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150 Jahre Patent auf Dynamit
Erfindung mit Sprengkraft

Die jährlich ausgelobten Nobelpreise sind dem Testament des Industriellen Alfred Nobel zu verdanken. Sein Vermögen erwirtschaftete er durch die Entwicklung eines neuen Sprengstoffs: das Dynamit. Am 7. Mai 1867 wurde in England das Patent auf die zerstörerische Erfindung erteilt - von der sich Nobel einen Beitrag für den Frieden versprach.

Von Frank Grotelüschen | 07.05.2017
    Eine Stange Dynamit, gefunden in Karlsborg in Schweden.
    Eine Stange Dynamit, gefunden in Karlsborg in Schweden. (imago / Westend61)
    "Wenn hier mal ein Gebäude in die Luft geflogen wäre, dann sollte hier nicht wie im Dominoeffekt ein Gebäude nach dem anderen in die Luft fliegen. Sondern man musste drauf achten, dass es begrenzt ist auf das eine Gebäude."
    Krümmel, ein Ortsteil von Geesthacht nahe Hamburg. Jochen Meder stapft einen bewaldeten Hang hinauf, vorbei an bunkerähnlichen Ruinen, tief in die Erde gebaut und durch Erdwälle geschützt. In den Weltkriegen war das hier die Pulverkammer Deutschlands – eine Munitionsfabrik verteilt auf Hunderte von Gebäuden. Ihre Anfänge aber gehen zurück auf das 19. Jahrhundert, so jochen Meder:
    "Das Gesamtgelände beginnt mit der Ansiedlung von Alfred Nobel hier 1865."
    Schon in seiner schwedischen Heimat hatte Nobel an neuen Sprengstoffen getüftelt. In Krümmel setzte er seine Arbeiten fort, sagt Ulrike Neidhöfer. Ebenso wie Jochen Meder engagiert sie sich im Förderkreis Industriemuseum Geesthacht:
    "Technischer Erfindungsgeist wie auch die Beschäftigung mit Sprengstoffen lagen in der Wiege."
    Nobels Vater Immanuel hatte ein florierendes Rüstungsunternehmen aufgebaut, in dem auch Alfred und dessen Brüder arbeiteten, so Ulrike Neidhöfer: "Es waren alle Ingenieure. Sie waren alle mit Maschinenbau beschäftigt und mit Kriegstechnik."
    Ab 1847 elektrisierte eine Erfindung die Nobels: In Turin hatte der Chemiker Ascanio Sobrero das Nitroglyzerin entwickelt – ein mächtiger Explosionsstoff, zehnmal verheerender als Schwarzpulver. Aber, sagt Jochen Meder:
    "Nitroglyzerin hat den Nachteil, dass er eben bei geringster Erschütterung explodieren kann, sodass der Erfinder Ascanio Sobrero selbst dachte, man könne diesen Sprengstoff gar nicht verwenden."
    Immer wieder kam es bei Herstellung und Transport von Nitroglyzerin zu heftigen Explosionen, oft mit Toten und Verletzten. Also versuchte Nobel, den Sprengstoff sicher zu machen:
    "Ich kannte von Anfang an die Nachteile des flüssigen Sprengstoffes und war seitdem auf der Suche nach einem Mittel, das sie beseitigt."
    Schrieb Nobel an den englischen Sprengstoffinspektor. 1863 gelang ihm ein erster Schritt – die sichere Zündung von Nitroglyzerin, erklärt Jochen Meder:
    "Nobel hat ein Verfahren entwickelt, wie man einen explosionsgefährlichen Stoff mit einer Vorzündung zur Explosion bringt. Und diese Vorzündung macht eben die Handhabung deutlich sicherer, als es vorher der Fall war."
    Blieb das Problem des sicheren Transports. Die Lösung sollte erst kommen, nachdem Nobel 1865 seine Fabrik in Krümmel gegründet hatte – die zweite neben seinem Stammsitz in Schweden. Am 1. Mai 1866 – die Nitroglyzerin-Produktion war gerade erst in Krümmel angelaufen – kam es auf dem Gelände zu einer Explosion. Dazu Jochen Meder:
    "Das war also sehr stark zerstörend, einige Arbeiter getötet. Und Alfred Nobel hat wahrscheinlich dann die Anstrengungen zur Erfindung eines sicheren Sprengstoffs intensiviert."
    Um das Nitroglyzerin sicherer zu machen, mischte Nobel es mit Holzkohle, Zement und Sägespänen – ohne Erfolg. Dann aber vermengte er das explosive Öl mit Kieselgur, einem Mineral bestehend aus den Schalen fossiler Kieselalgen, sogenannter Diatomeen, so Jochen Meder
    "Und darin konnte dieses Nitroglyzerin-Öl einsickern und hat eine wahnsinnig große Oberfläche eingenommen. Und damit war dann die selbstzerstörende Kraft dieses Nitroglyzerins stark gedämpft."
    Die Poren der versteinerten Kieselalgen saugten das Nitroglyzerin auf wie ein Schwamm. Es entstand eine Paste, und sie rollte Nobel in gewachstes Papier ein:
    "Letztendlich hat man dann also diese zigarrenförmigen Dynamitstangen, wie man sie aus jedem Wildwest-Film kennt."
    Am 7. Mai 1867 erhielt Alfred Nobel in England das Patent aufs Dynamit, so hatte er seinen neuen Sprengstoff getauft. "Hochinteressant für alle Großbauprojekte der damaligen Zeit." sagt Ulrike Neidhöfer:
    Der Rüstungsproduzent Nobel verabscheute den Krieg
    In Bergwerken und beim Eisenbahnbau fand das Dynamit reißenden Absatz. 1867 lag die Jahresproduktion bei elf Tonnen, acht Jahre später waren es bereits 4.000. Dazu Jochen Meder:
    "In den nächsten Jahren hat Alfred Nobel dann weltweit Fabriken gegründet und damit den Reichtum geschaffen, der letztendlich für die Nobelpreise vergeben wurde."
    Obwohl Nobel den Krieg verabscheute, stieg er in die Rüstungsproduktion ein. Je größer die Waffenarsenale, umso größer deren abschreckende Wirkung, meinte er nach dem Weltfriedenskongress 1892:
    "Meine Fabriken werden vielleicht dem Krieg noch früher ein Ende machen als Ihre Kongresse: An dem Tag, da zwei Armeekorps sich gegenseitig in einer Sekunde werden vernichten können, werden wohl alle zivilisierten Nationen zurückschaudern und ihre Truppen verabschieden."
    Sozusagen eine Frühform jenes Gleichgewichts des Schreckens, das die globale Politik nach dem Zweiten Weltkrieg jahrzehntelang bestimmen sollte.