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150. Geburtstag von Karl Landsteiner
Der Entdecker der Blutgruppen

Es war eine Fußnote in einem kurzen Fachartikel, die im Jahr 1900 die Medizin revolutionierte: Darin beschrieb Karl Landsteiner, wie er in einer einfachen wie genialen Versuchsreihe die menschlichen Blutgruppen entdeckt hatte. Der österreichische Arzt und Forscher erhielt 1930 den Nobelpreis für Medizin.

Von Martin Winkelheide | 14.06.2018
    Zeitgenössische Aufnahme des österreichischen Mediziners und Serologen Professor Karl Landsteiner. Er entdeckte 1901 die Unterteilung des menschlichen Blutes in die Blutgruppen A, B und O und erhielt hierfür 1930 den Nobelpreis für Physiologie (Medizin). 1940 gelang ihm zusammen mit A.S. Wiener die Entdeckung des Rhesussystems (Rhesusfaktoren Rh positiv, Rh negativ). Karl Landsteiner wurde am 14. Juni 1868 in Wien geboren und starb am 26. Juni 1943 in New York. |
    Der am 14. Juni 1868 in Baden bei Wien geborene Karl Landsteiner hat in Wien, München und Zürich Medizin studiert (picture alliance / dpa)
    Eine Fußnote in einem kurzen Fachartikel "Über Agglutinationserscheinungen normalen menschlichen Blutes" aus dem Jahr 1900 revolutionierte die Medizin. Und sie brachte Karl Landsteiner 1930 den Nobelpreis für Medizin ein. Mit einer so einfachen wie genialen Versuchsreihe hatte er die menschlichen Blutgruppen entdeckt:
    "Er hat sich Blut abgenommen. Karl Landsteiner hat seinen Mitarbeitern Blut abgenommen. Das Blut wurde zentrifugiert, das heißt: Durch die Schwerkraft wurden die Blutkörperchen von der Blutflüssigkeit abgetrennt", erzählt Birgit Gathof.
    Sie leitet die Transfusionsmedizin der Universitätsklinik Köln. Landsteiner trennte das Blut auf. In ein Röhrchen kamen die Blutkörperchen - die Blutflüssigkeit, das Serum, in ein anderes. Dann mischte er die Blutkörperchen jeder Versuchsperson mit dem Serum von allen anderen Versuchspersonen.
    "Bei einem Teil seiner Kombinationen passierte gar nichts. Serum und Blutkörperchen blieben in Mischung. Bei einem anderen Teil bildeten sich Klümpchen, Gerinnsel, - 'Agglutinate' in der Fachsprache -, die man als eine Verklumpung von roten Blutkörperchen auch unter dem Mikroskop nachweisen kann. Er hat daraus den Schluss gezogen in seiner ersten Veröffentlichung, dass es drei Blutgruppen geben muss."
    Blut im Zentrum seines Interesses
    Landsteiner nannte die Blutgruppen A, B und Null. Als er das Experiment zwei Jahre später mit deutlich mehr Versuchspersonen wiederholen ließ, fand sich dann auch die seltenere, vierte Blutgruppe "AB".
    Der am 14. Juni 1868 in Baden bei Wien geborene Karl Landsteiner hatte in Wien, München und Zürich Medizin studiert und bei dem berühmten Chirurgen Theodor Billroth in Wien assistiert. Seine erste Festanstellung fand er am Institut für Hygiene und Anatomie der Universität Wien.
    1911 wurde er Professor für Pathologie. Er forschte auf vielen Gebieten. So konnte er erstmals experimentell nachweisen, dass es sich bei der Kinderlähmung um eine ansteckende Krankheit handelt. Im Zentrum seines Interesses aber stand das Blut und die Frage: Wie verändern Krankheiten das Blut?
    "Welche Phänomene treten auf bei Lungenentzündungen, die durch Bakterien verursacht sind? Dass er dabei die Blutgruppen entdeckt hat, war ein Nebeneffekt seiner Forschung zu einem anderen Thema", sagt Birgit Gathof.
    Entdeckung des Rhesus-Faktors
    Landsteiner wusste sofort: Sein Fund war die Lösung für ein altes Rätsel der Medizin. Warum kam es zu seiner Zeit bei jeder dritten Bluttransfusion zu Komplikationen? Auf den Blutkörperchen von Menschen mit Blutgruppe A, so schloss Landsteiner, finden sich andere Strukturen, also Antigene, als bei Menschen mit Blutgruppe B. Gegen Merkmale, die wir nicht auf unseren Blutkörperchen haben, bilden wir Abwehrmoleküle: sogenannte Antikörper.
    "Die Menschen der Blutgruppe AB bilden selber keine Antikörper. Die Menschen der Blutgruppe 0 bilden Antikörper gegen A und gegen B. Die Menschen der Blutgruppe A bilden Antikörper gegen B. Die mit der Blutgruppe B bilden Antikörper gegen die Blutgruppe A", erklärt Birgit Gathof. Wird nicht das passende Blut transfundiert, werden die fremden Blutkörperchen attackiert und sie verklumpen, so Landsteiners neue Erkenntnis.
    Transfusionen und Geburten wurden sicherer
    1922 nahm Landsteiner einen Ruf an die Rockefeller University in New York an. In den USA suchte man zu dieser Zeit nach einer Möglichkeit, Blut zu lagern, um eine Blutbank aufzubauen. Mit seinen Schülern entdeckte er dort 1940 noch ein weiteres Blutgruppensystem: den Rhesus Faktor.
    Entscheidend, um Transfusionen noch sicherer zu machen - aber auch Geburten. "Die Antikörper im Rhesus-System sind ein Grund für hohe Kindersterblichkeit früher, auch in Deutschland, gewesen."
    Mit 75 Jahren erlitt Karl Landsteiner in seinem New Yorker Labor einen Herzinfarkt. Zwei Tage später, am 26. Juni 1943, starb er. "Tatsächlich ist die Entdeckung der Blutgruppen aus meiner Sicht eine bahnbrechende Entdeckung, die viele moderne medizinische Therapien erst möglich gemacht hat", erklärt Birgit Gathof.
    Große Herz- oder Bauchoperationen, die Behandlung von Unfallopfern oder eingreifende Krebsbehandlungen wären ohne Karl Landsteiners Entdeckungen undenkbar.