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1860 München
Ein Verein auf dem Weg zum Sultanat

Die Münchner Löwen sorgen seit Monaten immer wieder für Kopfschütteln mit ihren Aktionen. Nach einem allgemeinen Presse-Boykott gab es zuletzt Aufregung, weil einer Journalistin die Dauerakkreditierung entzogen wurde. Einige Medien wollen nun ihre Berichterstattung massiv einschränken.

Von Michael Watzke | 06.03.2017
    Der jordanische Investor Hasan Ismaik beim Spiel von TSV 1860 München gegen FC St. Pauli.
    1860-Investor Hasan Ismaik fühlte sich beim Spiel gegen St. Pauli vom Siegtorjubel der gegnerischen Funktionäre gestört und wollte diese von ihren Sitzen entfernen lassen. (dpa/ picture alliance/ Tobias Hase)
    Für St-Pauli-Trainer Ewald Lienen war es "wie man so schön sagt, ein schmutziges Spiel, ein dreckiges Spiel!"
    Dabei ging es bei der Partie 1860 gegen St. Pauli auf dem Platz vergleichsweise sauber zu. Unsportlich war das, was sich auf den VIP-Rängen der Allianz Arena abspielte. Löwen-Investor Hasan Ismaik wollte St. Pauli-Geschäftsführer Andreas Rettig und andere St. Paulianer von deren Sitzen entfernen lassen. Grund: er fühlte sich vom Siegtorjubel der gegnerischen Funktionäre gestört. Bei 1860 finden sie das nur verständlich:
    "Wenn natürlich mit Faustgesten in Richtung Investor gezeigt wird... Das ist ein Araber, der hat eine andere Mentalität. Der fühlt sich natürlich schnell beleidigt."
    Mit solchen Klischees entschuldigen die Sechzger-Fans das Verhalten des Club-Investors Hasan Ismaik, club-intern nur "der Scheich" genannt. Der Verein selbst hat sich inzwischen nach eigener Angabe beim Gegner entschuldigt. Doch dem betroffenen St. Pauli-Geschäftsführer Andreas Rettig reicht das nicht. Er klagt:
    "Wenn auf dem Altar des vielen Geldes Meinungsfreiheit und respektvoller Umgang mit Mitarbeitern, Medien und anderen Klubs auf der Strecke bleiben, dann gute Nacht Fußballdeutschland."
    Rettig forderte seinen früheren Arbeitgeber, die Deutsche Fußball Liga (DFL), zum Einschreiten auf. Doch die sagt:
    "Die Clubs üben sowohl auf ihrem Trainingsgelände als auch im eigenen Stadion Hausrecht aus. Da die DFL in diesem Fall nicht direkt berührt ist, besitzt sie keine Grundlage, tätig zu werden".
    Kritik an Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus
    Bei den Löwen sprechen sie heute lieber über den vermeintlich Schuldigen an der 1:2-Niederlage vom Wochenende. Genauer: die Schuldige. Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus war laut Löwen-Investor Hasan Ismaik der Grund für die Niederlage. Der Jordanier verlangte auf Facebook eine Entschuldigung der Schiedsrichterin. Richtig so, finden die Sechzger-Fans:
    "Ich frag' mich, warum schickt man eine Schiedsrichterin in ein Abstiegsduell? Warum nicht zu einem Spiel, wo es um nicht so viel geht? Sandhausen, Heidenheim wär ne optimale Begegnung für Frau Bibiana Steinhaus gewesen. Aber nicht so ein Spiel."
    Soviel zum Thema Sexismus im Fußball. Experten hatten Schiedsrichterin Steinhaus attestiert, sie habe das Spiel 1860 München gegen St.Pauli tadellos geleitet. Weniger tadellos ist das Verhalten von 1860 München gegenüber Journalisten. Vor einigen Tagen hatte eine Reporterin der BILD-Zeitung in einer Pressekonferenz mit 1860-Trainer Vitor Pereira gefragt:
    "Wie waren Sie mit den Trainingsleistungen von Stefan Aigner diese Woche zufrieden?" / "Ich bitte zu entschuldigen, aber wir werden die Frage nicht beantworten. Nächste Frage bitte."
    Verein fühlt sich unfair behandelt
    Offizieller Grund laut Löwen-Pressesprecherin Lil Zercher: man beantworte nur sportliche Fragen. Wobei die Auskunft über die Trainingsleistung von Stefan Aigner durchaus als sportliche Frage gelten darf. Inoffizieller Grund des Medien-Boykotts: die BILD-Zeitung hatte kritisch über 1860 München berichtet – der Verein fühlt sich unfair behandelt und entzog der Boulevard-Journalistin die Akkreditierung. Schon vor einigen Monaten hatte 1860 München mehrere Medien boykottiert. Der Bayerische Journalistenverband kritisierte das scharf. Sogar treue Fans des Vereins fühlen sich ein wenig an die USA unter Donald Trump erinnert. Doch die meisten quittieren es mit Achselzucken.
    "Tja, was bleibt anderes übrig, wenn das Geld fehlt? Wer finanziert, dem muss man auch ein bissel nach dem Mund reden, oder?"
    Ohne den Investor Hasan Ismaik wäre 1860 München tatsächlich pleite. Mit ihm ist der Verein auf dem Weg zum Sultanat.