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20 Jahre Spiegel Online
Kampf um Klicks und Anzeigen

Vor genau 20 Jahren ging "Spiegel Online" als eines der ersten deutschen Nachrichtenportale ins Netz. Die Pioniere des Online-Journalismus gehören bis heute zu den wenigen News-Seiten, die Geld verdienen. Doch auch SPON hat mit Problemen zu kämpfen.

Von Daniel Bouhs | 25.10.2014
    Die App von «Spiegel Online» ist am 07.10.2014 in Hamburg auf dem Display eines Smartphone zu sehen.
    Die 'Spiegel Online'-App (picture alliance / dpa / Marcus Brandt)
    "Irgendetwas Bildstarkes noch?"
    "Nicht im Stapel gewesen..."
    Hamburg, das gläserne "Spiegel"-Gebäude auf der Ericusspitze. Im obersten Stockwerk entsteht das Nachrichtenportal "Spiegel Online". Die Chefs vom Dienst ringen um die richtige Mischung: Nachrichten, Analysen, Hintergrund.
    Barbara Hans, stellvertretende Chefredakteurin, erklärt: "Die CvDs arbeiten im Schichtsystem von sechs Uhr in der Früh bis nachts um halb eins, und dann übernimmt die Kollegin in Australien während Deutschland schläft und stellt die Texte auf die Seite."
    "Spiegel Online" hat einst als Experiment begonnen. Heute produziert das Portal eine Großredaktion aus 150 Redakteuren. Eilmeldungen sind für sie oft Alltag – aber längst nicht alle.
    Jeder habe seinen eigenen 'Spiegel Online'-Moment, sagt Hans. "Mein persönlicher ist ganz klar Fukushima." Die Tage nach der Reaktorkatastrophe seien in jeder Hinsicht Ausnahmezustand für die Redaktion gewesen. "Zu sehen, wie diese Redaktion funktioniert, wie still es wird im Großraum, wenn richtig was passiert, das ist schon sehr beeindruckend gewesen. Das hat mich sehr geprägt."
    An solchen Tagen merkt "Spiegel Online" immer wieder, wie beliebt das Portal bei den Nutzern ist: Die Zugriffe schnellen in die Höhe. Besonders eindrucksvoll war das nach den Anschlägen in den USA im Jahr 2001. Damals war der Informationshunger so groß, dass die Redaktion sogar eine Sonderseite schalten musste, die "9/11"-Interessierte vom übrigen Angebot weglotste – damit der Server nicht kollabierte.
    Jörg Sadrozinski hat lange "Tagesschau.de" geleitet, die Konkurrenz. Er räumt ein: "Spiegel Online" galt lange als das Maß aller Dinge – auch in seiner Redaktion:
    "Das war natürlich geschuldet dem Umstand, dass die schon '94 gestartet sind. Alle anderen sind erst später dazu gekommen. Und natürlich hat man dann geguckt: Was machen die Kollegen?"
    Print und Online versöhnen - eine schwierige Aufgabe
    Heute leitet Sadrozinski die Deutsche Journalistenschule in München. Er bildet den Nachwuchs aus. "Spiegel Online" sei unter jungen Journalisten beliebt, für Praktika und dann für einen Job. Mit schnellen und oft exklusiven Meldungen habe die Redaktion nicht nur die Agenda gesetzt, sondern auch die Art, wie Journalismus im Netz funktioniert, sagt er:
    "Sie hat die Online-Sprache mit geprägt, also so einen etwas flapsigeren Stil, der sich auch vom Heft unterscheidet. Ich glaube, das war schon sehr stilprägend auch für Online-Journalismus insgesamt."
    Überhaupt: der Unterschied zum Heft, zum gedruckten "Spiegel". Der Plan, die beiden Redaktionen zusammenzuführen, ist zuletzt auf heftigen Widerstand gestoßen – bei den etablierten Magazinjournalisten. Online-Journalistin Hans zeigt Verständnis:
    "Da ist viel zu tun. Wir haben natürlich die Besonderheit, dass wir zwei Geschwindigkeiten haben, die sehr weit auseinander sind – also ein Wochenmagazin auf der einen Seite und das Minutenaktuelle."
    Print und Online miteinander zu versöhnen ist das eine, den Online-Journalismus immer weiter zu entwickeln, das andere, denn auch hier sind die Baustellen groß: Die klassische Startseite mit sorgfältig gewichteten Nachrichten reicht nicht mehr. Was künftig zählt, sind vor allem Empfehlungen in sozialen Netzwerken. Doch hier herrscht ein anderer Stil. Er ist noch mal lockerer als im klassischen Internet. Ob das zu der mit Seriosität so sehr aufgeladenen Marke "Spiegel" passt?
    Und dann die Nutzung: Menschen gehen längst nicht mehr nur am Schreibtisch online, sondern von überall aus und das jederzeit – mobil. Auch das fordert von Journalisten neue Konzepte. Was gibt "Spiegel Online"-Vize Barbara Hans das Vertrauen, dass ihre Redaktion auch in diesem Zeitalter die Nase vorn haben wird?
    "Die 150 Leute, die da sitzen. Das ist für uns ein riesiger Vorteil, den wir jetzt auch merken bei den 20 Jahren, auf die man zurückblickt. Unser größtes Kapital ist die Redaktion."
    150 Redakteure bei "Spiegel Online", dazu ein paar hundert Kollegen beim Magazin und die Mannschaft von Spiegel TV – das ist ein Argument. Doch wer groß und mächtig ist, hat auch viel zu verlieren. Damit hat für "Spiegel Online" der Kampf um das Nachrichtenportal der Zukunft gerade erst begonnen.