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200 Jahre Städel in Frankfurt
Ein Museum für alle

Vor 200 Jahren entstand das Städelmuseum aus der ersten bürgerlichen Kunststiftung. Das Haus legt großen Wert darauf, alle gesellschaftlichen Schichten anzusprechen. Vom Fußballfan bis zu arbeitslosen Jugendlichen - sie alle sollen sehen, wie bereichernd Kunst sein kann.

Von Ludger Fittkau | 11.03.2015
    195 Bullaugen aus bruchsicherem Spezialglas wölben sich hinter des "alten" Städel über der Halle des neuen Erweiterungsbaus am Dienstag (14.02.2012). Durch die Bullaugen fällt Licht in die unterirdischen Ausstellungsräume, die in der kommenden Woche eröffnet werden. Jährlich ziehen die Kunstwerke des Städel mehrere hunderttausend Besucher an. Der unterirdische Erweiterungsbau soll auch architektonisch neue Akzente setzen.
    195 Bullaugen aus bruchsicherem Spezialglas wölben sich hinter dem "alten" Städel über der Halle des neuen Erweiterungsbaus. (picture alliance / dpa / Boris Roessler)
    Das Städel in Frankfurt am Main ist kein elitärer Kulturtempel - sondern eine demokratische Veranstaltung. Nicht nur, weil es die älteste deutsche Bürgerkunststiftung ist. Sondern weil auch Frankfurter Bürgerinnen und Bürger dort hingehen, die normalerweise nur im Fußballstadion anzutreffen sind. Wie Heribert Bruchhagen, der Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt:
    "Ich habe Beckmann gesehen, Kirchner. Die Expressionisten liegen mir mehr."
    Im Hessischen Rundfunk verrät der Fußballboss auch, was die Besucher aus seiner nordrhein-westfälischen Heimat machen, die eigentlich für Fußballspiele nach Frankfurt am Main kommen. Sie zieht es ins Städel:
    "Insgesamt erfahre ich vor allem, dass die Besucher, die hier zu Fußballspielen kommen aus meinem Bekanntenkreis aus Ostwestfalen, wo ich herkomme, immer noch als zweite Aktion neben dem Fußballspiel den Römer besuchen und auch das Museumsufer besuchen. Und dann ist das Städel natürlich herausragend. Von daher weiß ich um die Bedeutung des Städels."
    Doch beinahe hätte Frankfurt am Main dieses herausragende Museum nicht bekommen. Zwar hatte der Frankfurter Bankier und Gewürzhändler Johann Friedrich Städel im Testament festgelegt, dass seine große Kunstsammlung mit insbesondere großartigen holländischen Meistern der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Dazu hatte er entschieden, dass eine Bürgerstiftung gegründet werden soll, die als Träger der Sammlung fungiert.
    Ein "Städel-Paragraf" im Gesetz
    Doch die Städel-Erben erkannten das Testament nicht an. Ein jahrelanger Rechtstreit folgte, der sich schließlich sogar im Bürgerlichen Gesetzbuch widerspiegelte. Dort gibt es den sogenannten "Städel-Paragrafen" 84. Der besagt sinngemäß, dass der letzte Wille eines potenziellen Stifters anerkannt werden muss, auch wenn formalen Schritte zur Gründung der Stiftung noch nicht eingeleitet wurden. Die einstigen Wohnräume Städels am Frankfurter Rossmarkt dienten in den ersten Jahren zur Präsentation seiner Sammlung.
    Nach mehreren Umzügen, Kriegszerstörung und Wiederaufbau bietet das Städel seit 2012 ein neues architektonisches Highlight zur Präsentation der rund 1000 Werke zählenden Sammlung von Gegenwartskunst. Besucher wie der Ex-Bundesfinanzminister Hans Eichel sind zu Recht begeistert:
    "Mich beeindruckt der unterirdische Erweiterungsbau von Schneider und Schumacher, das sind ja Frankfurter Architekten, unglaublich. Weil auf der einen Seite durch die geschwungene Decke die Abstände, die die geschwungenen Bauten zur Decke einhalten, eigentlich immer ahnbar ist: Da ist die ganze Halle."
    Geschickt genutzte Passagen und Sichtachsen sind es, die immer wieder verblüffende Blicke auf Kunstwerke eröffnen, schwärmt Eichel:
    "Da sind erst die beiden, so wie es früher war, schmalen Gänge, die sich dann, um wieder eine Etage tiefer zu kommen, in einem großen Treppenhaus vereinen. Und diese Treppe zielt, wenn man von unten guckt,
    wieder auf Johann Wolfgang von Goethe in der Fassung von Warhol. Auch das ist wunderbar gemacht."
    Alle gesellschaftlichen Schichten ansprechen
    Die älteste deutsche Bürgerkunststiftung tut viel dafür, dass alle gesellschaftlichen Schichten den Weg in das Museum finden. Auch Führungen für verschiedene Patientengruppen wie Krebskranke oder Menschen mit Demenz werden angeboten. Solche Angebote gibt es auch in anderen Museum, doch im Städel sind sie besonders breit gefächert. Dr. Chantal Eschenfelder, Leiterin der museumspädagogischen Abteilung des Städel-Museums in Frankfurt:
    "Natürlich freuen wir uns auch über Besucher, die nur aus ihrem reinen Kunstinteresse kommen. Aber das Potenzial von Kunst ist sehr viel größer. Wir machen Projekte mit arbeitslosen Jugendlichen. Wir bieten Berufsorientierung an in einer Sommerakademie. Wir machen für alle Altersgruppen und für jeden Besuchsanlass ein Angebot, um zu zeigen, wie bereichernd die Auseinandersetzung mit unseren Werken aus 700 Jahren Kunst sein kann."
    Auch politisch, betont Eschenfelder. Denn es gehe um gesellschaftliche Teilhabe möglichst vieler Gruppen. Gut, das sich vor 200 Jahren die Erben Städels nicht durchgesetzt haben. Das Städel ist aus dem öffentlichen Raum in der Main-Metropole nicht wegzudenken. Für Kunstexperten und Fußballfans.