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100 Tage Trump
"Er hat kein einziges Gesetzesvorhaben erfolgreich auf den Weg gebracht"

Die Präsidentschaft von Donald Trump habe "sehr schwierig und sehr holprig begonnen", betonte der Vorsitzende der Atlantik-Brücke, Friedrich Merz, im DLF. Bis jetzt habe Trump noch nichts durch den Kongress gebracht. Trotzdem schätzt Merz den US-Präsidenten als "lernfähig" ein. Das sehe man nicht nur an Korrekturen in der Außenpolitik.

Friedrich Merz im Gespräch mit Christoph Heinemann | 28.04.2017
    Friedrich Merz (CDU), Vorsitzender der Atlantikbrücke
    Friedrich Merz, Vorsitzende des Netzwerks Atlantik-Brücke, bescheinigt Donald Trump eine Lernkurve seit Beginn seiner Präsidentschaft: "Er scheint doch zu verstehen, dass Amerika nicht allein auf dieser Welt ist." (dpa / picture-alliance / Revierfoto)
    Trump habe zudem verstanden, dass beispielsweise Handelsbeziehungen zu anderen Ländern und verlässlichen Partnern notwendig seien. Ihn beruhige, dass in Amerika das System von "Checks and Balances" funktioniere, also die gegenseitige Kontrolle der Institutionen.
    Merz ergänzte, als Montesquieu im 18. Jahrhundert die Gewaltenteilung erfand, habe er nicht an Personen gedacht, die sich wie Obama an die Regeln hielten, sondern an solche wie Trump, die sich über die Regeln hinwegsetzten. In solchen Fällen müssen laut Merz Regierungen und Gerichte funktionieren. Das sei in Amerika der Fall - und vor dem Hintergrund dieser Präsidentschaft beruhigend.
    Trumps Steuerreform: "Herausforderung auch für europäische Unternehmen"
    Zu Trumps geplanter Steuerreform sagte Merz, dass dieses Vorhaben von einem konkreten Gesetz weit entfernt sei. Der Präsident werde Vorschläge machen müssen, wie er eine solch radikale Steuerreform finanziere - das würden die Republikaner von ihm erwarten.
    Trump will die Unternehmenssteuer auf 15 Prozent senken. Bisher müssen kleine Firmen fast 40 Prozent zahlen und größere 35. Für Privatpersonen soll es künftig statt sieben nur noch drei Steuergruppen geben - mit Sätzen von 10, 25 und 35 Prozent. Kritiker mahnen, dass die Reform angesichts der angespannten Haushaltslage in den USA nicht finanzierbar sei.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Vor 99 Tagen sprach ein Bauunternehmer mit unverwechselbarer Frisur vor dem Kapitol in Washington die folgende Eidesformel:
    O-Ton Donald Trump: I, Donald John Trump, do solemnly swear, that I will faithfully execute the office of president of the United Staates.
    Heinemann: Seither ist Donald Trump der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Immerhin ist seine Regierung inzwischen vollständig. Der Senat hat Alexander Acosta als Arbeitsminister im Kabinett bestätigt. Der ursprüngliche Kandidat hatte eine Haushaltshilfe ohne Arbeitserlaubnis beschäftigt; damit war er raus.
    Dazu jetzt Fragen an Friedrich Merz. Er ist ehemaliger CDU-Politiker, Rechtsanwalt, arbeitet für ein Vermögensverwaltungsunternehmen, und er ist der Vorsitzende des Netzwerks Atlantik-Brücke. Angetreten ist Donald Trump, um Amerika wieder groß zu machen. Ich habe Friedrich Merz vor einer Stunde gefragt, ob Amerika schon etwas größer geworden ist.
    Friedrich Merz: Nun, das kann man wohl allen Ernstes nicht behaupten, und ich vermute, bis auf seinen Pressesprecher wird das auch in Amerika sonst niemand behaupten. Diese Präsidentschaft, die ersten 100 Tage sind eine, wie soll ich sagen, ziemlich holprige Präsidentschaft gewesen. Nun muss man sehen: Auch andere Präsidenten haben Schwierigkeiten gehabt, in dieses Amt zu finden. Aber bei Donald Trump ist es schon eine Besonderheit.
    "Es ist viel zu früh, diese Präsidentschaft zu beurteilen"
    Heinemann: Es gibt kaum jemanden, der alles falsch macht. Was hat Donald Trump denn bisher richtig gemacht?
    Merz: Nun, zunächst einmal ist er gewählt worden als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Dass ihm das gelungen ist, hätten wir beide ja vor einem Jahr um diese Zeit nicht vermutet. Und er hat eine ganze Reihe von Initiativen auf den Weg gebracht, die auch in seiner eigenen Partei, wenn man bei den Republikanern davon sprechen kann, dass es seine eigene Partei ist, ja durchaus auf Zustimmung stoßen.
    Aber er hat bis jetzt nichts durch den Kongress gebracht. Er hat kein einziges Gesetzesvorhaben erfolgreich auf den Weg gebracht. Insofern ist es auch viel zu früh, diese Präsidentschaft zu beurteilen. Aber sie hat sehr schwierig, sehr holprig begonnen.
    Trumps Steuerreform: "Von einem konkreten Gesetz weit entfernt"
    Heinemann: Aber er hat jetzt umfangreiche Pläne vorgelegt. Trump möchte die Unternehmenssteuerlast von 35 auf 15 Prozent senken. Auch die Einkommenssteuer soll reduziert und Freibeträge erhöht werden. Sind das richtige Signale?
    Merz: Das ist ein Zwei-Seiten-Papier, auf dem er mehr in einer Skizze als in einem konkreten Plan aufgeschrieben hat, wie er sich die zukünftige Unternehmensbesteuerung in den USA vorstellt. Damit stößt er bei einem größeren Teil seiner Senatoren auf Zustimmung, aber das ist noch kein Gesetz.
    Und er hat vor allen Dingen die Frage nicht beantwortet, wie das denn von den Steuerausfällen her, die es zumindest am Anfang ja in jedem Falle geben wird, finanziert werden soll, und das angesichts einer Haushaltslage in den USA, die ohnehin schon sehr prekär ist. Von einem konkreten Gesetz ist dieses Vorhaben weit entfernt.
    "Trump wird Vorschläge zur Finanzierung machen müssen"
    Heinemann: Sie haben ja durchaus Herrschaftswissen, was Steuerreformen anbetrifft. Wie sehen Sie das? Kann man das seriös gegenfinanzieren, ohne dass jetzt Infrastruktur, Bildung oder die notwendigen sozialen Aufwendungen trockengelegt werden?
    Merz: Wir haben – und da haben Sie recht mit Ihrer Bemerkung – in Deutschland diese Debatte ja auch immer gehabt, finanziert sich eine Steuersenkung bei den Unternehmen und in den privaten Haushalten durch zusätzliche Investitionen und zusätzliche Konsumausgaben im Laufe der Zeit selbst. Dahinter muss man ein großes Fragezeichen machen.
    Es gab einen amerikanischen Wissenschaftler Laffer, der diese sogenannte Laffer-Kurve einmal entwickelt hat und behauptet hat, das sei so. Bewiesen worden ist das in der Praxis noch an keiner Stelle. Sicher wird es so sein, dass niedrige Unternehmenssteuern und auch niedrige Steuern für private Haushalte Investitionen und Konsum befördern. Aber das wird am Ende in der Regel nicht ausreichen, um die Deckungslücken in den Haushalten zu schließen.
    Insofern wird auch Trump Vorschläge machen müssen, wie er denn eine solche radikale Steuerreform in den USA – und es ist dann eine radikale Steuerreform – am Ende wirklich finanzieren will, und die Republikaner im Kongress haben das ja auch schon sehr klar und deutlich gesagt, dass sie Vorschläge erwarten, wie diese Lücken geschlossen werden sollen.
    "Steuersenkungen sind im Außenhandel ein legitimes Mittel"
    Heinemann: Sollte es dazu kommen, rechnen Sie damit, dass sich dann ein Steuerwettlauf in Gang setzt?
    Merz: Wenn es tatsächlich so weit kommt, dass die Unternehmenssteuern in den USA so deutlich und drastisch gesenkt werden, dann wird das sicherlich eine Herausforderung für den globalen Wettbewerb werden. Ich halte das im Übrigen für legitim, so vorzugehen. Die Staaten auf dieser Welt müssen frei sein, ihre Steuerpolitik selbstständig zu machen. Sie haben ein innenpolitisches Thema, das ist die Finanzierung von diesen Steuerreformen.
    Aber im Außenhandel ist das ein legitimes Mittel, den eigenen Unternehmen einen Vorteil zu verschaffen im internationalen Wettbewerb. Und wenn es denn dazu käme – und wir müssen das hier wirklich im Konjunktiv so sagen -, wenn es denn dazu käme, dass die amerikanischen Unternehmen steuerlich so entlastet werden, dann ist das eine Herausforderung auch für die europäischen Unternehmen – keine Frage.
    "Dieser Präsident scheint lernfähig zu sein"
    Heinemann: Herr Merz, Donald Trump möchte das nordamerikanische Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko nun doch nicht aufkündigen, sondern neu verhandeln. Lesen Sie das als leise Abkehr von dem bisherigen, gegen Freihandelsvereinbarungen gerichteten Kurs von Trump?
    Merz: Ich lese diese Äußerung und auch einige andere, etwa diejenigen, die er gemacht hat, als die Bundeskanzlerin ihn vor einigen Wochen besucht hat, durchaus als Einsicht in die Notwendigkeit, internationale Handelsbeziehungen aufrecht zu erhalten. Dieser Präsident scheint lernfähig zu sein. Auch hier Konjunktiv, aber er scheint doch zu verstehen, dass Amerika nicht allein auf dieser Welt ist und darauf angewiesen ist, stabile, verlässliche, vertraglich begründete Handelsbeziehungen zu Nachbarn und anderen Ländern auf der Welt zu haben. Ja, das ist eine Lernkurve.
    "Korrekturen in der Außenpolitik"
    Heinemann: Gilt das auch für die Außenpolitik? Donald Trump hat jetzt gerade noch mal gesagt, er schließe einen großen Konflikt mit Nordkorea nicht aus.
    Merz: Das ist schwer zu sagen. Es gibt auch in der Außenpolitik sicherlich Korrekturen, möglicherweise sogar eine regelrechte Kehrtwende gegenüber dem, was er im Wahlkampf gesagt hat. Er hat ja im Wahlkampf erklärt, dass Amerika die Rolle als Weltpolizist nicht mehr spielen will. Jetzt hören wir das glatte Gegenteil davon.
    Und in der Tat: Der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel, der Konflikt mit Nordkorea, auch mit China wächst sich zu einer ernsthaften Bedrohung für den Frieden in dieser Region aus. Aber auch hier muss man Ursache und Wirkung klar auseinanderhalten.
    Die Ursache liegt in der massiven atomaren Aufrüstung der nordkoreanischen Regierung und darauf reagieren die Vereinigten Staaten von Amerika, und es wäre gut, wenn sie das im Kontext auch der internationalen Staatengemeinschaft, auch zusammen mit den Europäern tun würden.
    "Katastrophaler Umgang mit den Medien"
    Heinemann: Herr Merz, wie bewerten Sie Donald Trumps Umgang mit Journalistinnen und Journalisten und mit den Medien insgesamt?
    Merz: Das ist ein katastrophaler Umgang. Die Art und Weise, wie er mit den Medien umgeht, praktisch nur über Twitter und ansonsten seinen Pressesprecher auftreten lässt mit zum Teil bizarren Äußerungen, ist etwas völlig Neues im Umgang eines führenden Staats- und Regierungschefs dieser Welt mit den Medien.
    Heinemann: Sie sprachen eben von einer Lernkurve. Stellen Sie fest oder können Sie feststellen, dass Trump inzwischen von Wahlkampf auf Präsidentschaft umgeschaltet hat?
    Merz: Ja. Ich stelle aber noch etwas weiteres fest, und das ist für mich gewissermaßen eine Art Beruhigung, auch wenn dieser Präsident natürlich jeden Tag für neue Irritationen sorgt. Aber man muss doch eines sagen: In Amerika funktioniert das System von Checks and Balances.
    Lassen Sie mich das einmal so sagen: Als Montesquieu im 18. Jahrhundert dieses System (wir nennen es in Europa Gewaltenteilung) erfunden hat, hat er ja nicht an Personen gedacht, die sich an die Regeln halten, nehmen wir Obama, sondern er hat vor seinem geistigen Auge Personen gehabt wie jetzt Donald Trump, die sich über die Regeln hinwegsetzen.
    "In Amerika funktioniert die Gewaltenteilung"
    Und dann hat er gesagt, dann müssen Parlamente, dann müssen die Regierungen und dann müssen die Gerichte funktionieren. Und das funktioniert in Amerika. Das finde ich vor dem Hintergrund dieser Präsidentschaft doch einigermaßen beruhigend. Das kann man zu Russland nicht sagen, das kann man zur Türkei nicht mehr sagen, das kann man zu China nicht sagen, aber man kann es zu Amerika sagen.
    In Amerika funktioniert die Gewaltenteilung. In Amerika funktionieren die Gerichte, das hat er schon etwas schmerzhaft erfahren müssen. In Amerika funktioniert das Parlament, das erfährt er jeden Tag. Und in Amerika funktionieren auch die Medien. Insofern ist diese Präsidentschaft eingehegt, sie ist umgeben von Institutionen, die seine Machtausübung begrenzen, und wie diese Entwicklung sich in den nächsten Wochen und Monaten weiter zeigen wird, wird eine sehr interessante und spannende Angelegenheit werden.
    Aber ich bin weit davon entfernt, so beunruhigt und so irritiert zu sein, wie das zum Teil auch in europäischen Medien zum Ausdruck kommt. Noch einmal: In Amerika funktioniert die Gewaltenteilung, und das beruhigt.
    "Trump muss auch mit der europäischen Presse leben"
    Heinemann: Kommt Trump in den Medien hierzulande zu schlecht weg?
    Merz: Nein. Ich glaube, die Medien berichten schon, bemühen sich ja zum Teil auch sehr darum, objektiv zu berichten, was hat er nun eigentlich vor und wie entwickelt sich diese Präsidentschaft, wie entwickelt sich das Verhältnis zwischen Präsident und Parlament. Ich glaube, er muss auch mit der europäischen Presse leben. Er muss es akzeptieren, dass er dort kritisch begleitet wird.
    Heinemann: Friedrich Merz, der Vorsitzende des transatlantischen Netzwerkes Atlantik-Brücke. Das Gespräch haben wir heute früh aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.