Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


20 Jahre "Sound of Cologne"

Ende der 90er-Jahre galt Köln als Mekka der elektronischen Musik. Wesentlichen Anteil daran hatte das Label Kompakt, das den als "Sound of Cologne" bekannten Minimal-Techno entscheidend mitprägte. In diesen Tagen feiert es 20-jähriges Bestehen. Ans Aufhören denken die Betreiber nicht.

Von Ina Plodroch | 15.03.2013
    "Wo Kompakt drauf steht, ist auch Kompakt drin."

    Darauf besteht Wolfgang Voigt, wenn er über sein Label spricht. Stimmt auch: Kompakt ist eine Marke, die für Minimal Techno aus Köln steht. Techno veränderte die Hörgewohnheit. Kein Star, kein Refrain - Computermusik. Oder auch: Körpermusik, die Euphorie auslöste. Auch bei Wolfgang Voigt.

    "Vor 20 Jahren ging es rund um die Uhr um Techno. Man hat nur darüber geredet, hat das nur gemacht und hatte Tag und Nacht damit zu tun."

    Gemeinsam mit Freund Jörg Burger, Jürgen Paape und Bruder Reinhard Voigt hat er Anfang der 90er den ersten eigenen Plattenladen eröffnet: Delirium. Sie produzierten eigene Tracks und verkauften tagsüber schwarzes Vinyl für die Nächte im Club. Aus dem Plattenladen Delirium und unzähligen kleinen Labels wurde bald Kompakt – Plattenladen und Label. Viervierteltakt, gerade Basedrum. Keine Vocals, keine Hooklines. Einfach nur ein Groove. Das ist Minimal Techno. Kompakt hat eine eigene Kölsche Spielart entwickelt.

    "Die ist halt etwas melodiöser, manchmal auch abstrakter. Also wir haben auch schon Schlager mit Techno gekreuzt."

    Der Kompakt-Sound: zurückgelehnt, reduziert. Nicht so hektisch wie in Frankfurt, nicht so hart und kalt wie in Berlin. Kompakt hat damit den "Sound of Cologne" geprägt, erinnert sich Hans Nieswandt: DJ, Journalist aus Köln.

    "Für einen gewissen historischen Moment, den ich so um 1996 festmachen würde, gab es tatsächlich so etwas, einen definierbaren ‚Sound of Cologne‘. Wirklich als eine Art Musikstil. Das war extrem stark geprägt von Mike Ink, dem ganzen Hause Kompakt."

    Wolfgang Voigt hat als Mike Ink den klaren und reduzierten Sound entwickelt. Fast im Sinne einer Bauhaus-Architektur, wie Nieswandt es beschreibt. Ein Hype. Ende der 90er galt Köln als Mekka der elektronischen Musik, vor allem wegen Kompakt.

    "Wir haben aber gemerkt, wenn man das zu sehr bedient, dann passiert uns das, was Jahre zuvor mit Chicago-Acid passiert ist: Du wirst ein Jahr lang gehypt wie verrückt und danach kommt dann die Bravo-Phase und dann bist du tot."

    Kompakt hat sich verändert, klingt weniger anarchistisch nach dem rohen minimalen Klang, sondern immer auch mal nach Techno in einem Pop-Gewand. Seit 20 Jahren ist das Label international relevant. Und wirtschaftlich erfolgreich. Obwohl es doch eigentlich eine Krise gab Anfang der 2000er. Die großen Plattenfirmen verzeichneten Verluste.

    "Wir hatten unseren Sound, unseren Style und wir waren etabliert, wir waren wirtschaftliche vernünftige Jungs, wir haben nicht über unsere Verhältnisse gelebt und wir haben unser kaufmännisches Einmaleins gemacht. Man hatte auch Glück."

    Kompakt bedeutete nach der Jahrtausendwende: Plattenladen, Vertrieb, Künstleragentur und klar, Label. Heute sitzen 27 Mitarbeiter im Großraumbüro über dem Plattenladen. Die Verkaufszahlen sind aber auch in Köln gesunken: Eine 12-Inch-Single verkauft sich nicht mehr 2000 Mal, sondern höchstens 300 oder 400 Mal. Der Rest sind billige digitale Downloads. Neben Minimal Techno und Club-Hits veröffentlicht Kompakt auch experimentelles, wagt Ausflüge in den Pop, liebt auch Ambient. Flächige, elektronische Musik ohne Beats.

    Techno ist heute keine neue Musik mehr. Trotzdem: Junge Leute begeistern sich für den Viervierteltakt. Und die Anhänger von damals gehen auch heute noch in die Clubs und tanzen gemeinsam mit der nächsten Generation. Wolfgang Voigt zieht deshalb ein realistisches Resumé. An Aufhören ist nicht zu denken.

    "Die Peaks sind lange überschritten, sowohl was Innovation und Aufregung betrifft, was den Hype der Kultur betrifft, auch was Verkaufszahlen betrifft. Das ist so. Wir sind jetzt auf einem ruhigeren, solideren Kurs. Es gibt nach wie vor Musik, wir bringen sie raus - that’s it."