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100 Tage Ampel in Rheinland-Pfalz
Noch weit weg vom eigenen Ideal

Am 18. Mai formierte sich die erste Ampel-Koalition in einem deutschen Flächenland. Ein Renommierprojekt sollte es werden, doch schon zu Anfang leistete sich das rot-gelb-grüne Bündnis von Ministerpräsidentin Malu Dreyer einen dicken Patzer. Nun warten weitere Belastungsproben auf die ziemlich besten Ampel-Freunde.

28.08.2016
    Die Spitzen von SPD, FDP und Grünen in Rheinland-Pfalz auf dem Weg zur gemeinsamen Pressekonferenz in Mainz.
    Die Spitzen von SPD, FDP und Grünen in Rheinland-Pfalz auf dem Weg zu einer gemeinsamen Pressekonferenz in Mainz. (dpa / picture alliance / Alexander Heinl)
    Sozialdemokraten, Liberale und Grüne in Rheinland-Pfalz hatten sich viel vorgenommen. Soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft und ökologische Nachhaltigkeit zu versöhnen, nennt Ministerpräsidentin Malu Dreyer als Ziele. "Sozialer Zusammenhalt" soll zudem das Markenzeichen der Regierungschefin sein.
    "In unserem Land sollen alle Menschen gute Chancen haben - egal woher sie kommen, wo sie geboren sind - dafür steht diese Koalition, und genauso gestalten wir unsere Politik", sagte Dreyer. Geplant sind laut Koalitionsvertrag drei Bundesratsinitiativen. Für ein Einwanderungsgesetz und die Wahlberechtigung von EU-Bürgern bei Landtagswahlen. Der dritte Vorstoß zielt darauf, das sogenannte Kooperationsverbot auch im Schulbereich aufzuheben: Zusätzliche Sprachförderkräfte für Flüchtlingskinder könnte der Bund dann zum Beispiel mitfinanzieren.
    Bruchlandung am Hunsrück-Airport
    Doch vor dem bundespolitischen Abheben stand die Bruchlandung am Flughafen Hahn. Weil sie auf chinesische Möchtegern-Inverstoren hereinfiel, machte sich die rot-gelb-grüne Koalition bundesweit zum Gespött. Im Rahmen ihres Misstrauensantrags sagte die CDU-Oppositionschefin über die Ministerpräsidentin von der SPD: "Sie hat die Hauptverantwortung für das Debakel", nicht die Wirtschaftsprüfer der KPMG, betont Julia Klöckner, und nicht der sozialdemokratische Infrastrukturminister Roger Lewentz, der den Patzer auf seine Kappe nahm.
    Doch Klöckners Versuch, insbesondere den Unmut der Liberalen zu schüren und das frisch geschmiedete Bündnis ins Wanken zu bringen, scheiterte. Malu Dreyer brachte ihre knappe Mehrheit hinter sich und überstand das frühe Misstrauensvotum.
    "Den erstklassigen Fehlstart hat sich die SPD eingebrockt"
    Liberale und Bündnisgrüne an der Basis stellen klar: "Dieser erstklassige Fehlstart - damit hat die FDP nix zu tun. Das muss die SPD auslöffeln, die haben es sich auch eingebrockt, ja."
    "Frau Dreyer ist als Führungsfigur dieser Regierung, glaube ich, unangefochten."
    "Wenn ich den Flughafen ausnehme, funktioniert die Regierung recht gut. Sie haben sich zusammengefunden. Alle Koalitionspartner sind professionell genug, um ihre Funktionen gut zu übernehmen. Ich denke, es ist eine gute, arbeitsfähige Basis, um weiterzumachen."
    Wenn man sich das Flughafen-Debakel wegdenke, sei es sogar ein Traumstart, meinte FDP-Landeschef Volker Wissing, auch stellvertretender Ministerpräsident. Als "Cheerleader im Maßanzug" verspottete ihn dafür die oppositionelle AfD. Die Rechtspopulisten hatte vor der Sommerpause ungewohnte Schärfe in rheinland-pfälzische Parlamentsdebatten gebracht.
    Zweite Belastungsprobe fürs rot-gelb-grüne Bündnis folgt
    Fest steht: Auf die neuen, ziemlich besten Freunde der Ampel-Koalition wartet nach der ersten Belastungsprobe möglicherweise bald eine weitere. Der zweite Privatisierungsanlauf am Flughafen Hahn tritt kommende Woche in die heiße Phase. Infrastrukturminister Lewentz gilt als Ressortchef auf Bewährung, der liberale Wirtschaftsminister Wissing will ihm auf die Finger schauen.
    Strahlkraft "über die Landesgrenzen hinaus" - ein hohes Ideal
    Als hohen Anspruch der Koalitionäre hatte Malu Dreyer zum Start der Ampel formuliert. "Wir wollen nicht nur in Rheinland-Pfalz gestalten und strahlen, sondern auch über unsere Landesgrenzen hinaus."
    Ein Projekt mit Strahlkraft, vielleicht auch für die Bundestagswahl 2017? Nach den ersten hundert Tagen wirkt das Ampelbündnis noch recht weit entfernt vom eigenen Ideal.