Donnerstag, 28. März 2024

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Weihnachten
Keine Geschenke, kein Stress?

Überfüllte Innenstädte, gestresste Kunden, klingende Kassen: Der Dezember ist der umsatzstärkste Monat für den Einzelhandel. Die Besinnlichkeit bleibt dabei jedoch auf der Strecke. Wer sich Geld und Stress sparen möchte, für den haben Experten einen Tipp: einfach mal gar nichts schenken.

Von Michael Watzke | 29.11.2018
    Einkaufszentrum in Innsbruck in der Vorweihnachtszeit
    In der Vorweihnachtszeit stürmen die Menschen die Einkaufszentren, um Geschenke zu kaufen. (imago/Eibner Europa)
    Vor einem Jahr, am Heiligen Abend 2017, flogen bei Familie Sebald die Fetzen – aus Geschenkpapier.
    "Ja, wir hatten schon ein Weihnachten, da war’s wirklich die Schlacht unterm Tannenbaum! Die Kinder waren völlig überfordert und haben gar nicht richtig mit den Dingen gespielt, weil sie immer schon das nächste ausgepackt haben!"
    Sowas kann Petra Umlauf nicht passieren - die Bloggerin aus München wird dieses Weihnachten:
    "Gar nichts schenken!"
    Keine Geschenke – und Spaß dabei, sagt die kinderlose 42-Jährige. Auf ihrer Internetseite preist Petra Umlauf den Lebensstil des Minimalismus.
    "Also es gibt Leute, die kommen sehr stark aus der Nachhaltigkeits-Ecke. Es gibt Minimalisten wie mich, die einfach angefangen haben, ihren Besitz zu reduzieren. Und dann kommt die Nachhaltigkeit einfach dazu. Das heißt, ich gehe nicht ständig shoppen und kauf‘ mir neue Kleidung oder andere Dinge. Sondern der Großteil meines Geldes wird tatsächlich gespart."
    Postmaterialistische Entschleunigung
    Als Sparfuchs oder gar Geizhals sieht sich Petra Umlauf deshalb aber nicht. Eher als Expertin für postmaterialistische Entschleunigung.
    "Ich empfinde es tatsächlich so, dass die meisten Menschen sehr erleichtert sind, dass sie diesen Stress nicht mehr haben. Vor allem in der Weihnachtszeit. Früher war’s oft so: Ich schenk’ dir für zehn Euro ein Taschenbuch, du schenkst mir für zehn Euro eine DVD – so richtig happy ist niemand. Im Grunde hat man nur den gleichen Geldwert hin- und hergeschoben."
    Petra Umlauf will ihren minimalistischen Lebensstil niemandem aufdrängen, sagt sie. Aber sie glaubt, dass der Geschenke-Kaufrausch zu Weihnachten eine Art Suchtkrankheit ist.
    "Ein bisschen so, wie wenn Sie anfangen, Alkohol zu trinken oder Drogen zu nehmen: Sie brauchen immer mehr von diesem Stoff, damit der Rausch der gleiche ist. Es gibt interessante Studien, die zeigen, dass die Botenstoffe, die ja de facto während eines Kaufprozesses ausgeschüttet werden, sich immer schneller verflüchtigen. Heißt im Umkehrschluss: Wir brauchen immer mehr von dem Krempel in immer kürzerer Zeit, um überhaupt auf unseren Endorphin-Schub zu kommen."
    Glückshormone schüttet Petra Umlauf eher bei Geschenken aus, die nicht lange rumstehen.
    "Ich hab‘ letztens von einer Freundin eine Kiste mit Obst bekommen. Das fand‘ ich ganz großartig. Sachen, die man verbraucht und die dann wieder weg sind. Darüber habe ich mich sehr gefreut."
    Tipps für Geringkonsumierer
    Unter www.minimalismus21.de gibt Petra Umlauf Tipps für Geringkonsumierer. Manche dieser Ratschläge muss man sich allerdings leisten können. Cornelia Sebald, die Familienmutter aus München, möchte auf Weihnachtsgeschenke dieses Jahr nicht ganz verzichten. Leuchtende Kinderaugen seien einfach zu schön. Aber mit ihren Eltern hat Sebald dieses Weihnachten einen Nicht-Geschenkepakt geschlossen.
    "Um Enttäuschungen zu vermeiden, war es schon sinnvoll das vorher so ein bisschen zu vereinbaren. Natürlich will man dem anderen auch nicht vermieten etwas zu schenken. Um Gottes Willen, wenn es denen eine Herzensangelegenheit ist, dann freut man sich auch über eine Kleinigkeit. Aber mit den Kindern bleiben ja genug, für die man sich Geschenke überlegen muss und für die man loslaufen muss.
    Da ist es dann schon angenehm, wenn man unter den Erwachsenen nichts schenken muss. Und dann auch keine Enttäuschung erlebt: Für uns ist ganz wichtig, dass kein Stress aufkommt, dass gerade meine Eltern, die schon älter sind, keinen Druck empfinden, diesen Wahnsinn in der Innenstadt mitmachen zu machen. So ist es für alle am entspanntesten."
    Minimalismus ist im Advent nicht ungefährlich
    Aber Achtung! Shopping-erprobte Weihnachtsgeschenk-Experten wissen: überall lauern Fettnäpfchen. Minimalismus ist im Advent nicht ungefährlich. In München wirbt der Fanshop des Fußballclubs FC Bayern gerade mit dem Slogan: "Die Wahrheit ist unterm Baum!" Dreist, materialistisch – aber leider nicht ganz von der Hand zu weisen.