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20 Jahre Deutsch-Tschechische Erklärung
Belastungsprobe für die Versöhnung

Es war ein langer Weg zur Versöhnung zwischen Deutschland und Tschechien. Lange lastete die komplizierte Vergangenheit auf dem Verhältnis der beiden Nachbarn. Erst die Deutsch-Tschechische Erklärung schaffte 1997 die Grundlage für eine Normalisierung der Beziehungen. Heute droht der Graben durch die Flüchtlingskrise wieder tiefer zu werden.

Von Stefan Heinlein | 21.01.2017
    Blick auf die Karlsbrücke mit der Prager Burg und dem Veitsdom
    Blick auf die Karlsbrücke mit der Prager Burg und dem Veitsdom. Die Flüchtlingskrise hat die Beziehungen zu Deutschland zuletzt etwas belastet. (dpa / Sven Hoppe)
    Deutschunterricht in der zehnten Klasse eines Prager Gymnasiums. Eine komplizierte Grammatik und Aussprache. Deutsch gilt vielen als Horrorfach. Doch immerhin rund die Hälfte eines Jahrgangs paukt in Tschechien die Sprache des großen Nachbarlandes. Berührungsängste gibt es längst nicht mehr. Auch Katka reist gerne regelmäßig über die nahe Grenze:
    "Die Menschen dort sind sehr hilfsbereit und freundlich. Die Deutschen sind doch schon lange nicht mehr unsere Feinde. Ich habe keine Furcht vor Deutschland."
    Tatsächlich hat sich das bilaterale Verhältnis in den letzten Jahren deutlich entkrampft. Die Stolpersteine der Geschichte – Krieg, Besatzung und Vertreibung – sind längst aus dem politischen Alltag verschwunden. Die Vergangenheit darf nicht länger die gemeinsame Gegenwart und Zukunft belasten. Mit dieser einfachen Formel legte die deutsch-tschechische Erklärung vor 20 Jahren nach zähen Verhandlungen die politische Grundlage für diese Entwicklung, so Tomas Jelinek, Direktor des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds.
    Den Teufelskreis von Aufrechnung und Schuldzuweisungen durchbrechen
    "Die deutsch-tschechische Erklärung hat den Spielraum für die Politiker eigentlich konstruktiv eingegrenzt, aber für die Gesellschaft weit geöffnet und mit Unterstützung des deutsch-tschechischen Zukunftsfonds kamen dann die Bürger immer mehr ins Gespräch und konnten auch selbst dann schwierige Themen anpacken und das hat das gegenseitige Vertrauen gestärkt."
    In den vergangenen beiden Jahrzehnten steckte der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds rund 50 Millionen Euro in die Förderung von über 9.000 Projekten. Der Zukunftsfonds und ein bilaterales Gesprächsforum sind bis heute die praktischen Eckpfeiler der Erklärung. Sie legen ein solides Fundament für die Annäherung der beiden Nachbarländer. Eine Hoffnung, die der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl 1997 nach der Unterzeichnung der Erklärung im Prager Liechtenstein-Palais zum Ausdruck brachte:
    "Unsere gemeinsame Erklärung soll helfen den Teufelskreis gegenseitiger Aufrechnung und Schuldzuweisungen zu durchbrechen. Wir dürfen nicht Gefangene der Vergangenheit bleiben, sonst hätte die Vergangenheit letztlich gesiegt."
    "Wir werden uns nicht wegen dieses Themas auseinanderdividieren lassen"
    Doch trotz der Mahnung von Helmut Kohl und enger politischer und wirtschaftlicher Kontakte in der Gegenwart. Aktuell droht der Graben zwischen Berlin und Prag wieder tiefer zu werden. In der Flüchtlingskrise gehen die Meinungen weit auseinander. Das enge deutsch-tschechische Verhältnis werde jedoch auch diese Belastung meistern, so Tomas Kafka vom Prager Außenministerium.
    "Ich glaube, das diese Debatte ist nicht nur eine deutsch-tschechische, sondern eine europäische Debatte. Weil wir Deutschen und Tschechen uns aber vertrauen, können wir auch offen reden. Wir können einen Kompromiss finden, auch wenn es noch nicht soweit ist. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg uns nicht wegen dieses Themas auseinanderdividieren zu lassen."
    Tatsächlich sind beide Regierungen bemüht, den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Ein neu vereinbarter strategischer Dialog sorgt für regelmäßige Kontakte, nicht nur auf der großen politischen Bühne. Auch Länder und Gemeinden, vor allem in den Grenzregionen Bayern und Sachsen, sind verstärkt ein Teil des nachbarschaftlichen Dialoges. Das nachhaltige Vertrauen zwischen beiden Gesellschaften – so die gemeinsame Überzeugung - müsse auch auf diesen Ebenen weiter wachsen.