselben Vorschriften rauszugeben. Das hat natürlich die Gründung des DIN befördert."
    Die Norm ist zum Alltag geworden
    DIN stand damals noch für "Deutsche Industrie-Norm". Heute ist DIN die Abkürzung für Deutsches Institut für Normung, das seinen Sitz in Berlin hat, am DIN-Platz:
    "Viele Verbraucher kommen täglich in ihrem Leben in Berührung mit Normen und Standards, ohne dass sie es merken."
    Oliver Boergen ist Pressesprecher beim DIN.
    "Hier steht eine Zahnbürste. Manch einer fragt sich, was haben Normen und Standards damit zu tun."

    Ja, auch die Zahnbürste ist genormt. Damit die Borsten beim Putzen nicht ausfallen. DIN-genormte Babyschnuller haben zwei Löcher – damit die Kinder noch Luft bekommen, falls sie den Sauger verschlucken. Internationale Normen sorgen dafür, dass Container aus Asien auf deutsche Züge passen. Der Popstar unter den Normen ist aber wohl das DIN-A-4-Papier:
    "Das ist eine sehr alte Norm, die gibt es seit 1922. Und die Norm sorgt dafür, dass Papier in jeden Drucker passt, in jeden Ordner und jeden Kopierer und so weiter."
    Das fünfjährige Mädchen Mia beim Zähneputzen, fotografiert am 19.08.2015 in Sieversdorf (Brandenburg).
    Auch Zahnbürsten unterliegen einer Norm (picture alliance / dpa / Patrick Pleul/dpa Model Release )
    Von wegen staatlich verordnet
    Anders als oft vermutet, ist das DIN keine staatliche Behörde, sondern ein privater Verein. Einen Antrag auf eine Norm kann jeder stellen. Es sind aber vor allem Unternehmen, die Normungsverfahren in Gang setzen. Die Aufgabe des DIN ist es dann, Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und von Verbraucherseite zusammenzubringen, die dann die Norm entwickeln.
    "Die Anwendung einer Norm ist grundsätzlich freiwillig."
    Es halten sich trotzdem so viele Hersteller an die Normen, weil sie den Handel erleichtern. Schätzungen zufolge liegt der wirtschaftliche Nutzen in Deutschland bei bis zu 20 Milliarden Euro pro Jahr. Normen verbesserten zum Beispiel die Produktsicherheit und senkten so das Haftungsrisiko, sagt Günther Luxbacher, der die Geschichte des DIN aufgearbeitet hat. Sein Fazit:
    "In allen Produkten, die uns umgeben, stecken ganz viele Normen. Die werden aber gar nicht wahrgenommen. Und das ist das Problem, das das Deutsche Institut für Normung hat. Es produziert unsichtbares Wohlgefallen und muss immer wieder darauf aufmerksam machen, dass da richtig viel Arbeit dahintersteckt, die aber keiner sieht."