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22. Olympische Winterspiele
Riesige Schneemengen als Notreserve in Sotschi

Glaziologie. - Der Badeort Sotschi am Schwarzen Meer ist Austragungsort von Olympischen Winterspielen. Auch wenn die Wettkämpfe im Gebirge in Ortsnähe stattfinden, rechnen die Verantwortlichen offensichtlich doch mit Schneeengpässen. Vorsorglich wurde im vergangenen Jahr eine Reserve angelegt. Europäische Gletscher versucht man auf ähnliche Weise vor dem Abschmelzen zu bewahren.

Von Volker Mrasek | 06.02.2014
    Krasnaja Poljana im Kaukasus
    Krasnaja Poljana im Kaukasus (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
    "Hopp, hopp, hopp, hopp, hopp ..."
    Reporter: "Relativ verhaltener Start hier, heraus aus dem Stadion."
    "Hopp, hopp, hopp ..."
    "Das Stadion für die Skispringer und für die Nordische Kombination, also auch die Loipe für die Nordisch-Kombinierer, das liegt auf circa 600 Meter Höhe. Und die Schneegrenze in Sotschi in diesem Gebiet, die liegt im Durchschnitt auf circa 1000 Meter."
    Wird in diesen tiefen Lagen überhaupt genügend Schnee liegen? Das fragte sich auch der Schweizer Forscher Hansueli Rhyner im Vorfeld der Olympischen Winterspiele am Schwarzen Meer:
    "Man hat auch keine Sicherheit, daß man Schnee produzieren kann auf dieser Höhe."
    Das könnte man mit Schneekanonen. Sie versprühen Wasser, das zu Schnee gefriert. Doch dafür benötigen die Maschinen Temperaturen um null Grad herum. Und die sind in Sotschis Tieflagen nicht garantiert. Also überlegten sich die russischen Olympia-Organisatoren etwas anderes. Schon im vergangenen Winter häuften sie riesige Naturschnee-Berge auf und brachten sie über den Sommer.
    Rhyner: "Um die 500.000 Kubikmeter."
    Das entspricht etwa 400 großen Schwimmbecken
    "Also, das ist in einem riesengroßen Stil, wie man das wahrscheinlich bis jetzt wirklich noch nirgends gemacht hat."
    Hansueli Rhyner kennt sich aus mit dem Übersommern von Schnee. Er selbst hat es schon erprobt. Am Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos in der Schweiz, wo er eine Arbeitsgruppe leitet:
    "In der Höhe wird das ja schon länger gemacht. Auf den Gletschern wird mit Vlies Schnee zum Teil eben abgedeckt, damit er übersommert. Und dann kam öfter die Frage: Wie wäre das in tieferen Lagen?"
    Daraus ist eine Methode entstanden, die sich Snow farming nennt. Und bei der es darum geht, Schnee über die warme Jahreszeit zu retten. Dazu häuft man ihn erst einmal an, typischerweise mit Schneekanonen, und schützt ihn dann: vor hohen Außentemperaturen, starker Einstrahlung und eindringendem Regen. Besser als ein Vlies oder eine Folie eignet sich dafür nach den Experimenten in Davos ein ganz anderes Isoliermaterial:
    "Wir haben Sägespäne genommen. Weil einerseits das Holz sehr gut isoliert. Andererseits: Die Sägespäne nehmen das Regenwasser auf. / Und das Regenwasser verdunstet dann. Und diese Verdunstung erzeugt die sogenannte Verdunstungskälte, das heißt es gibt zusätzlich einen Kühlungseffekt."
    30 bis 50 Zentimeter sollte die Sägemehl-Hülle schon dick sein, um gut zu isolieren und die Temperaturen im Schneeklotz möglichst nicht über den Gefrierpunkt steigen zu lassen. Denn dann schmelzen die Kristalle. Komplett kriegt man den angehäuften Schnee aber sowieso nicht über den Sommer ...
    "Um die 30, 35 Prozent gehen verloren."
    Mit dem Schnee, der es über den Sommer schafft, werden in Davos Jahr für Jahr Langlauf-Loipen hergerichtet. Und das schon im Herbst.
    In Sotschi übersommerte der Schnee nicht unter Sägespänen, sondern unter riesigen Isoliermatten. Hier soll er zum Einsatz kommen, falls es Wettkampfstätten geben sollte, in denen zu wenig Schnee liegt.
    Reporter: "Ja, das ist eben das, was man bei Olympia ja auch hat: Es wird immer wieder auch diese Überraschungen geben."
    Rhyner: "In diesem Winter schaut es relativ gut aus. Aber ich könnte mir schon vorstellen, daß man einen Teil dieses Schnees eben braucht für die Skisprungschanze und die Loipe für die Nordische Kombination."
    "Hopp, hopp, hopp, hopp, hopp ..."