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21.4.1954 - Vor 50 Jahren

Eröffnet wurde das erste eigene Theater des Volksbühnenvereins, der den Arbeitern die Theaterkunst nahebringen wollte, am 20. Dezember 1914 am Bülowplatz. Die Nazis nannten ihn Horst-Wessel-Platz, und nach dem Ende des Krieges wurde er zum Rosa-Luxemburg-Platz. Der kalte Krieg zwischen Ost und West spaltet auch die Volksbühnenbewegung: in Westberlin entsteht eine "Freie Volksbühne", in Ostberlin kriecht die Volksbühne zunächst im Theater am Schiffbauerdamm unter. Das Volksbühnengebäude war 1943 durch Bomben schwer beschädigt und in den letzten Kriegstagen 1945 bis auf die Grundmauern zerstört worden. Doch dem neuen Staat war ein Theater, dessen Geschichte so eng mit dem Kampf der Arbeiterklasse verbunden ist, so wichtig, dass er die Volksbühne bald wieder aufbaute. Die Eröffnung des neuen Volksbühne mit Schillers "Wilhelm Tell" in der Regie von Fritz Wisten am 21. April 1954 geriet zu einem wahren Staatsakt.

Von Hartmut Krug | 21.04.2004
    Die von der Eröffnung berichtende Reporterin hob wie alle ihre Kollegen immer wieder die Pracht und Modernität der neuen, alten Volksbühne hervor: prächtig, aber nicht protzig sei sie. Rund 1200 flammend rot gepolsterte Plätze faßte der holzgetäfelte, amphitheatralisch angeordnete Raum. An der Volksbühne ist alles groß. Ein zweieinhalb Tonnen schwerer Kronleuchter schwebt über dem Parkett, und die Drehbühne sucht mit ihren 18 Metern Durchmesser in Europa ihresgleichen. Intendant Fritz Wisten fühlte sich der Losung "Die Kunst dem Volke" über dem Portal des Hauses verpflichtet. Fritz Wisten liebte vor allem komödiantisches Theater, ohne dabei einen publikumsanbiedernden, bequemen Weg zu gehen. Die zweite Inszenierung galt Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung", und er selbst inszenierte "Ein Sommernachtstraum".

    Nach der Ära Wisten entwickelte sich das Schicksal der Volksbühne äußerst wechselhaft. Die Intendanten Wolfgang Heinz, Maxim Vallentin und Hannes Fischer gestalteten mit unterschiedlichem Erfolg ihre Spielpläne aus Komödien, Klassikern, Revolutionsstücken und einzelnen Gegenwartsstücken. Als 1969 der neue Intendant Benno Besson Auskunft über sein Spielplankonzept gab, klang das zunächst einmal auch nicht aufregend.

    Aber Besson setzte auf ein Theater der lebendigen Aktion und des direkten Gegen- und Miteinanders, er wollte als erster wirklich alle Räume und Möglichkeiten des Hauses nutzen.

    Besson holte Regisseure wie Fritz Marquardt, Manfred Karge und Matthias Langhoff an seine Volksbühne. Die machten mit Schauspielern wie Angelica Domröse, Rolf Ludwig, Ursula Karusseit und Hilmar Thate und mit großen Theaterspektakeln, bei denen an einem Abend alle Räume des Hauses bespielt wurden, die Volksbühne zum pulsierenden Mittelpunkt der Ostberliner Theaterlandschaft. Doch nach der Biermann-Ausbürgerung verlor das Haus viele Mitarbeiter und bald auch Benno Besson. Unter dessen Nachfolger Fritz Rödel wurde wieder ängstlicher Theater gemacht. Aber immerhin konnte Heiner Müller etliche seiner Stücke herausbringen.

    Mit der Wende beginnt 1992 eine ganz neue Zeit auch für die Volksbühne: die Castorf-Ära. Das Theater des Frank Castorf, geboren aus der Auseinandersetzung mit DDR-Vergangenheit und geschliffen an gesamtberliner, gesamtdeutscher Wirklichkeit, bedeutete für die Volksbühne eine Neugeburt. Die Volksbühnengeschichte zeigt ein Theater in steter Bewegung.