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2. Kölner Forum für Journalismuskritik
Gefährliche Abwendung von den Medien

"Lügenpresse", "Staatsfunk" oder "Ihr seid nicht objektiv" - der Journalismus sieht sich zunehmend mit solchen Vorwürfen aus der Gesellschaft konfrontiert. Dass sich viele Menschen von den Medien abwenden und sich ihre eigenen Quellen suchen, ist für die Demokratie eine bedenkliche Entfremdung. Fragen für das 2. Kölner Forum für Journalismuskritik im DLF-Funkhaus.

Von Tobias Jobke | 11.06.2016
    Ein Plakat für das 2. Kölner Forum für Journalismuskritik, im Hintergrund verschwommen ein Gast auf dem Podium
    Über Kritik an Journalisten wurde beim Kölner Forum für Journalismuskritik gesprochen. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    Es waren selbstkritische Worte, die Deutschlandradio-Intendant Willi Steul den Diskussionsteilnehmern beim 2. Kölner Forum für Journalismuskritik mit auf den Weg gegeben hatte:
    "Guter Journalismus entsteht immer auch in Widerspruch zu gängigen Meinungen. Wir sollen möglichst objektiv die gesellschaftliche und politische Realität abbilden. Aber: Oft sind wir – zu oft – gefangen im eigenen Weltbild und sogar in unseren Vorurteilen."
    "Raus aus dem Mainstream" war dann auch die Forderung der Journalistin und Ex-Kieler-Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke. Ihr war ein Nachlass für einen Steuersünder zum Verhängnis geworden. Und sie fand sich am medialen Pranger wieder. Gaschke findet, dass auch bei vielen politischen Themen Redaktionen eine Einheitsberichterstattung ohne Zwischentöne bieten. Eine Tendenz, die auch der Leipziger Kommunikationswissenschaftler Uwe Krüger feststellt. Unter Journalisten gebe es zudem einen Konsens mit den Eliten – Krüger sieht darin auch einen Grund für das zunehmende Misstrauen der Menschen. Das hänge aber eng mit der Politik zusammen:
    "Wenn gegen die Interessen von großen Teilen der Bevölkerung Politik gemacht wird und Medien diese Politik erklären, dann ernten sie genau dasselbe Unverständnis, wie die Politik erntet."
    Rundfunk verbessern statt ihm zu schaden
    Um den Vertrauensverlust der Medien ging es auch in der Diskussion über die Anatomie des Schlagwortes "Lügenpresse". Maren Müller, Gründerin der Ständigen Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland, räumte ein, das Instrument der Programmbeschwerde zeitweise sehr intensiv genutzt zu haben. Müller betonte aber auch, ihr Ziel sei, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verbessern, nicht ihm zu schaden.
    Eine weitere Gesprächsrunde unter dem Titel "Buntes Deutschland – blasse Medien?" drehte sich um kulturelle Diversität in den Redaktionen und der Berichterstattung. Sheila Mysorekar, Vorsitzende der "Neuen deutschen Medienmacher" beklagte, Menschen mit Migrationshintergrund kämen im Journalismus zu kurz. Und oft würden sie reduziert auf die Rolle eines Experten für Migrationsthemen. Mehr Diversität hätte für Mysorekar nur Vorteile:
    "Es geht um die deutsche Gesellschaft, da haben alle was von, da haben nicht nur wir was von. Sondern es geht um gesellschaftlichen Frieden, es geht darum, dass man ein Land so widerspiegelt, wie es ist, und nicht nur so, wie man es gerne hätte oder wie die AfD es gerne hätte."
    Potenzial an Journalisten unter den Flüchtlingen
    Die Diskussionsrunde über Diversität in den Redaktionen stieß bei den Gästen im Kammermusiksaal des Kölner DLF-Funkhauses auf großes Interesse – auch der Hinweis auf das Potenzial von Journalisten unter den Flüchtlingen:
    "Mir ging es auch so, dass ich den Vortrag gerade sehr interessant fand, weil ich es wichtig finde, darüber zu diskutieren durch die Flüchtlingskrise, die wir gerade haben und dass nicht nur die negativen Sachen daran beleuchtet werden, sondern auch die Chancen, die sich daran für den Journalismus aufzeigen."
    "Ich fand vor allem interessant, dass man von beiden Seiten die Beleuchtung hat, also von Experten, vielleicht auch Leuten, die Hochschullehrer sind und auch was sagen können und dann im Vergleich die Praxis, also die Journalisten noch mal."
    Schlusspunkt der Veranstaltung war die Ehrung der türkischen Organisation "Haber Nöbeti", was so viel wie News Watch bedeutet. Die Gruppe setzt sich für Berichte aus der medial vernachlässigten Krisenregion Osttürkei ein. Die Initiative Nachrichtenaufklärung zeichnete "Haber Nöbeti" dafür mit dem Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik 2016 aus. Ein undotierter Sonderpreis ging an den Leipziger Kommunikationswissenschaftler Uwe Krüger. Er untersucht Verflechtungen zwischen politischen und wirtschaftlichen Eliten.