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"11.000 Leiharbeitnehmer sind eindeutig zu viel"

Horst Lischka sagt, dass er von BMW nach den guten Quartalszahlen soziale Verantwortung erwarte. Der Automobilhersteller müsse mehrere Tausend Beschäftigte einstellen. Leiharbeiter sind aus Sicht des IG-Metall-Bevollmächtigten nur ein Mittel, um Spitzen abzufedern.

Horst Lischka im Gespräch mit Birgid Becker | 03.05.2012
    Birgid Becker: Mit einer wahren Sturzflut an Quartalsberichten wurde heute der Aktienmarkt überschwemmt. BMW etwa gab den besten Jahresauftakt der Firmengeschichte bekannt und ließ die Konkurrenten Audi und Mercedes ziemlich weit hinter sich.

    Die Rekordzahlen präsentierte BMW mitten hinein in die laufenden Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie und in denen kommt es nun den zweiten Tag in Folge zu Warnstreiks. Ziel der Tarifverhandlungen ist es ja, auch die Situation der Leiharbeiter besserzustellen. Horst Lischka, den zuständigen IG-Metall-Bevollmächtigten für BMW, habe ich gefragt, wie das aussieht bei BMW.

    Horst Lischka: Nach Zahlen der IG Metall beschäftigt BMW 11.000 Leiharbeitnehmer, das sind eindeutig zu viel. Die Anzahl der Leiharbeiter muss deutlich zurückgehen. Das heißt, es müssen Menschen fest eingestellt werden. Ich erwarte schlicht und ergreifend von BMW soziale Verantwortung, aufgrund der tollen wirtschaftlichen Ergebnisse muss BMW mehrere Tausend Beschäftigte fest einstellen.

    Becker: Gut 70.000 Beschäftigte hat BMW in Deutschland. sie sagen, 11.000 Leiharbeiter. Ist das denn ein Verhältnis, das schon nicht stimmt, 70.000 zu 11.000?

    Lischka: Das Verhältnis ist absolut falsch. Wir sehen Leiharbeit als die Möglichkeit, unternehmerische Spitzen abzufedern, aber nicht, eine dauerhafte Beschäftigung zu verdrängen. Dort hat BMW eindeutig überzogen.

    Becker: Herr Lischka, Sie sitzen nun für die IG Metall im BMW-Aufsichtsrat. Ist dort das Thema Leiharbeit auf der Tagesordnung gestanden?

    Lischka: Dort wurde das Thema Leiharbeit mehrfach kritisch von den Arbeitnehmervertretern angesprochen und ich bin mir sicher, dass auch der Aufsichtsratsvorsitzende, Herr Professor Milberg, uns unterstützen wird bei der Forderung, die Leiharbeit zu begrenzen.

    Becker: Wie könnte so eine Begrenzung denn nun aussehen? Bei BMW wollen Sie das Thema Leiharbeit ja am liebsten über einen Haustarifvertrag regeln. Welche Instrumente zur Begrenzung könnte man da finden?

    Lischka: Einen Haustarifvertrag gibt es bei BMW nicht, BMW ist im Arbeitgeberverband, aber man kann über eine dreiseitige Vereinbarung, Betriebsrat, IG Metall und Unternehmen, die Anzahl der Leiharbeiter begrenzen.

    Becker: Die IG-Metall-Zentrale will ja das Thema Leiharbeit auf zwei Ebenen angehen: zum einen, indem die Zahl der Leiharbeiter begrenzt werden soll, zum anderen aber auch die Dauer, für die Leiharbeiter in Unternehmen eingesetzt werden. Sieht das bei Ihnen auch so aus, dass Sie diese Zwei-Instrumenten-Ebene wählen wollen?

    Lischka: Wir wollen drei Ebenen regeln: die Anzahl der Leiharbeitnehmer, die Dauer des Einsatzes und die Bezahlung für die Leiharbeitnehmer.

    Becker: Sie wollen Equal Pay, gleiche Bezahlung zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitern?

    Lischka: Wir streben an, dass derjenige, der den rechten Kotflügel anschraubt, das gleiche Geld verdient wie der Kollege, der den linken Kotflügel anschraubt.

    Becker: Wo sehen Sie die Widerstände? Sie sagten ja eben, Sie könnten sich positive Signale von der Spitze des Unternehmens durchaus vorstellen. Also wo sind die Widerstände?

    Lischka: Die Widerstände sind auch im Unternehmen selbst, aber ich glaube, dass durch die Warnstreiks in der Tarifrunde die Widerstände bei BMW gebrochen werden können.

    Becker: Wie sehr kann es gelingen, die Stammbelegschaft für die Interessen der Leiharbeiter zu mobilisieren? Sehr häufig wird das eine ja in Konkurrenz zum anderen gesetzt.

    Lischka: Unsere Stammbeschäftigten sind solidarisch mit den Leiharbeitnehmern. Viele Stammbeschäftigte haben Kinder in der Berufsausbildung bei BMW und sie wollen, dass die Auszubildenden anschließend nicht als Leiharbeitnehmer am Band landen.

    Becker: Horst Lischka war das, IG-Metall-Bevollmächtigter in München.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.