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19.2.2004 - Vor 50 Jahren

1954: Sportlich gesehen ein gutes Jahr für die junge Republik. Nicht nur das Wunder von Bern hat sich ereignet. 9 Jahre nach dem Krieg fühlen sich die Deutschen wieder aufgenommen in den Kreis der zivilisierten Nationen, die durch zähes Rackern und blendende Leistung doch zu beeindrucken sein müssen, jedoch, so mahnt der Moderator des Sportjahresrückblicks, es muß noch viel mehr getan werden - für den deutschen Sport. Aber auch das Wirtschaftswunder darf nach soviel Erfolg mal Pause machen.

Von Beatrix Novy | 19.02.2004
    So, nun machen Sie es sich gemütlich...darf ich Ihnen eine Zigarette anzünden? Und nun schauen wir zurück. Februar 1954: Weltmeisterschaften im Eiskunstlauf Musik. Gundi läuft großartig!

    Fernseher sind noch selten, also sitzt die Familie am Radio und stellt sich vor, wie Gundi Busch ihre Kür zu Musik von Beethoven fährt

    Ja schön macht sie das, unsere Gundi. Jetzt fährt sie einen Mond rückwärts.

    1948 war sie in Krefeld bei den Deutschen Jugendmeisterschaften aufgefallen. 1952 wurde sie schon Achte bei den Olympischen Spielen, 1953 Europazweite, und am 19. Februar 1954: Weltmeisterin in Oslo.

    Und läuft jetzt aus in einer Waage zu ihrem Finale ... Bravo, Gundi Busch, bravo!

    "Unsere Gundi" war in Mailand geboren, als Tochter eines deutsch-österreichischen Ehepaares, das hohe Summen in die Tochter investiert hatte, seit sie an der Hand der Mutter im Mailänder Palazzo di Chiaggio zum ersten Mal auf Kufen gestanden hatte. Man engagierte für ihr Training die vierfache deutsche Meisterin Thea Frenssen, ließ sie in der Schweiz und - aus sentimentaler Anhänglichkeit an die Heimat des Vaters - in Köln trainieren.
    Der staunenden Öffentlichkeit, die gerade anfing, das Wort Rimini zu buchstabieren, wurde ein Mädchen präsentiert, das italienisch, englisch, französisch sprach und natürlich deutsch.

    Gundi, wie lange hast Du trainiert? - Och, 8 Stunden - nein ich meine wie viele Jahre? - 14 Jahre!

    Noch klang sie erst leise an, die Tragik kleiner Eisprinzessinnen, die von gnadenlosen Eislaufmüttern mit subtiler emotionaler Gewalt in ein unkindliches Leistungsleben gezwungen werden. "Die in ihrer Bescheidenheit so vorbildliche Weltmeisterin" - so eine Zeitung damals - taugte gut zum Idol in diesen Zeiten, in denen schrille Selbstdarstellung als ungezogen gegolten hätte; eine perfekte Pflichtläuferin war sie, traumhaft sicher, harmonisch, aber, sagen die, die sie gesehen haben, ohne allzu viel Temperament.

    Sie sprang nicht besonders hoch, aber damals musste man ja auch nicht, wie heute, die Artistik auf die Spitze treiben, kommentierte kein Sportreporter enttäuscht einen "nur" zweifachen Tolup, kannte man nicht wilde Kombinationen aus drei- und vierfachen Axeln und Salchows. Das alles deutete sich erst an in den Fernseh-Weihestunden der späten 50er und 60er Jahre, als die versammelte Familie die kürzer werdenden Röckchen und die kühner werdenden Sprünge der Weltklasse-Läufer goutierte, unter denen die Deutschen damals gute Figur machten. Aber als Ina Bauer, Manfred Schnelldorfer, Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler ihre Erfolge einfuhren, war Gundi Busch längst aus dem Rennen. Sie hatte gleich nach der Weltmeisterschaft von 1954, mit nur 19 Jahren, den Wettbewerb geschmissen, sich bei einer Eisrevue verpflichtet und kurz darauf einem Ehemann, dem Eishockeyspieler Lulle Johannsson. Niemand hat je gehört, dass sie es bereut hätte.