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Glyphosat-Zulassung
Streit in der Bundesregierung wegen deutschem Ja

Die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat in der EU kann um fünf Jahre verlängert werden. Dafür hat auch Deutschland gestimmt - was in der geschäftsführenden Bundesregierung für Unstimmigkeiten sorgt. Umweltministerin Hendricks betonte, eigentlich hätte sich Deutschland enthalten müssen.

27.11.2017
    Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält.
    Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat in der EU kann um fünf Jahre verlängert werden. Wie die EU-Kommission mitteilte, ergab die Abstimmung im Berufungsausschuss der Mitgliedsländer eine Mehrheit dafür. 18 Staaten haben demnach zugestimmt, darunter Deutschland. Neun waren dageen, ein Land hat sich enthalten. Damit sei die notwendige qualifizierte Mehrheit erreicht.
    Hendricks fühlt sich düpiert
    Bundesumweltministerin Hendricks (SPD) reagierte mit Unverständnis auf die deutsche Zustimmung. Sie erklärte, sie sei mit einer Verlängerung nicht einverstanden und habe dies auch Landwirtschaftsminister Schmidt (CSU) mitgeteilt. Schmidt habe ihr den Dissens per SMS bestätigt, weshalb Deutschland sich hätte enthalten müssen. Dennoch sei an den Vertreter des Ministeriums in Brüssel offenbar eine andere Weisung ergangen. Hendricks betonte, wer an Vertrauensbildung interessiert sei, könne sich so nicht verhalten. SPD-Fraktionschefin Nahles sprach von einem "schweren Vertrauensbruch".
    Agrarminister Schmidt verteidigte die Zustimmung zur Verlängerung der Glyphosat-Lizenz. Mit der Zustimmung habe er "wichtige Verbesserungen zum Schutze der Pflanzen- und Tierwelt durchgesetzt", sagte Schmidt in Berlin. Dies sei mehr als von allen beteiligten Ressorts jemals verlangt worden sei. Ohne die Zustimmung Deutschlands wäre Glyphosat ohne diese Verbesserungen zugelassen worden, so der Minister.
    Ministerien waren sich schon länger uneinig
    Die Verlängerung der Lizenz war seit Längerem Streitpunkt zwischen den Ministerien. Das Landwirtschaftsressort unter Schmidt hatte in einem Brief an die EU-Kommission Zustimmung zur Verlängerung der Glyphosat-Lizenz signalisiert. Das von Hendricks geführte Umweltministerium hatte dies zurückgewiesen. Deutschland hatte sich bei früheren Abstimmmungen in der EU zum Thema enthalten.
    Der Grünen-Vorsitzende Özdemir bezeichnete die EU-Entscheidung als "herbe Enttäuschung" und warf der geschäftsführenden Bundesregierung vor, Umwelt- und Artenschutz auf ihrer Agenda zu vernachlässigen.
    Langes Ringen um Glyphosat damit wohl beendet
    Frankreichs Präsident Macron erklärte in Paris, er werde alles unternehmen, damit Glyphosat in spätestens drei Jahren in seinem Land verboten werde. Um die Zulassung für Glyphosat hatten die EU-Länder jahrelang gerungen. Hintergrund sind vor allem verschiedene und einander widersprechende Gutachten über eine mögliche krebserregende Wirkung der Substanz.
    So gehen Agenturen der EU und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung Glyphosat davon aus, dass Glyphosat nicht krebserregend ist - anders als die Internationale Krebsforschungsagentur, eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation WHO.
    Mehr als eine Million Menschen in der EU haben eine Bürgerinitiative gegen eine weitere Zulassung des Mittels unterstützt. Die EU-Kommission wollte zunächst eine Verlängerung um zehn, dann sieben, dann fünf Jahre. Damit setzte sie sich jetzt durch.
    Das Europaparlament hatte sich im Oktober dafür ausgesprochen, Glyphosat ab sofort nur noch sehr eingeschränkt zuzulassen und bis 2022 schrittweise zu verbieten.
    Die Verlängerung ist nicht nur bedeutend für Landwirtschaft und Verbraucher. Sie hat auch Auswirkungen für den deutschen Chemiekonzern Bayer, der den Glyphosat-Hersteller Monsanto übernehmen will.
    (vic/hba)