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20 Jahre nach der Bahnreform
Noch immer Herrin der Schiene

Gut angebunden oder abgehängt? Vor 20 Jahren entstand die Deutsche Bahn in ihrer heutigen Form. Die Länder bestimmen, wie viele Nahverkehrs- und Regionalzüge in ihrem Gebiet fahren sollen und es herrscht zudem Wettbewerb auf der Schiene. Doch alle Probleme konnte die Reform längst nicht beseitigen.

Von Helmut Frei | 23.04.2014
    Teil des Berliner Hauptbahnhofs (tief), aufgenommen am 12.09.2013. Der Bahnhof beherbergt fünf Verteilerebenen, der Höhenunterschied zwischen der obersten und untersten Ebene liegt bei 25 Metern. Foto: Peter Endig
    Der Berliner Hauptbahnhof: Noch immer hat die Bahn auf den meisten Strecken ein Monopol. (picture alliance / dpa / Peter Endig)
    "Ich darf Sie noch mal begrüßen bei der Bahnpartei der Bundesrepublik Deutschland: Bündnis 90 – Die Grünen (Beifall) Hier gehören Sie, lieber Herr Bodewig, hin, auch wenn Sie Mitglied der SPD sind."
    Lang, lang ist´s her. Februar 2001 beim Bundesparteitag der Grünen in Stuttgart. Fritz Kuhn, heute Stuttgarter Oberbürgermeister - damals noch Parteichef der Grünen, begrüßt Kurt Bodewig. Der SPD-Politiker kommt als Bundesverkehrsminister.
    Inzwischen würden sich viele Grüne dagegen verwahren, als Angehörige der „Bahnpartei" bezeichnet zu werden. Dagegen liebäugeln grüne Spitzenpolitiker mit schnellen Autos. Wenige Tage vor der letzten Bundestagswahl besuchte Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Automesse IAA in Frankfurt. Ein Zeitungsfoto zeigt den grünen Regierungschef Baden-Württembergs, wie er andächtig den Ausführungen des Porsche-Chefs lauscht. Zuhause erscheint er zu keiner Feier, die irgendwie mit Stuttgart 21 zu tun hat.
    Dennoch bemüht sich das Land um gute Zusammenarbeit mit der mächtigen Staatsbahn. So etwa Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann anlässlich der Inbetriebnahme eines modernen Wartungszentrums für Nahverkehrszüge in Ulm:
    "Ich will an dieser Stelle auch sehr herzlich mein Dankeschön an die Deutsche Bahn insgesamt ausdrücken. Auch wenn wir da und dort kritisieren oder auch mal streiten, so wissen wir doch sehr, sehr zu schätzen, was die Deutsche Bahn in Baden-Württemberg investiert und was die Deutsche Bahn auch im Alltag leistet. Denn es ist halt so, dass sie mehr als zwei Drittel aller Personenverkehre auf der Schiene im Land Baden-Württemberg zu verantworten haben. Und es ist ja nicht so, dass man nur im Stau steht oder dass man zu spät kommt, sondern Vieles funktioniert auch Tag für Tag sehr gut. Dankeschön dafür!"
    Neuer Wettbewerb
    Die Bundesländer und die Deutsche Bahn sind Partner beim Erhalt und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Im Zusammenhang mit der Bahnreform vor 20 Jahren, bei der aus Deutscher Bundesbahn und Deutscher Reichsbahn die Deutsche Bahn AG wurde, beschloss der Bundestag auch neue Regeln für den Nah- und Regionalverkehr.
    Das Stichwort lautet Regionalisierung. Seit 1996 bestimmen die Länder, wie viele Nahverkehrs- und Regionalzüge in ihrem Gebiet fahren sollen. Und seitdem herrscht zudem Wettbewerb auf der Schiene. Nach EU-Recht müssen die regionalen Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs die geplanten Verbindungen ausschreiben. Der Auftrag soll an das Unternehmen mit dem günstigsten Angebot gehen. Wie in allen Bereichen sind die billigsten Angebote meist nicht die besten. Die zuständigen Einrichtungen der Länder entscheiden dann, ob und wo die Deutsche Bahn oder ein anderes Unternehmen "zum Zug kommt".
    "Also man kann sagen, dass die Regionalisierung des Nahverkehrs ein absolutes Erfolgsmodell darstellt", urteilt Thomas Geyer. Er ist der Chef des Zweckverbandes, der im nördlichen Rheinland-Pfalz für den Nahverkehr auf Schienen verantwortlich ist, und gleichzeitig Präsident einer Arbeitsgemeinschaft, die sich um die Bahn in der Fläche kümmert. Vor allem zwei Gründe sieht Thomas Geyer für die von ihm beobachtete Erfolgsgeschichte:
    Auf einer Anzeigetafel im Hauptbahnhof stehen am 05.12.2013 in Hamburg Hinweise zu Verspätungen durch das Unwetter.
    An vielen Verspätungen trägt die Bahn keine Schuld - hier wegen des Orkans Xaver (dpa / picture alliance / Tobias Kleinschmidt)
    "Erstens, dass die Verantwortung für die Gestaltung des Nahverkehrs nach unten, sprich vor Ort gelegt wurde, hat den entscheidenden Vorteil gebracht, dass die handelnden Akteure einfach näher am Geschehen sind; damit auch sachgerechtere Lösungen finden können. Ad 2: Wir haben natürlich – das muss man auch rückblickend sagen – eine hinreichende Finanzausstattung vorgefunden. War 'ne gute und verlässliche Kontinuität in der Mittelausstattung, und das war eine der entscheidenden Grundlagen, warum des so gut funktioniert hat."
    Knappe Mittel
    Aber die Mittel werden überall knapper. Schon lange ist fraglich, ob sich der Personennahverkehr auf Schienen im heutigen Umfang aufrechterhalten, geschweige denn ausbauen lässt. Und nach wie vor bremsen Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der Deutschen Bahn und zulasten vor allem kleinerer Verkehrsunternehmen die Regionalisierung. Der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn AG will dem Verkehrskonzern die Verwaltung und Kontrolle des Schienennetzes nicht wegnehmen.
    Die Deutsche Bahn baue weiterhin auf die volle Rückendeckung durch den Bund, klagt Engelbert Recker vom Verband „Mofair", in dem viele kleine Bahnunternehmen zusammengeschlossen sind. Unter anderem müssten die Wettbewerber mehr für den Strom bezahlen als die Deutsche Bahn. Außerdem bekämen sie weniger für den Strom, den ihre modernen Fahrzeuge ins Bahnstromnetz zurückspeisen.
    Derzeit muss sich das Staatsunternehmen vor Gericht mit einigen Nahverkehrs-Trägern auseinandersetzen. Sie werfen der Deutschen Bahn vor, ungerechtfertigt hohe Trassen- und Stationspreise kassiert zu haben. In den nächsten Wochen oder Monaten ist mit den Urteilen zu rechnen. Auch Engelbert Recker bemängelt die hohen Nutzungskosten.
    "Die Situation ist einfach so, dass diese Preise die Regionalisierungsmittel auffressen, und früher oder später können wir zwar die Schiene bezahlen, aber wir können nicht drauf fahren, weil nicht genügend Mittel dafür bereitstehen."
    Entwertung öffentlicher Gelder
    Eine Kommission, die verlässliche Daten für Bund und Länder liefern soll, bestätigt diese Einschätzung. Sie spricht unverblümt von einer „Entwertung" der Regionalisierungsmittel, die die öffentlichen Kassen zur Verfügung stellen. Das Geld fehle für kundenfreundlichere Fahrpläne und modernere Züge.
    Die Einnahmen aus der Netzsparte der Deutschen Bahn fließen zum einen in den Bundeshaushalt. Ein anderer Teil wird für Investitionen genutzt, die aus Sicht vieler Unternehmen des deutschen Schienen-Nahverkehrs kontraproduktiv sind. Dazu zählen nach Ansicht von Engelbert Recker Buslinien der Deutschen Bahn in Schweden, Slowenien und anderen Staaten.
    "Die Deutsche Bahn ist in mehr 136 Ländern der Welt unterwegs, vom Kai in China bis in Frankreich im Nahverkehr oder in Italien im Fernverkehr oder auch in Großbritannien. Die Frage ist: Muss die Deutsche Bahn da, wo sie weltweit tätig ist, mit Steuergeldern unterstützt werden, die sie aus dem Netz bekommt."
    Eine grundsätzliche Kurskorrektur fordert der Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim. Zu lange habe sich die Deutsche Bahn auf Großprojekte konzentriert und die bestehende Schieneninfrastruktur sträflich vernachlässigt. Pauschal trifft das nicht zu. Denn die Bahnreform brachte einen Aufschwung, der auch in die Provinz ausstrahlte. Zwar wurden Verbindungen gestrichen, aber andererseits gingen einst stillgelegte Nebenbahnen wieder in Betrieb. Dennoch bleibt Heiner Monheim dabei, dass unter Bahnchef Hartmut Mehdorn selbst manche Linie von überregionaler Bedeutung fast totrationalisiert worden sei.
    Mehr Flexibilität
    "Als der Mehdorn begonnen hat, hat er als Erstes sich Zahlen vorlegen lassen: So 'ne durchschnittliche Weiche kostet so im Jahr 80.000 an Betriebskosten. Naja, hat er gesagt, nehmen wir die Hälfte raus. Das ist so, wie wenn ich sagen würde: Autobahnkreuze sind auch sehr teuer, jedes zweite machen wir zu. Der ADAC würde sofort Amok laufen, und im Bahnbereich ist das gemacht worden."
    Heiner Monheims Alternative: statt Konzentration auf ein Kern-Netz mit wenigen großen und gut ausgebauten Linien ein flexibles Schienennetz für die Fläche, einschließlich Gleisanschlüsse für Fabriken und Speditionen:
    Der frühere Bahnchef Hartmut Mehdorn
    Immer noch in der Kritik: Ex-Bahnchef Mehdorn (AP)
    "Flexibilität im Netz bedeutet: es gibt viel mehr Weichen, es gibt eine dezentrale Betriebssteuerung. Also da kann ein Zug den anderen überholen, ohne dass er zwanzig Kilometer hinter dem langsamen Güterzug her bummeln muss. Und deswegen sind die Weichen so ein zentrales Thema."
    Eine Fabrikhalle der Westerwälder Eisenwerke. Ein mittelständischer Betrieb, der sich auf die Herstellung von Tankcontainern spezialisiert hat. Ein Geschäft mit Zukunft, weil immer mehr Güter in Containern transportiert werden, auch Gase und Flüssigkeiten. Die Westerwälder Eisenwerke sind in Weitefeld zuhause. Der Ort liegt etwas abseits der großen Verkehrsachsen. Er gehört zum rechtsrheinischen Kreis Altenkirchen, der sich eine eigene Eisenbahn leistet. Sie fährt auf wenigen Linien, die die Deutsche Bahn längst aufgegeben hat, Nahverkehrszüge.
    Die Strecke, an der Weitefeld liegt, wäre sogar für den Transport sperriger Güter wie der fabrikneuen Tankcontainer geeignet. Und dieser Güterverkehr könnte eine zusätzliche Einnahmequelle für diese kleine Bahn sein, um den Personenverkehr der Westerwaldbahn erhalten zu können. Allerdings müsste sich die Deutsche Bahn dafür intensiver um kleinere Kunden bemühen. Sie kümmere sich jedoch nicht um Basiskontakte, meint der Verkehrswissenschaftler Monheim:
    "Es fehlen die Leute, die zum Beispiel Klinken putzen, also die gewissermaßen vor Ort das Marketing und die Werbung für die Bahn machen, die Bahnverkehr verkaufen. Im Prinzip träumen die alle von der vollautomatischen, durchrationalisierten Bahn, die aber im demografischen Wandel die falsche Antwort ist. Also Mobilitätsservice geht nur mit Menschen."
    Thomas Geyer vom Zweckverband Schienenpersonennahverkehr im nördlichen Rheinland-Pfalz vermisst politische Signale, um den Bahnverkehr zu stärken:
    "Was uns natürlich zu denken gibt, ist, dass der tatsächliche Anteil derjenigen, die jetzt öffentliche Verkehrsmittel nutzen, am Gesamtverkehrsaufkommen eigentlich nur sehr marginal wächst, wenn überhaupt. Wenn ich´s auf den Schienenpersonenverkehr herunterbreche, reden wir von sieben, acht Prozent etwa, bundesweit gesehen. Das ist natürlich zu wenig, und es ist auch dringendst erforderlich, dass man sich auch hier politische Zielsetzungen einfach mal vornimmt. Das haben andere Länder auch getan. Der Schienenverkehr in der Schweiz hätte sich garantiert nie so entwickelt, wenn die Politik nicht klar gesagt hätte: Wir haben 'ne Zielsetzung, wo wir hinwollen; und ich denke, das müsste für diese Republik auch möglich sein, dass man sagt: Wir wollen kurzfristig die zehn Prozent knacken und langfristig brauchen wir zwanzig Prozent."
    Grüne Schwarze in Schwaben
    "Und es wäre natürlich vielfach auch gut, wenn verantwortliche Politiker konsequent mit dem Zug fahren würden, weil die Menschen das sehen." Hermann Vogler macht das konsequent. Der frühere Oberbürgermeister der oberschwäbischen Stadt Ravensburg ist ein Konservativer, der sich während seiner ganzen kommunalpolitischen Laufbahn für den Ausbau des Schienenverkehrs in seiner Heimat eingesetzt hat. Manche nennen ihn einen grünen Schwarzen. Nach anfänglichem Zögern gaben auch Voglers politische Freunde von der CDU grünes Licht, sich finanziell an der Umgestaltung des Ravensburger Bahnhofs zu beteiligen. Der ist wieder zu einem ansehnlichen Ort geworden.
    Außerdem setzten Kommunalpolitiker die Bodensee-Oberschwaben-Bahn auf Schienen. An dieser S-Bahn für den ländlichen Raum sind Kreise und Städte der Gegend beteiligt. Sie fährt im Takt zwischen den Regionalzügen der Deutschen Bahn.
    "Verkehrspolitik braucht immer die Wurzeln auch in der Region, in den Städten, in den Landkreisen. Die Bodensee-Oberschwaben-Bahn ist wirklich unsere Bahn. Und da haben auch die politischen Führungskräfte von Anfang an zusammengehalten und nicht kleinlich mit Komma-Rechnung Anteile verklickert, sondern wir haben gesagt: Kommt Leute, wir wollen das, das macht Sinn, und wir haben es auch geschafft, mit schönen Zügen und mit gutem Service und vor allem auch – sagen wir mal – überzeugender politischer Unterstützung vor Ort das zu unserer Bahn zu machen. Und die Leute sind ja von Anfang an drauf gesprungen auf die Bahn."
    Ein solcher Erfolg spricht für regionale Bahnprojekte. Dennoch bleibt vielerorts das Problem, dass zu wenig Geld für Betrieb und Instandhaltung zur Verfügung steht. Nicht nur in Ballungsgebieten wie an Rhein und Ruhr gibt es die Tendenz zu flächendeckenden Lösungen aus einer Hand – und dafür kommt oft nur der Staatskonzern Deutsche Bahn infrage.
    Andrerseits geraten Kreise und Gemeinden, selbst Bundesländer unter Zugzwang, weil sich die Staatsbahn von ihnen auch Fernverkehrsleistungen bezahlen lässt. Beispiel Baden-Württemberg. Im Februar feierten Deutsche Bahn und Landesregierung einen Vertrag, der ab 2017 einen verbesserten Bahnverkehr auf der Achse Stuttgart-Zürich vorsieht. Dann will die Deutsche Bahn auf dem baden-württembergischen Teilabschnitt neue IC-Züge anbieten. Diese sollen zu Nahverkehrstarifen genutzt werden können. Für die entsprechenden Mindereinnahmen kassiert die Deutsche Bahn vom Land einen finanziellen Ausgleich. Fernverkehr ist jedoch keine Aufgabe der Länder, sondern des Bundes.
    Rückzug aus der Fläche?
    Kritiker vermuten, dass sich die Deutsche Bahn nicht nur beim Schienennahverkehr aus der Fläche zurückziehe, sondern auch beim Fernverkehr. Thomas Geyer von der Bundesarbeitsgemeinschaft für den Schienen-Nahverkehr sieht hierfür etliche Beispiele und folgert:
    "In der Konsequenz haben wir tatsächlich die Situation, dass die Aufgabenträger für den Nahverkehr genötigt sind, immer stärker auch in Teilbereiche des Fernverkehrs hinein zu gehen. Lang laufende Regionalexpress-Linien gehören mittlerweile zum Standard. Ich persönlich halte das nicht für richtig. Der Bund ist eigentlich in der Verpflichtung, im Sinne gleichwertiger Lebensbedingungen dafür Sorge zu tragen, dass mindestens alle Oberzentren dieser Republik vom Fernverkehr erschlossen werden. Das ist nicht zwingend eine Aufgabe des Nahverkehrs."
    Der Zug des privaten Bahnbetreibers Hamburg-Köln-Express (HKX) fährt am Montag (23.07.2012) in Köln in den Hauptbahnhof ein. HKX hat am Montag den Bahnbetrieb auf der Strecke Köln-Hamburg aufgenommen.
    Rückzug aus dem Fernverkehr? Die Strecke von Köln nach Hamburg befahren mittlerweile auch private Anbieter. (picture alliance / dpa/ Oliver Berg)
    In den ersten Jahren nach Verabschiedung der Bahnreform ruhten die Hoffnungen auf den privaten Eisenbahn-Unternehmen. Tatsächlich belebte der Wettbewerb das Geschäft auf der Schiene. Aber die schon erwähnten Einschränkungen und Kosten bremsten die Entwicklung. Manche Unternehmen, die mit viel Vorschusslorbeeren starteten, erfüllten die Erwartungen nicht.
    Der Hamburg-Köln-Express auf dem Weg vom Rhein an die Elbe. Auf die Schiene gebracht haben den HKX amerikanische Investoren. Die Fahrgäste sind im Großen und Ganzen zufrieden:
    "A 1, weil er günstiger ist, und a 2, weil mir das ein Arbeitskollege empfohlen hat. Wenn das Richtung Süden wäre, 'ne Strecke bis München zum Beispiel, würden wir das auch mal gerne in Anspruch nehmen. Aber ansonsten fahren wir immer mit dem Auto."
    "Vom Preis-Leistungs-Verhältnis ist es ok."
    "Ist bequem, also kann man jetzt nicht anders sagen."
    Dennoch konnte der Hamburg-Köln-Express nicht so überzeugen wie von seinen privaten Organisatoren angekündigt. Sie mussten mangels Nachfrage den Fahrplan ausdünnen. Eva Kreienkamp, die Geschäftsführerin des HKX, macht dafür nicht zuletzt die Deutsche Bahn verantwortlich.
    "In dem Informationsportal der Bahn können unsere Fahrkarten leider nicht gebucht werden. Es ist auch so, dass wir leider nicht an Bahnhöfen im Reisezentrum präsent sein können, weil offensichtlich Bahnhöfe anders funktionieren als Flughäfen, wo das gang und gäbe ist, dass die verschiedenen Anbieter gleichberechtigt nebeneinander sind. Also da gibt´s noch ein bisschen Potenzial für Verbesserungen auch in vertrieblicher Hinsicht."
    Bahnhöfe sind Infrastruktur
    Rückendeckung gibt Engelbert Recker von Mofair, dem Interessenverband privatwirtschaftlicher Eisenbahnunternehmen:
    "Die Bahnhöfe gehören ohnehin zur Eisenbahninfrastruktur. Die gehören gar nicht der Deutschen Bahn. Die Deutsche Bahn darf die verwalten. Und wenn ich etwas verwalte, dann muss ich das neutral verwalten. Das ist ja überhaupt auch gar kein Problem. Die Deutsche Bahn gibt die Bahnhöfe ab und den Vertrieb und dann gehen Sie zu dem Schalter und sagen: Ich möchte von dem und dem Unternehmen für die und die Fahrt ein Ticket. Ja, und dann verkauft er Ihnen das."
    Aber wäre beispielsweise die Lufthansa bereit, den Ticketverkauf im Flughafen an ein Team abzugeben, dem es letztlich egal sein muss, ob der Kunde mit Lufthansa oder Air France, mit Air Berlin oder Ryanair fliegt? Und wer setzt die Maßstäbe für den Service? Jedoch auch in Kooperationen mit staatlichen Bahnen empfiehlt sich die Deutsche Bahn AG nicht immer als verlässlicher Geschäftspartner.
    Abendliche Rushhour auf dem Kölner Hauptbahnhof. Der Hochgeschwindigkeitszug Thalys steht zum Einsteigen bereit. Eine günstige und schnelle Verbindung nach Paris. Wer allerdings im Reisezentrum eine genaue Auskunft erwartet oder eine Fahrkarte kaufen möchte, wird enttäuscht. Er muss zur Thalys-Agentur außerhalb des Bahnhofs gehen. „Wir haben die Zusammenarbeit mit Thalys seit 2013 eingestellt", sagt eine Deutsche Bahn-Mitarbeiterin.
    Zurück aus dem Thalys
    Jahrelang warb die Deutsche Bahn für das Gemeinschaftsprojekt mit der französischen und belgischen Staatsbahn. Heute möchte sie davon nichts mehr wissen, zieht sich bis 2015 komplett aus der Gesellschaft zurück. Wirtschaftliche Gründe wurden genannt. Man setze auf die eigenen ICE-Verbindungen. In der Lautsprecheransage taucht der Thalys nicht mehr mit seinem richtigen Zugnamen auf, sondern nur noch als Kürzel im Eisenbahnerjargon.
    Beim Schienen-Regionalverkehr gab es schon einige Anläufe aus der Politik, um die Unsicherheiten zu beenden und klare Regeln für die Deutsche Bahn und ihre Wettbewerber zu formulieren. Die entsprechenden Gesetze lassen noch auf sich warten.
    Für Baden-Württemberg bedeutet das allein für das laufende Jahr: Das Land schießt etwa 100 Millionen Euro zu, um die Aufgaben im Schienennahverkehr zu erfüllen. Wirklich planen und strategisch vorgehen kann man unter diesen Voraussetzungen nicht. Landes-Verkehrsminister Winfried Hermann:
    "Wir reden ja viel über Ausschreibungen in Baden-Württemberg. Wir machen Pläne, wie sollen Züge in den nächsten 20 Jahren fahren, wie soll das finanziert werden – und wir wissen heute nicht, ob und wie das Regionalisierungsgesetz mit den Regionalisierungsmitteln am Ende des Jahres weitergeführt wird. Also im Grunde genommen müssten wir eigentlich stillschweigend abwarten, bis da was entscheiden ist, tun wir aber nicht, weil das wär fatal."