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100 Prozent harmonisch

Gesetzlicher Mindestlohn, Mindestrente und Abschaffung von Hartz IV sind die Eckpfeiler des Linken-Wahlprogramms. Dazu noch Millionärssteuer und Vermögensabgabe. Auch wenn viele Delegierte wissen, dass die Ziele utopisch sind, stimmt man sich in Dresden auf einen Oppositionswahlkampf zur Bundestagswahl ein.

Von Melanie Longerich und Christiane Wirtz | 16.06.2013
    Ute Brückner:
    "Auf den Liegestuhl guck ich schon die ganze Zeit. Weil, wir überlegen, ob wir uns so was anschaffen können."

    Ute Brückner muss auf dem Parteitag einkaufen. In der Kongresshalle am Dresdner Elbufer debattieren die Linken seit Stunden über Mindestlohn und Mindestrente, über den Euro und Kriegseinsätze. Ute Brückner macht eine Pause vom Programm und wendet sich im Foyer der Praxis zu. Denn der Wahlkampf steht kurz bevor. Am Stand für Werbeartikel blickt die Fraktionsvorsitzende der Linken im Zwickauer Stadtrat über das Angebot: Wimpel und Handysocken liegen auf dem Tisch, auch rote Baby-Strampler - "Mit Links gemacht" steht darauf. Doch in Zwickau leben vor allem alte Menschen, die wählen gehen. Deshalb hat sich die Berufsschullehrerin für den roten Liegestuhl mit dem Logo der Linken entschieden:

    Ute Brückner:
    ""Können Sie das auch zuschicken?"
    Gert Cramer:
    "Das ist überhaupt kein Problem. Ich würd ihn dann gerne auch vorführen, damit das auch vom Gewicht hinkommt. Ich hab fast 100 Kilo, damit Sie auch sehen, dass der auch hält…."

    Der Mann am Stand, Gert Cramer, hat es sich im Liegestuhl bequem gemacht, ein schwarzes Käppi der Linken auf dem Kopf. Ute Brückner schaut über den Rand ihrer roten Brille zu Cramer, der nicht nur Werbemann, sondern auch Chef der Linken in Berlin-Weißensee ist. Der schaut über den Rand seiner roten Brille zu ihr zurück. Dann könnten sich die Senioren gemütlich hinsetzen, wenn die Zwickauer Linken das Wahlprogramm erklären, sagt er. Ute Brückner überlegt: ob die Senioren aus dem Stuhl überhaupt wieder rauskommen? Ziemlich tief sitzt man da:
    Gert Cramer:
    "Da kann einem auch jemand helfen, dann geht das schon und mit etwas Schwung haben Sie die Chance, aus dem Liegestuhl rauszukommen."
    Ute Brückner:
    "Ja gut, ich sag mal so, wir sind ja nicht alleine und in der Truppe, findest Du schon wieder jemanden, der Dich rauszieht."

    Schwung und eine helfende Hand, die einem auf die Beine hilft - so liest sich auch das Wahlprogramm der Linken. "100 Prozent sozial": Der Slogan prangt in großen weißen Lettern an der roten Wand hinter der Bühne. Die Kongresshalle ist am Samstagmorgen gut gefüllt, die Reihen der rund 550 Delegierten sind dicht geschlossen. Und das, obwohl draußen endlich die Juni-Sonne scheint, das Hochwasser der Elbe zurückgewichen ist und so mancher von einem Liegestuhl am Ufer träumen mag.
    Katja Kipping:
    "Ihr kennt das ja vielleicht. Wenn wir bei so schönem Sonnenschein die Wochenenden in Mehrzweckhallen verbringen. Wenn wir Flugblätter in Briefkästen stopfen, während andere im Freibad liegen. Dann hat sich der ein oder andere bestimmt schon mal gefragt, warum mache ich das? Warum tue ich mir das an?"

    Katja Kipping steht am Rednerpult, sie trägt Jeans, ein blaues Jackett, die Haare rot gefärbt. Die Parteivorsitzende spricht mit fester Stimme, holt ihre Zuhörer dort ab, wo sie gerade sind. Und die Genossen sehnen sich nach Geschlossenheit - ein Jahr nach Göttingen, ein Jahr nach dem "Gewitterparteitag" wie ihn Fraktionschef Gregor Gysi später nennen wird. Jetzt, 100 Tage vor der Bundestagswahl brauchen sie den Mut und die Zuversicht, für die richtige Sache zu kämpfen.

    Katja Kipping:
    "Und liebe Genossinnen und Genossen, ganz genau deswegen, weil es geltende Rechtslage in diesem Lande ist, dass dem jungen Mann die 500 Euro aus der Tasche gezogen werden, die ihm seine Mutter auf dem Girokonto hinterlassen hat. Ja, und weil das nicht die einzige Ungerechtigkeit ist in diesem Land, deswegen machen wir das. Deswegen tun wir es uns an und deswegen braucht es auch die Linke als soziale Alarmanlage in diesem Land."

    Seit einem Jahr steht Katja Kipping gemeinsam mit Bernd Riexinger an der Spitze der Linken. Sie ist 35 Jahre alt, kommt aus Dresden und gilt als Pragmatikerin trotz Vorliebe fürs bedingungslose Grundeinkommen. Er ist 57, stammt aus Stuttgart und ist in den Gewerkschaften sozialisiert. Den beiden ist es gelungen, so wird jedenfalls von allen Seiten beteuert, die Partei zu beruhigen. Und so soll in Dresden über das Programm gesprochen werden, weniger über Personen. Denn Streit kann sich die Linke derzeit nicht leisten, wenige Monate vor der Bundestagswahl liegt sie in den Umfragen zwischen sechs und neun Prozent. Bis zum 22. September brauchen die Genossen daher ihre ganze Kraft:

    Katja Kipping:
    "Damit der Mindestlohn wirklich kommt, damit es wirklich eine sanktionsfreie Mindestsicherung und eine Mindestrente von 1050 Euro gibt, damit die Rente wieder mit 65 beginnen kann, damit Wohnen und Strom bezahlbar bleiben, damit Millionäre und Konzerne couragiert zur Kasse gebeten werden, zum Beispiel für Kitas und Barrierefreiheit, damit Rüstungsexporte und Auslandseinsätze gestoppt werden, für all das und noch viel mehr, braucht es weiterhin eine starke Linke im Bundestag. Also ziehen wir in den Wahlkampf. 100 % sozial! Danke."

    Eine halbe Stunde spricht die junge Parteivorsitzende, unter solidem Applaus verlässt sie lächelnd die Bühne. Über den Kurznachrichtendienst Twitter erscheint kurz darauf die Botschaft: 'Sehr treffende Rede von Katja Kipping. Danke.'

    Gerade mal vier Jahre ist es her, da kamen die Linken im Bundestag noch auf fast zwölf Prozent. Die Wähler gaben ihnen einen Vertrauensvorschuss, doch dieses Vertrauen – so scheint es - haben sie bei vielen enttäuscht.

    "Unser Wahlergebnis haben wir halbiert, in Niedersachsen sind wir rausgeflogen. Das sind die Folgen, wenn man sich mit Leuten einlässt, die schmutzig sind. Und deshalb bin ich dafür, dass das Wahlprogramm deutlicher unsere Sprache spricht. Es ist Klassenkampf. Und dann treten wir an."

    Rückblende: Mitte März diskutiert die Basis bei Regionalkonferenzen das Wahlprogramm. Das Kalkül der Parteispitze: Wer mitreden darf, trägt auch Entscheidungen mit. In Berlin treffen sich die Genossen der Ost-Verbände. Ein Rentner aus Marzahn greift aufgebracht nach dem Saal-Mikro. Es stehe nicht gut um seine Partei. Zumindest nicht im Westen, deshalb müsse auch im Wahlprogramm die Erfahrung aus dem Osten mehr einfließen. Denn da sei die Linke immerhin eine Volkspartei. Im Westen dagegen verlor sie in den vergangenen zwei Jahren in drei Landtagen das Mitspracherecht: in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und auch in Niedersachsen. Damit ist die Partei nur noch in vier Parlamenten Westdeutschlands vertreten: in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg, im Saarland und in Hessen. Eine junge Frau mit Rasta-Locken mahnt, die Linke müsse endlich wieder eine eigene Stimme finden:

    "Wir sollten klaren Oppositionswahlkampf führen. Und wir sollten Schluss machen damit, dass wir uns an SPD und Grüne anbiedern. Und ich bin auch der Meinung, dass es nicht richtig ist, sich alle Türen offen zu halten."

    Hände schnellen in die Höhe. Will die Linke mitregieren – oder in der Opposition bleiben? Eine Frage so alt wie die Linke. Denn die Partei steckt in einem Dilemma: Will sie ihre Positionen durchsetzen, muss sie in die Regierung, wenn auch als kleiner Partner mit kleinem Mitspracherecht. War sie dann in der Regierung, wird sie ihre Wähler enttäuscht haben, weil sie linke Positionen nicht wie versprochen umsetzen konnte. Auch an der Basis wird die ewige Frage kontrovers diskutiert. Einige wollen die rot-rot-grüne Option noch nicht aufgeben, obwohl ihnen SPD und Grüne - zumindest auf Bundesebene – schon jetzt die Tür vor der Nase zugeschlagen haben. Die Parteivorsitzende Katja Kipping versucht, auf der Regionalkonferenz vom Podium aus den Überblick zu bewahren:

    Katja Kipping:
    "Jetzt Du hattest Dich, ne,ne ganz kurz: aber Ralph, leider noch nicht Du, vor Dir sind noch vier andere."

    Ein Genosse aus dem Berliner Norden will raus aus dieser Endlosschleife und rein ins Programm:

    "Wir haben in der Öffentlichkeit kein Profil im Gesundheitsbereich, wir haben kein Profil im Familienbereich, wir haben tolle Forderungen, aber wir sind kein Öffentlichkeitsfaktor und wir haben auch kein öffentliches Profil in der Wohnungsfrage."

    Die Basis darf zwar über Nuancen des Wahlprogramms mitentscheiden. Doch die wichtigsten Eckpunkte hat zuvor die Parteispitze gesetzt. Altbekanntes: ein gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde, die Mindestrente von eintausendfünfzig Euro, die Abschaffung von Hartz IV bei Einführung einer sanktionsfreien Mindestsicherung, dazu die Angleichung der Ostrenten an die im Westen. Außerdem: Millionärssteuer und Vermögensabgabe. Große Zustimmung und Applaus: Die Basis ist zufrieden. Nur ein Student – neu bei der Linken - harkt unsicher nach. Ob das nicht vielleicht utopisch sei, will er wissen:

    "Und ich glaube, dass wir auch ehrlich sein müssen, wenn wir mit den Leuten auf der Straße über unser Wahlprogramm reden, ehrlich sein müssen zu sagen, dass die sozialen Forderungen, die wir in unserem Wahlprogramm haben, das sind Forderungen, die sind so nicht umsetzbar."

    Doch für dieses Problem hat die Linke eine Lösung. Und so wirbt Bernd Riexinger auf dem Parteitag in Dresden für eine Integration der ganz besonderen Art:

    Bernd Riexinger:
    "In Deutschland leben rund 880.000 Millionäre und Tausende von Schulen sind kaputt. Wir wollen die Millionäre nicht länger ausgrenzen. Wir wollen für Integration sorgen, für eine Integration von Menschen mit Millionärshintergrund."

    Der Parteivorsitzende steht am Rednerpult. Grauer Anzug vor roter Wand. Seine DIN-A4-Blätter liegen vor ihm auf dem Pult, immer wieder gleiten seine Augen darauf, während seine Hände Entschlossenheit zeigen wollen. Sie zeigen den Weg nach vorne, ballen sich zu Fäusten. Doch es hilft alles nichts, der Redner wirkt wie ein Vorleser. Über den Kurznachrichtendienst Twitter erscheint die Botschaft: 'Fünf Minuten Riexinger und schon bin ich für das nächste halbe Jahr bedient.'

    180 Milliarden Euro will die Linke mit ihrem Steuerkonzept erwirtschaften, um '100 Prozent sozial' zu sein. Der Kapitalismus sei nicht das Ende der Geschichte, betont der Parteichef und wird nicht müde vom 'kapitalistischen Raubtier' zu sprechen. Über Twitter erscheint die Botschaft: 'Die Phrasen fliegen tief.'

    Bernd Riexinger:
    "Peer Steinbrück, was soll man zu dieser Kampagne sagen? Immer wenn Du denkst, es geht nicht schlimmer, der Peer, der schafft es immer."

    Am Ende der Rede ballt der Schwabe noch einmal die rechte Faust. Die Delegierten stehen auf, applaudieren - schließlich ist Bernd Riexinger ihr Vorsitzender. Oskar Lafontaine sitzt in der ersten Reihe, auch er steht auf, gratuliert. Selbst der ehemalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch lässt seine großen Hände ineinander fallen. Wenn auch ohne rechten Schwung.

    Dietmar Bartsch:
    "Also eine Niederlage war es. Ist doch ganz klar, wenn man nicht über 50 Prozent kriegt, dann hat man die Wahl verloren."

    Gemeint ist die Niederlage vor einem Jahr, die Niederlage von Göttingen. Vor diesem Parteitag lieferte sich die Linke einen dramatischen Machtkampf. Klaus Ernst und Gesine Lötzsch verabschiedeten sich nach einer glücklosen Zeit von der Parteispitze. Dietmar Bartsch bewarb sich schon Monate vorher um die Nachfolge. Doch kurz nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen, die für die Linke mit 2,5 Prozent endete, verkündete Oskar Lafontaine, dass er bereit sei, die Partei noch einmal zu retten. Wenn auch zu seinen Bedingungen.

    Als sich die Partei nicht retten lassen wollte – jedenfalls nicht von ihrem Übervater – schickte dieser den Gewerkschafter Bernd Riexinger in die Wahl. Dietmar Bartsch stammt aus Mecklenburg-Vorpommern, Bernd Riexinger aus Baden-Württemberg. Und so wurde die Kandidatur um den Parteivorsitz zu einem Kampf – manche sagen: zu einem Krieg zwischen Ost und West. Gregor Gysi warnte damals vor einer Spaltung.

    Gregor Gysi:
    "Entweder wir sind in der Lage eine kooperative Führung zu wählen, die die Partei integriert, dann würde ich das begrüßen. Oder wir sind dazu nicht in der Lage. Für den Fall sage ich Euch offen: Dann wäre es sogar besser, sich fair zu trennen, als weiterhin unfair mit Hass und Tricksereien, mit üblem Nachtreten und Denunziation eine in jeder Hinsicht verkorkste Ehe zu führen."

    Ein Jahr später hat Gregor Gysi ein paar Kilo abgenommen. Überhaupt wirkt er in Dresden zufriedener mit sich und seiner Partei.

    Gregor Gysi:
    "Und zwar liegt das daran, dass wir seitdem, wie ich finde, eine gute Entwicklung genommen haben. Unterschiedliche Teile unserer Partei haben endlich begriffen, dass sie aufeinander angewiesen sind."

    Doch mit oberflächlicher Harmonie will sich der Fraktionsvorsitzende nicht zufriedengeben:

    Gregor Gysi:
    "Wir könnten jetzt noch einen Schritt weitergehen. Wenn man innerlich aufhörte darüber nachzudenken, wie man vielleicht doch gewinnt."

    Über Twitter wird die Nachricht verbreitet: 'Gysi ist wieder Weltklasse.'

    Immer wieder muss der Fraktionschef sich auf diesem Parteitag die Gretchenfrage stellen lassen: 'Nun sag, wie hast du’s mit Rot-Grün?' Doch Gysi will sich zu keiner Antwort zwingen lassen – denn bevor er ein politisches Eheversprechen abgibt, hat er selbst einige Fragen an die potenziellen Partner:

    Gregpr Gysi:
    "Ich frage die SPD und Grünen, wann seid ihr in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Gesellschaft endlich bereit, Euch bei der Bevölkerung für die Agenda 2010 zu entschuldigen? Und ich frage die SPD und Grünen, wann hört ihr in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Gesellschaft endlich mit eurer Zustimmung zu den völlig falschen Euro-Rettungsschirmen von Angela Merkel auf? Wann endlich ändern SPD und Grüne hier ihre Haltung."

    Von der Debatte über die Euro-Rettung droht der einzige Streit auf diesem Parteitag. Und wie so oft legte Oskar Lafontaine die Zündschnur. Der Fraktionschef aus dem Saarland reiste als einfacher Delegierter nach Dresden. Auf dem Parteitag hat er nicht viel zu sagen, also sagte er vorher, was er zu sagen hatte. Schon Anfang Mai stellte er den Euro als Gemeinschaftswährung infrage.

    Das Kalkül: Sich selbst wieder ins Gespräch zu bringen und der Alternative für Deutschland das Monopol der Euro-Kritik streitig zu machen. Denn die AfD ist zu einer Alternative für Links-Wähler geworden: Nach einer aktuellen Umfrage haben 35 Prozent der heutigen AfD-Anhänger bei der Bundestagswahl 2009 ihre Stimme noch der Linken gegeben.

    Doch einen Streit in der Euro-Frage will sich die Linke nicht leisten. Nicht um den Preis der Harmonie. Und so wirbt Katja Kipping für den Kompromiss, den der Parteivorstand schon vor Dresden ausgehandelt hat.

    Katja Kipping:
    "Und ich bin froh, dass wir uns auf Folgendes verständigen. Die Linke ist nicht für den Austritt aus dem Euro. Wir wollen nicht zurück zur DM. Wir wollen nicht zurück zum nationalen Tellerrand."

    Am Samstagabend zeigt sich: Der Parteitag war gut vorbereitet, die Delegierten akzeptieren die strittige Passage zum Euro - so wie das ganze Wahlprogramm. Nur fünf Genossen stimmen kurz nach Mitternacht dagegen. Über Twitter erscheint die Botschaft: 'Habemus Programm.'

    Oskar Lafontaine wird am Ende auf der Bühne in Dresden gar nichts gesagt haben. Ein Euro ohne Streit, so scheint es, interessiert ihn nicht.

    Oskar Lafontaine:
    "Ich habe in einem Interview auch ein neues Geldsystem gefordert, das kann man nicht auf einem Parteitag erläutern."

    Die Linke fordert auch ein neues Rentensystem. Und das müssen die Genossen im Straßen-Wahlkampf sehr wohl erklären. Drei Monate vor der Wahl erläutert daher der rentenpolitische Sprecher der Fraktion Matthias Birkwald den Wahlkämpfern vor Ort das System.

    Wahlkampfhilfe:
    Darf ich Eure Privatunterhaltungen bitten etwas zurückzustellen, denn wir wollen jetzt beginnen….

    Rückblick: Dienstagabend, kurz vor dem Parteitag. In Bonn sitzen 15 Genossen im Hinterzimmer einer Kneipe. Man kennt sich. Die meisten sind männlich, Mitte 50, mit kleinem Bauch im Hemd. Dazwischen einige Studenten und Rentner. Matthias Birkwald hat seinen Laptop hochgefahren, nippt noch einmal am Wasserglas:

    "… freuen uns auf Ihren Vortrag, dass sie hier uns schulen … dass wir in der Argumentation sicherer und versierter werden."

    Matthias Birkwald:
    "Da ist die Latte jetzt sehr hoch. Ich sag erst mal schönen Guten Abend meine Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen, vielen Dank für die nette Anmoderation und vor allem für die Einladung."

    Matthias Birkwald ist ein Handlungsreisender der Linken. Der 51-jährige Kölner tourt durch die Republik, um die Genossen in die Renten-Politik einzuweisen. Eines der Themen, mit dem die Linke Wähler der SPD gewinnen will. Gerade erst hat die Deutsche Rentenversicherung Zahlen bekanntgegeben, wonach jede zweite Rente in Deutschland unter 700 Euro liegt. Eine schwere Materie, doch Birkwald macht Mut: Bei ihm gibt es das Renten-Konzept in 40 Minuten. Dann sollen die Bonner fit sein für den Wahlkampf.

    Matthias Birkwald:
    "Für uns ist die Linke Rentenpolitik kurzzufassen – und das kann man dann auch gut am Infostand brauchen – in einem doppelten Dreiklang: Wir brauchen gute Arbeit, gute Löhne, gute Rente. Das ist der Schutz vor Armut und der Schutz vor Altersarmut."

    Die Genossen hören konzentriert zu, während Birkwald das Rentenkonzept mit Kuchendiagrammen erklärt: Das Rentenniveau will die Linke um 10 auf 53 Prozent anheben, die Rente mit 67 wieder abschaffen, die Bezüge Ost-West angleichen. Im Alter soll niemand von weniger als 1050 Euro leben. Aber ist eine solche Mindestrente realistisch? Eine Rentnerin nutzt die Chance:

    "Meinen Sie denn, dass sie das durchkriegen?"

    Matthias Birkwald: "Teile davon"."

    In Dresden jedenfalls verabschieden die Linken ihr Renten-Programm. Jetzt müssen sie nur noch an die Macht, um es auch in Deutschland durchzukriegen. Tollkühn hat Gregor Gysi auf dem Parteitag ein zweistelliges Wahlergebnis propagiert.

    Am Stand für Werbegeschenke haben Gert Cramer und Ute Brückner daran ihre Zweifel.

    Gert Cramer:
    ""Von einem zweistelligen Wert habe ich mich zum gegenwärtigen Zeitpunkt trotz allem Kampf verabschiedet."

    Die beiden Genossen sind zuversichtlich: Im Wahlkampf könne die Linke punkten, schließlich sei sie die Kümmererpartei. Das Hochwasser hat es gerade wieder gezeigt: Die Hilfe vor Ort hat die Linken in den Umfragen von 6 auf 9 Prozent gehoben. Der rote Liegestuhl wird das Übrige erledigen, da ist sich Ute Brückner sicher. Der bequeme Wahlkampfhelfer ist bestellt und wird gleich morgen nach Zwickau geschickt.

    Matthias Brückner:
    "Und ich sage, die Leute können sehr gut unterscheiden, wer nur immer irgendwo redet und wer vor Ort ist und wen man erkennen kann. Und ich denke, das ist wichtig."