Mittwoch, 24. April 2024

1914-2014 Ein europäisches Jahrhundert
Internationales Symposium 5. April 2014

In ganz Europa wird im Jahr 2014 an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. Diese für Europa konstituierende Zäsur hatte bereits der amerikanische Diplomat George F. Kennan beschrieben, als er den Ersten Weltkrieg als die "europäische Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" bezeichnete. Bis heute zeigen die Folgen des Ersten Weltkriegs noch ihre Wirkung – sei es im Nahen und Mittleren Osten, sei es auf dem Balkan und in ganz Mittelosteuropa. Für den Deutschlandfunk ist dieses Gedenkjahr Anlass, in einem internationalen Symposium die europäische Dimension dieses epochalen Einschnitts in der Geschichte Europas in den Mittelpunkt zu rücken.

03.04.2014
    Ausgelöst durch die tödlichen Schüsse auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand durch serbische Nationalisten am 28. Juni 1914 in Sarajevo brach im August 1914 der große Krieg (später als 1. Weltkrieg bezeichnet) aus. Es kämpften die Mittelmächte, bestehend aus Deutschland, Österreich-Ungarn sowie später auch das Osmanische Reich (Türkei) und Bulgarien gegen die Tripelentente, bestehend aus Großbritannien, Frankreich und Rußland sowie zahlreichen Bündnispartnern. Die traurige Bilanz des mit der Niederlage der Mittelmächte 1918 beendeten Weltkriegs: rund 8,5 Millionen Gefallene, über 21 Millionen Verwundete und fast 8 Millionen Kriegsgefangene und Vermisste.
    Mobilmachung am 1. August 1914 in Deutschland: Ein Junge bringt den Koffer und das Gewehr seines Vaters zum Bahnhof. (picture alliance / dpa)
    Eröffnung · 11:00 Uhr
    Musik
    Jung-Eun PARK: "Krieg"
    Ensemble Schwerpunkt

    Begrüßung
    Dr. Willi STEUL, Intendant des Deutschlandradios
    Grußworte
    Karl-Heinz LAMBERTZ, Ministerpräsident der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien
    Andreas MEITZNER, Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für die Gedenkveranstaltungen zum Beginn des Ersten Weltkriegs

    Panel I ·12:00 Uhr
    Wie der Krieg nationale Identitäten prägt: Europäische Kriege und europäisches Erinnern
    Obwohl der Erste Weltkrieg zu einem europäischen Trauma wurde und damit bis heute ein wichtiger Teil gemeinsamer historischer Erfahrung ist, gelang es auch hundert Jahre nach diesem epochalen Ereignis nicht, das Gedenken gemeinsam auf europäischer Ebene zu organisieren. Vielmehr ist die gesamteuropäische Erinnerung eine Vision geblieben. Dabei könnte eine gemeinsame Erinnerungskultur zum Kern einer gemeinsamen europäischen Identität werden.
    Es diskutieren:
    Impulsreferat
    Prof. Dr. Aleida ASSMANN, Jahrgang 1947, lehrt Anglistik und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt in den Formen des individuellen und kulturellen Gedächtnisses und der Gewalt- und Traumaverarbeitung in der Geschichte. 2013 erschien ihr Band "Das neuen Unbehagen an der Erinnerungskultur. Eine Intervention“.
    Das vollständige Impulsreferat von Prof. Dr. Aleida Assmann finden Sie hier.
    These: "Das Gedenkjahr 1914/2014 ist nicht ein Erinnerungsanlass wie unzählige andere, die morgen schon wieder vergessen sind. Es bietet die überfällige Gelegenheit, nationale Sonderwege der Erinnerung wahrzunehmen und diese in einen gemeinsamen europäischen Rahmen einzubringen. Dabei helfen uns die internationalen Historiker mit ihren aktuellen Publikationen, aber es spielen auch die jeweiligen "mentalen Landkarten" eine große Rolle, die bei diesem europäischen Reflexionsschub unbedingt mit einzubeziehen sind."
    Podium
    Dr. habil. Nicolas OFFENSTADT, Jahrgang 1967, Dozent an der Universität Paris I (Panthéon-Sorbonne). Er hat sich mit Arbeiten über die Kriegsgeschichte im späten Mittelalter und über den Ersten Weltkrieg einen Namen gemacht. Sein Interesse gilt besonders den Formen kollektiven Gedenkens in Frankreich. Als Kolumnist im Feuilleton der Tageszeitung "Le Monde" und als Gründungsmitglied des "Comité de Vigilance face aux Usages Publics de l`Histoire" ( Komitee zur Überwachung des öffentlichen Umgang mit der Geschichte ) nimmt er immer wieder Stellung zur öffentlichen Instrumentalisierung von Geschichte.
    Prof. Dr. Igor NARSKIJ, Jahrgang 1959, geboren in Kujbyschew/Russland. Direktor des Forschungszentrums für Kulturgeschichte an der Staatlichen Universität Tscheljabinsk im Süd-Ural. Zuletzt veröffentlichte er "Die Arbeit an der Vergangenheit. Das 20. Jahrhundert im Gedächtnis und in der Kommunikation russischer und deutscher Nachkriegsgenerationen“. Narskij ist u.a. Mitglied der Akademie für Militärgeschichte in Sankt Petersburg.
    Elien DE LEEUW, Jahrgang 1995, wurde im belgischen Zottegem geboren und studiert Deutsch und Schwedisch an der Universität Gent. Sie nahm an Workcamps des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in München, Karlsruhe und Berlin teil.
    Moderation
    Birgit WENTZIEN, Chefredakteurin Deutschlandfunk
    Die Diskussion wird aufgezeichnet und am Samstag, 5. April um 13:10 bis 14:00 Uhr im Programm des DLF ausgestrahlt.
    Panel II ·14:30 Uhr
    Alte und neue Kriege: Vom Grabenkrieg zum Antiterrorkampf
    Gestalt und Wahrnehmung von Kriegen haben sich in den letzten 100 Jahren fundamental verändert: Neben die "alten" zwischenstaatlichen Kriege um Territorien und Herrschaftsgebiete sind "neue" innerstaatliche Kriege und Konflikte getreten, die immer dezentraler geführt werden und den völkerrechtlichen und humanitären Tabubruch bewusst in Kauf nehmen. Im Zeichen von Massenelend und Flüchtlingskatastrophen ist gleichzeitig die Debatte um die politische Unvermeidbarkeit und ethische Berechtigung von Kriegen neu entbrannt.
    Es diskutieren:
    Impulsreferat
    Prof. Dr. Stig FÖRSTER, Jahrgang 1951, gebürtiger West-Berliner und seit 1994 Professor für Neueste Allgemeine Geschichte an der Universität Bern. Seit 2001 ist er Vorsitzender des Schweizerischen Arbeitskreises Militärgeschichte. Er hat zahlreiche Publikationen zur Politikgeschichte, Militärgeschichte, Geschichte des Imperialismus und der vergleichenden Genozidforschung veröffentlicht.
    Das vollständige Impulsreferat von Prof. Dr. Stig Förster finden Sie hier.
    These: "Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert durchlief das Bild des Krieges mehrere Phasen des Wandels. Am Anfang stand der Krieg der Massen, der spätestens seit dem Ersten Weltkrieg durch den Maschinenkrieg ergänzt wurde. Im Nuklearzeitalter schritt die Technisierung weiter voran. Heutzutage wird Masse endgültig durch Technologie ersetzt. Der Kampf gegen den Terror ist dabei keineswegs eine neuartige Erscheinung. Aber er wird jetzt zunehmend mit Robotern geführt. Dabei besteht die Gefahr, dass die Menschen die Kontrolle über die Maschinen verlieren. Vielleicht führen irgendwann die Maschinen einen Krieg gegen die Menschheit."
    Podium
    Prof. Dr. Manfried RAUCHENSTEINER, Jahrgang 1941, gilt als führender Militärhistoriker Österreichs. Er leitete den militärhistorischen Dienst im Österreichischen Bundesministerium für Landesvereidigung, war Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien und koordinierte den Aufbau des Militärhistorischen Museums in Dresden. Im Jahr 2013 veröffentlichte er den Band "Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914-1918".
    Dr. Cora STEPHAN, Jahrgang 1951, Berlin, deutsche Publizistin. Sie arbeitet als Essayistin und Kolumnistin und verfasst Sachbücher über politische und historische Themen, zuletzt "Das Handwerk des Krieges" und "Angela Merkel. Ein Irrtum." Unter dem Namen Anne Chaplet hat Cora Stephan seit 1998 zahlreiche Kriminalromane veröffentlicht, für die sie mehrere Preise erhielt.
    Marica BODROZIC, Jahrgang 1973, wurde in Svib/ Dalmatien, heute Kroatien, geboren. Sie lebt seit 1983 in Deutschland und schreibt Gedichte, Romane, Erzählungen und Essays. Für ihre Bücher erhielt sie zahlreiche Preise und Stipendien, darunter den Förderpreis für Literatur der Akademie der Künste in Berlin, den Kulturpreis Deutsche Sprache und den Preis der LiteraTour Nord für ihren Roman "Kirschholz und alte Gefühle". Marica Bodrožić lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.
    Moderation
    Peter PAULS, Chefredakteur Kölner Stadt-Anzeiger
    Die Diskussion wird aufgezeichnet und am Mittwoch, 9. April in der Sendung "Zur Diskussion" um 19:15 Uhr ausgestrahlt.
    Panel III · 16:30 Uhr
    Der Krieg als Entfesselung: Kriegsbegeisterung und Pazifismus – Die Rolle der Intellektuellen
    Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs gab es nicht nur militärische Blankoschecks unter Bündnispartnern – es gab auch einen geistigen Blankoscheck von Intellektuellen und Künstlern, die sich in dieser "nervösen Zeit" vom Krieg viel mehr erwarteten als einen militärischen Sieg: nämlich Katharsis, Erlösung, Aussöhnung. Frappierend die Unbedingtheit und Einmütigkeit, mit der Literaten und Publizisten, Maler und Musiker im ganzen kriegführenden Europa zu den Waffen riefen.
    Welche Motive standen dabei im Vordergrund? Und welche länderspezifischen Unterschiede gab es - trotz der grenzüberschreitenden Kriegsbegeisterung unter den Geistesarbeitern?
    Heute wird die intellektuelle Debatte über kriegerische Gewaltanwendung geprägt von pazifistischen Deklamationen einerseits und der Frage nach der Legitimität von humanitären Interventionen andererseits.
    Es diskutieren:
    Impulsreferat
    Adam KRZEMINSKI, Warschau, Jahrgang 1945, polnischer Journalist und Publizist. Er ist Redakteur der politischen Wochenzeitschrift Polityka in Warschau und versteht sich als polnisch-deutscher Europäer. Er gilt in Polen als einer der herausragenden Kenner Deutschlands und wurde als "Übersetzer der Kulturen" gewürdigt.
    Das vollständige Impulsreferat von Adam Krzeminski finden Sie hier.
    These: "Während Historiker die gängige These von der Kriegsbegeisterung der Europäer im Sommer 1914 relativieren, indem sie auf Massendemonstrationen gegen den Krieg hinweisen, exerziert der autoritäre russische Staat vor, wie man mit Feindbildern und Bedrohungsklischees imperiale Gefühlsaufwallung schürt und einen Überfall auf ein Nachbarland rechtfertigt. In den Konflikten des 20. Jahrhunderts standen Intellektuelle auf allen nur möglichen Seiten – als nationalistische Bellizisten, nihilistische Kriegsverehrer, nationale Befreiungskämpfer, Sozialrevolutionäre, Guerilleros und pazifistische Kriegsgegner. Sie waren Opfer und Täter. Traten als Propagandisten, selbst ernannte Erzieher der Nation, Mandarine der jeweiligen Ideologien, aber auch als einsame Rufer in der Wüste auf. Trotz der oft beachtlichen künstlerischen Aussagekraft ihrer Werke lebten diese meistens vom jeweiligen Zeitgeist und sind heute nicht selten nur noch Dokumente vergangener Epochen."
    Podium
    Dr. Philipp BLOM, Jahrgang 1970, lebt in Wien und ist Historiker, Schriftsteller, Journalist und Übersetzer. Er beschäftigt sich mit Ideen- und Mentalitätsgeschichte und setzt sich mit den sozialen, kulturellen und intellektuellen Umbrüchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts auseinander. Im Jahr 2009 erschien sein Band "Der taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914“.
    Katja PETROWSKAJA, Jahrgang 1970, wurde in Kiew geboren. Die Schriftstellerin, Kolumnistin und Journalistin studierte Literaturwissenschaft an der Universität Tartu in Estland, promovierte in Moskau und lebt seit 1999 in Berlin. Für ihre Erzählung "Vielleicht Esther" erhielt sie im Jahr 2013 den Ingeborg-Bachmann-Preis.
    Dr. Valérie ROBERT, Jahrgang 1968, leitet als Dozentin für Deutschland-Studien an der Université Sorbonne Nouvelle Paris III den Masterstudiengang "Deutsch-französischer Journalismus". Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte und Soziologie der Intellektuellen ( z.B. intellektuelles Engagement im Exil 1933-1939; Polemiken und Kontroversen unter Intellektuellen ) sowie vergleichende Analysen der Medien in Frankreich und Deutschland.
    Moderation
    Dr. Norbert SEITZ, Deutschlandfunk
    Die Diskussion wird aufgezeichnet und am Mittwoch, 30. Juli in der Sendung "Zur Diskussion" um 19:15 Uhr ausgestrahlt.
    Eine Zusammenfassung der Panels sowie Audiomitschnitte finden Sie hier.
    Im Foyer sind Teile der Ausstellung "YPERN MON AMOUR" zu sehen. Es handelt sich um Fotomontagen des Essener Künstlers Harald Reusmann. Die vollständige Ausstellung mit allen Bildern und der Skulptur des Künstlers Frank Wolf ist u.a. vom Mai bis Juli 2014 in der Universitätsbibliothek Bochum und anschließend in der Gedenkstätte Abri-mémoire in Uffholtz / Frankreich zu besichtigen. Eintritt frei, Anmeldung erforderlich: Alexandra Gnade
    Tel.: 0221.345-1826Fax: 0221.345-1829alexandra.gnade@dradio-service.dePartner des Symposiums: Kölner Stadt-Anzeiger, BRF, Auswärtiges Amt, Haus der europäischen Geschichte, Bundeszentrale für politische Bildung

    Tipp: Vom 3.- 6. April findet das internationale Werkstattfestival Forum neuer Musik 2014 statt. Weitere Informationen über beide Veranstaltungen finden Sie im Programm-Flyer.