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125. Geburtstag von Marcel Pagnol
Berühmt durch seine Geschichten über den Alltag

Er schrieb Geschichten über Fischweiber, Wirte und Kellner und wurde damit reich. In den 1930er-Jahren stieg Marcel Pagnol zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller und Regisseure Frankreichs auf. Seine Geschichten über seine idyllisch-ländliche Kindheit gingen um die Welt.

Von Maike Albath | 28.02.2020
    Der Schriftsteller Marcel Pagnol trägt ein gemustertes Hemd und hält eine Zigarette in der Hand. Das Foto wurde 1955 in Cannes aufgenommen.
    Der Schriftsteller Marcel Pagnol im Jahr 1955 in Cannes. (imago / Zuma Press)
    Paris, im Januar 1958. Ein kräftiger Herr mit markanten Gesichtszügen um die 60 betritt die Studios des französischen Fernsehens: Marcel Pagnol, einer der berühmtesten und erfolgreichsten Dramatiker, Regisseure und Schriftsteller des Landes. Eine tadellose Erscheinung im schwarzen Anzug, ein Ausbund an Charme – drei Mal verheiratet, Vater von fünf Kindern fünf verschiedener Frauen.
    Wie er denn zu seiner Berufung gefunden habe, fragt ihn der Moderator, denn nach seinem Studium hatte Pagnol in den 1920er-Jahren Englisch an einem Gymnasium unterrichtet. Marcel Pagnol antwortete:
    "Bei einem Verlag übergab ich einem Angestellten einen kleinen Roman von 80 Seiten. Sowohl seinen Namen als auch den des Verlages habe ich vergessen. ‚Monsieur, das ist ein Theaterstück‘, sagte er mir. ‚Warum?‘, fragte ich. ‚Sie haben keine Prosa, sondern nur Dialoge in Ihrem Ding. Sie müssen Theaterstücke schreiben!‘ Diesem Mann verdanke ich alles. Aber ich weiß nicht, wer es war."
    Frankreich war hingerissen von Fischweibern und verträumten Kellnern
    Seinen ersten großen Erfolg feierte Pagnol 1928 mit der Komödie "Topaze", die allein in Paris 800 Mal aufgeführt wurde. Der endgültige Durchbruch gelang ihm ein Jahr später mit "Marius", dem ersten Teil seiner Marseiller Trilogie. In der Kneipe "Zum goldenen Anker" nimmt die Geschichte einer verhinderten Liebe ihren Lauf – derbe Fischweiber kommen ebenso zum Zuge wie der streitbare Wirt, sein verträumter Kellner und die betörende Muschelverkäuferin. Frankreich war hingerissen. Endlich verstand man, was es mit den temperamentvollen Provenzalen auf sich hatte.
    Pagnol bediente sich aus den Erfahrungen seiner Jugend in Marseille. Er wurde am 28. Februar 1895 in Aubagne als Sohn eines Grundschullehrers und einer Schneiderin geboren. Zuhause galten die Werte der laizistischen Republik. Noch vor seinem 15. Geburtstag starb seine Mutter. Umso größere Bedeutung gewann das Paradies seiner Sommerferien: das Landhaus Bastide Neuve bei La Treille.
    Auf die Frage, was ihn an seiner Kindheit denn so anziehe, sagte Pagnol: "Meine Kindheit zieht mich an, weil es meine Kindheit war! Wissen Sie, ich glaube, es war vor allem eine beständige Welt. Man war sich des nächsten Tages sicher. Alles dauerte an, die Lage war stabil, die Verhältnisse blieben so, wie sie waren."
    Als erster Cineast Mitglied der Académie française
    Für eine geringe Beteiligung überließ Pagnol 1931 der amerikanischen Produktionsfirma Paramount die Rechte an "Marius", stellte aber die Bedingung, den Film mit seinen Theaterschauspielern zu besetzen. Der Erfolg war bahnbrechend, und zwei Jahre später gründete Marcel Pagnol, längst ein reicher Mann, eigene Studios. Während der deutschen Besatzung ab 1940 konnte er durch den Verkauf seiner Studios dem Zwang zur Nazi-Propaganda entkommen - einen positiven Dokumentarfilm über das Vichy-Regime musste er aber drehen.
    Als Vorsitzender des Bühnenverbandes schützte er zahlreiche Künstler. 1946 wurde Marcel Pagnol als erster Cineast Mitglied der Académie française. Elf Jahre später erschien sein literarisches Debüt "Der Ruhm meines Vaters".
    Mit Geschichten von Landidyllen zum Kassenschlager
    Pagnol erfasste die tiefe Sehnsucht nach dem idyllisch-ländlichen Frankreich – seine Kindheitserinnerungen waren ein Kassenschlager und gingen um die Welt.
    "Wir verließen das Dorf, nun begann der Zauber, und ich fühlte das Erwachen einer Liebe, die mein Leben lang dauern sollte. Eine unermessliche Landschaft erhob sich vor mir im Halbkreis bis in den Himmel. […] Von allen Seiten erklang wie aus einem Meer von Musik das metallische Zirpen der Zikaden …"
    Im Frühjahr 1974 starb Marcel Pagnol. Auch nach seinem Tod wurden seine Romane immer wieder verfilmt. Pagnols Grab liegt in La Treille, dort, wo in seiner Kindheit der Zauber begann.