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125. Geburtstag von Bessie Coleman
Eine Flugpionierin besonderer Art

Als erste Afroamerikanerin verwirklichte Bessie Coleman in einer Zeit brutaler Rassendiskriminierung ihren Traum vom Fliegen und wurde damit zum Vorbild für zahllose schwarze Frauen und Männer.

Von Ulrike Rückert | 26.01.2017
    Bildnummer: 54309055 Datum: 16.06.2009 Copyright: imago/United Archives Nieuport Goshawk G-EASK Martlesham Heath 1920 (c) The Flight Collection Not to be reproduced without permission Flugzeug Luftfahrt Wirtschaft Verkehr kbdig 2009 quer Bildnummer 54309055 Date 16 06 2009 Copyright Imago United Archives Goshawk G Easker Martlesham Heath 1920 C The Flight Collection Not to Be without Permission Aircraft Aviation Economy Traffic Kbdig 2009 horizontal
    Bessie Coleman war eine leidenschaftliche Pilotin: "Wissen Sie, dass Sie gar nicht gelebt haben, wenn Sie noch nie geflogen sind?" (imago stock&people)
    Rund eintausendfünfhundert Passagiere gingen im September 1921 in New York von Bord des Ozeandampfers Manchuria, doch die Reporter am Kai interessierten sich nur für eine:
    "Sie ist die erste farbige Fliegerin. Vor zehn Monaten verließ Bessie Coleman, eine vierundzwanzig Jahre alte, farbige Frau, ihr Heim in Chicago, wo sie als Maniküre beschäftigt war, um nach Europa zu reisen. Heute kehrte sie als versierte Fliegerin zurück. Die junge Frau, die eine Flugschule in Frankreich besucht hat, will hierzulande als Schaufliegerin tätig sein."
    Die Luftfahrt befand sich noch in ihrem heroischen Zeitalter, als Flugzeuge fragile, offene Kisten und Piloten kühne Helden waren. Frauen traute man das Fliegen nicht zu. Die wenigen, die es dennoch wagten, wurden als Amazonen der Lüfte gefeiert, und Bessie Colemans Herkunft machte sie erst recht zu einer Sensation. Nur ein einziger afroamerikanischer Pilot aus dieser Zeit ist heute bekannt, und die damalige Öffentlichkeit wusste nichts von ihm. Bessie Coleman hatte deshalb nicht nur Karrierepläne, sondern auch eine Mission:
    "Ich will den Neger für das Fliegen interessieren und so auf die Weise, für die ich am besten gerüstet bin, zum Aufstieg der farbigen Rasse beitragen."
    Bessie Coleman wurde am 26. Januar 1892 in eine feindselige Welt geboren. Neun Zehntel aller Afroamerikaner lebten noch in den Südstaaten, wo eine strikte Rassentrennung gesetzlich zementiert war. Sie wuchs in einer Kleinstadt in Texas auf, besuchte eine der armseligen Schulen für schwarze Kinder und verdiente dann als Waschfrau ihren Unterhalt. 1915 zog sie nach Chicago, wie tausende anderer Afroamerikaner. Es war der Beginn der "großen Wanderung" in die Städte des Nordens. Dort fanden sie besser bezahlte Arbeit und mehr Freiheit, aber willkommen waren sie nicht.
    "Achtundzwanzig Tote, fünfhundert Verletzte bei drei Tage langen Rassenunruhen in Chicago."
    … meldete die Presse im August 1919, im "blutigen Sommer" mit Pogromen in vielen Städten. Bessie Coleman wollte etwas aus sich machen, und sie wollte etwas bewirken. Sie entdeckte die Fliegerei.
    Keine Flugschule wollte Coleman aufnehmen
    "Wissen Sie, dass Sie gar nicht gelebt haben, wenn Sie noch nie geflogen sind?"
    Doch keine Flugschule wollte Coleman aufnehmen. Sie konnte ihren Traum nur verwirklichen, weil ihr der Herausgeber einer afroamerikanischen Zeitung half, eine Pilotenausbildung in Frankreich zu machen. Auch er sah das Potential der Fliegerei. Sie war der Inbegriff von Moderne, Technik, Zukunft.
    Die Luftfahrt bietet bessere Jobs und eine bessere Zukunft für Neger als irgendeine andere Industrie, und der Grund ist dieser: die Luftfahrt beginnt gerade erst, sich zu entwickeln, und wenn wir sie uns nun erschließen, solange sie noch nicht überfüllt ist, können wir uns mit ihr entwickeln."
    Schrieb der Geschäftsmann und Pilot William J. Powell, einer von vielen afroamerikanischen Männern und Frauen, die Bessie Colemans Vorbild zum Fliegen ermutigte. Sie brach keine Rekorde und unternahm auch keine spektakulären Langstreckenflüge. Auf Jahrmärkten und Flugschauen beeindruckte sie die Zuschauer mit tollkühnen Kunststücken - wie viele andere Piloten auch. Aber sie zeigte einer von Vorurteilen beherrschten Welt, dass Fähigkeiten, auch in der Luft, nicht von der Hautfarbe abhängen. Und das Publikum bejubelte sie.
    Früher Tod mit 34 Jahren
    "Ich bin die bekannteste lebende farbige Frau, abgesehen von den Jazzsängerinnen."
    … sagte sie stolz. Im April 1926 flog sie zur Vorbereitung einer Schau über das Gelände, am Steuer saß ein Mechaniker. Die Maschine blockierte, trudelte und stürzte ab. Bessie Coleman wurde herausgeschleudert und war sofort tot, als sie auf den Boden prallte. Sie wurde nur vierunddreißig Jahre alt.
    Ihren großen Traum von einer Flugschule für Afroamerikaner erfüllten andere. William J. Powell gründete in Los Angeles eine Schule, einen Fliegerclub und eine Flugzeugfabrik, die er alle nach Bessie Coleman benannte. In Chicago baute Willa Brown mit ihrem Mann Cornelius Coffey eine Schule auf. Die beiden gehörten zu einem Pilotenclub, der in jedem Jahr einmal über Bessie Colemans Grab in Chicago flog und Blumen vom Himmel regnen ließ. Denn, so drückte es William J. Powell aus:
    "Durch Bessie Coleman haben wir etwas überwunden, das noch schlimmer war als die Rassenbarriere. Wir haben die Barriere in uns selbst überwunden und zu träumen gewagt."