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2015 im Vatikan
Sex und Barmherzigkeit

Das Vatikanjahr mit Papst Franziskus war ereignisreich: Große Reisen, neue Skandale und die Familiensynode im Oktober haben 2015 geprägt - und immer wieder auch das Thema Barmherzigkeit, dem der Papst seit dem 8. Dezember ein ganzes Heiliges Jahr widmet.

Von Jan-Christoph Kitzler | 28.12.2015
    Am letzten Tag der Bischofssynode: Morgengebet von Papst Franziskus
    Am letzten Tag der Bischofssynode: Morgengebet von Papst Franziskus (dpa / picture alliance / Donatella Giagnori )
    In diesem Jahr gab es sogar kräftigen Applaus von den Kardinälen und Bischöfen der römischen Kurie bei der Ansprache des Papstes zum Jahresabschluss. Vor einem Jahr war die Reaktion noch deutlich verhaltener: Damals hatte Franziskus den Eminenzen und Exzellenzen die Leviten gelesen, ihnen "Spirituelles Alzheimer" vorgeworfen, "Gleichgültigkeit" und "Profitstreben" – zum Ende dieses Jahres ging er wieder darauf ein:
    "Im letzten Jahr sind wir einigen Versuchungen und Krankheiten begegnet. Die Liste der kurialen Krankheiten. Einige von ihnen wurden im Laufe dieses Jahres offensichtlich. Sie haben dem ganzen Leib nicht wenig Schmerzen bereitet und viele Seelen verletzt – auch durch den Skandal."
    Auf dem Büchertisch: "Via Crucis", das Buch von Emiliano Fittipaldi and Gianluigi Nuzzi über Vatileaks 2
    In Italien erschienen: "Via Crucis", das Buch von Emiliano Fittipaldi and Gianluigi Nuzzi über Vatileaks 2 (dpa / picture alliance / Ciro Fusco)
    Einen neuen Vatileaks-Skandal gab es zum Beispiel: zwei Bücher sind erschienen mit pikanten Details zu vatikanischem Finanzgebaren, Kardinälen, die in bis zu 500 Quadratmeter großen Wohnungen leben, Spendengeldern, mit denen Finanzlöcher gestopft werden. Ein Kuriengeistlicher tauchte auf, der in eine Sexaffäre verstrickt war, ein anderer, dem wegen Missbrauchsfällen der Prozess gemacht wurde – und schließlich gab es noch das medienwirksame Coming Out eines homosexuellen Mitarbeiters der Glaubenskongregation, der mit der Kurie hart ins Gericht ging. Den Papst trieb das um, auch gegenüber seinen Mitarbeitern:
    "Im Namen der Kirche möchte ich Euch um Vergebung bitten. Für die Skandale, die in letzter Zeit passiert sind, in Rom und im Vatikan. Ich bitte Euch um Vergebung."
    "Die Erde ist eine Leihgabe unserer Kinder"
    Es war aber auch das Jahr, in dem Franziskus endgültig zum Umweltpapst wurde. In seiner Enzyklika "Laudato Si'", die im Mai nach monatelanger Arbeit am Text veröffentlicht wurde, ruft er zur Bewahrung der Schöpfung auf – und zur "Sorge" aller Menschen "für das gemeinsame Haus". Damit wollte er auch Einfluss nehmen auf die Klimakonferenz in Paris:
    "Die Erde ist uns anvertraut worden, damit sie für uns wie eine Mutter ist, die jedem das gibt, was er zum Leben braucht. Die Erde ist kein Erbe, dass wir von unseren Eltern bekommen haben, es ist eine Leihgabe unserer Kinder, damit wir sie schützen, dafür sorgen, auf dass sie weiter besteht und sie ihnen zurückgeben."
    Papst Franziskus eröffnet die Bischofssynode in Rom.
    Papst Franziskus eröffnet die Bischofssynode in Rom. (picture alliance / dpa / Giuseppe Lami)
    Und dann gab es noch die drei Wochen der Bischofssynode im Oktober zum Thema Familie, mit den großen Streitpunkten, bei denen sich die katholische Kirche besonders schwer tut: dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, mit Homosexuellen, mit Sex und Verhütung. Für Papst Franziskus war das eine Bewährungsprobe:
    "Was der Herr von uns verlangt, ist schon alles im Wort Synode enthalten: zusammen gehen. Laien, Priester, der Bischof von Rom. Dass kann man leicht mit Worten ausdrücken, aber nicht so leicht in praktisches Handeln umzusetzen."
    Die Öffnung der katholischen Kirche, auf die viele gehofft hatten, gab es am Ende nicht. Franziskus hat sich aber für eine Dezentralisierung der Kirche auch in strittigen Fragen stark gemacht – und am Ende galt es schon als Erfolg, dass viele dieser Fragen offen gehalten wurden.
    Auch 2016 weiter an Reformen arbeiten
    Papst Franziskus hat immerhin im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit, das er am 8. Dezember in Rom eröffnet hat, den Blick auf die auch von der Kirche Ausgegrenzten gerichtet: auch Frauen und Männer, die abtreiben und damit gegen die Lehre der katholischen Kirche verstoßen, können in dieser Zeit Vergebung erhalten.
    Papst Franziskus hält eine Rede. 
    Papst Franziskus will erreichen, dass sich die Kirche mehr auf Barmherzigkeit konzentriert als auf kontroverse Fragen. (picture alliance / dpa / Fabio Frustaci / Eidon)
    Trotz der Skandale und Hindernisse – Franziskus ist entschlossen, sein Programm fortzusetzen, auch 2016:
    "Die Reform wird weitergehen. Mit Entschlossenheit, Klarheit und Resolutheit. Denn die Kirche muss immer reformiert werden."
    Aber oft wird die Reform wohl nicht eine neue, revolutionäre Regelung sein. Sondern vielleicht nur ein neuer Ton.