Donnerstag, 18. April 2024

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20. Juli
Ein langer Weg zur Anerkennung des Widerstands

Die rechtliche Einordnung des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 sei in der Bundesrepublik lange "außerordentlich umstritten" gewesen, sagte der Politikwissenschaftler Joachim Perels im Deutschlandfunk. Gelegentlich sei die Frage der Legalität des Widerstands bis heute rechtlich nicht ganz aufgearbeitet.

Joachim Perels im Gespräch mit Birgid Becker | 20.07.2014
    Eine Besucherin betrachtet am 01.07.2014 in der neugestalteten Dauerausstellung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin eine Wand mit Porträts. In den historischen Räumen des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 zeigt die neue Dauerausstellung Widerstand gegen den Nationalsozialismus in 18 Themenbereichen die soziale Breite und weltanschauliche Vielfalt des Kampfes gegen die nationalsozialistische Diktatur.
    Gedenkstätte Deutscher Widerstand (picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka)
    Beim Attentat auf Hitler am 20. Juli habe es sich sicherlich um eine mutige Tat gehandelt, sagte der Politikwissenschaftler Joachim Perels im Deutschlandfunk. Die Frage sei aber vielmehr gewesen, "ob es rechtlich in Ordnung war, ob man das durfte, den Diktator mit Gewalt aus dem Leben in den Tod zu befördern". Das sei im Anfang der Geschichte der Bundesrepublik "außerordentlich umstritten" gewesen. So habe noch 1956 der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Attentäter und ihre Mitverschwörer zu Recht umgebracht worden seien. Man dürfe auch dem nationalsozialistischen Staat nicht das Recht auf Selbstbehauptung absprechen, sei zur Begründung erklärt worden.
    Ein Grund für die Haltung sei auch die personelle Kontinuität in der Beamtenschaft vom Regime des Nationalsozialismus bis in die Bundesrepublik hinein gewesen, sagte Perels. Nach der anfänglichen Entnazifizierung seien drei Viertel der Richter und Staatsanwälte Anfang der 50er-Jahre wieder im Amt gewesen. Ein Grund dafür, die Beamten wieder zurückzuholen, sei der Kalte Krieg gewesen.
    Die Haltung der Gerichte habe sich nur ganz allmählich geändert, erklärte Perels. Erst 1995 habe der Bundesgerichtshof eine Wendung in Gang gebracht, seine frühere Haltung korrigiert und von Bluturteilen gegen die Attentäter gesprochen. Dass die Frage von Legitimität und Legalität des Widerstands bis heute rechtlich nicht ganz aufgearbeitet sei, zeige ein Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus, das einem Widerstandskämpfer, dessen Güter beschlagnahmt worden waren, eine Entschädigung verweigert habe, und zwar mit Kategorien, als ob der NS-Staat ein Rechtsstaat gewesen sei.
    Das gesamte Interview können Sie mindestens fünf Monate lang in unserem Audio-on-demand-Angebot abhören.