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19. Filmfestival Türkei/Deutschland
Gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigen

Rund 50 Filme aus beiden Ländern stehen in diesem Jahr auf dem Programm des 19. Filmfestival Türkei/Deutschland in Nürnberg. Es ist ein politisches Festival, welches auch die Folgen der Gezi-Park-Proteste aufgreift.

Von Thomas Senne | 13.03.2014
    Aus der Schnapsidee, eine Bank auszurauben, um mit dem ergaunerten Geld mühelos ihre sozialen Probleme zu lösen, machen vier Türkinnen ernst und schlittern in ein unkalkulierbares Abenteuer. "Bankraub im Frauenstil", so der passende Titel von A. Taner Elhans gerade fertiggestellten Film. In Nürnberg wird er in der Reihe "Filmlandschaften" präsentiert: eine internationale Premiere.
    Doch ein Bankraub löst wohl nur selten soziale Probleme. Auch in der Türkei nicht. Dort beherrschen seit Monaten vielmehr Proteste gegen staatliche Willkür im Gezi-Park, Unmutsbekundungen gegen Korruption und Vettern-Wirtschaft in der türkischen Regierung, die Schließung hunderter Privatschulen per Dekret sowie die Entlassung und Umbesetzung unliebsamer Ermittlungsbeamter durch die Staatsspitze die Schlagzeilen. Was bedeutet diese bedenkliche Entwicklung für ein Filmfestival, das außer künstlerischen Tendenzen vor allem auch gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigen möchte? Steuert die Türkei auf eine Diktatur unter Regierungschef Erdogan zu?
    "Die Gesellschaft ist selbstbewusster geworden. Deshalb bin ich sehr hoffnungsfroh, dass wir nicht zu einer Diktatur in der Türkei kommen werden. Letztendlich handelt es sich um einen Politiker, der jahrelang von den USA und Europa bestens unterstützt wurde und jetzt hat er selbst den Sinn für die Realität verloren. Ich denke, er wird die Quittung peu à peu bekommen – sowohl vom Volk in der Türkei auf eine demokratische Art und Weise, aber auch in der mangelnden Unterstützung von Europa. Und das ist bitter notwendig."
    Politische Einflussnahme seitens türkischer Behörden auf das Programm des elftägigen Nürnberger Filmmarathons, der sich diesmal auch mit Außenseiterthemen wie zum Beispiel geistiger Behinderung oder Homosexualität auseinandersetzt, hat es bis jetzt nicht gegeben, sagt Festivalchef Adil Kaya. Auch wenn die Ereignisse noch nicht lange zurückliegen - immerhin ein Streifen wird im "Wettbewerb der Kurzfilme" zu sehen sein, der die Unruhen am Bosporus zumindest ansatzweise thematisiert. In "Die Kapsel" versuchen zwei Brüder, Geld zu verdienen, indem sie die von Polizisten gegen Demonstranten abgeschossenen Gaspatronen einsammeln und verkaufen. Filmgespräche und Diskussionen über Demokratiedefizite setzen weitere politische Akzente.
    "Wir sind ein politisches Filmfestival und wir behandeln die Themen, die Menschen in Deutschland als auch in der Türkei berühren. Und davon gibt es einige in der Türkei, einige Themen, aber auch einige in Deutschland. Das darf man auch nicht vergessen: Die ganzen Abhörskandale – das ist eine Herausforderung für unser Demokratieverständnis in Europa und in Deutschland und da dürfen wir nicht nur mit dem Finger zeigen auf die Türkei und auf Erdogan zeigen, der Facebook verbieten will."
    Was die beiden Länder momentan bewegt – auch in diesem Jahr bietet Nürnberg wieder ein Forum für den bilateralen Gedankenaustausch: das bedeutendste Filmfestival zwischen der Türkei und Deutschland.