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(Kein) Zimmer frei
Registrierungspflicht für Berliner Gastgeber

Seine Wohnung an Touristen vermieten und dabei abkassieren - solche Geschäfte sind in Berlin nicht gewollt. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Wer vermieten will, kann das deshalb nur mit Genehmigung tun. Doch die geltenden Gesetze haben den Praxistest noch nicht bestanden.

Von Anja Nehls | 16.08.2018
    Balkone in der Arndtstrasse im Bergmannkiez in Berlin.
    Berlin will erschweren, dass Wohnungen in der Stadt dauerhaft als Ferienwohnungen vermietet werden. Denn dann fehlen sie auf dem Wohnungsmarkt. (imago / Stefan Zeitz)
    Mit Ehemann und drei Kindern will Claudia Neumann übernächste Woche in den Urlaub fahren und hatte dafür eigentlich auf ein paar Extra-Euros gehofft – durch die Vermietung ihrer 4 Zimmer Wohnung an Feriengäste. Aber ab jetzt müssen alle Berliner, die ihre Wohnung an Touristen vermieten, im Inserat eine Registriernummer angeben – und sich die Aktion beim zuständigen Bezirksamt genehmigen lassen – jedenfalls unter bestimmten Umständen. Das sagt die Novellierung des Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetzes. Die neuen Regelungen sollten eigentlich das Homesharing, also auch das Vermieten der eigenen Wohnung während des Urlaubs, erleichtern. Aber Claudia Neumann ist verwirrt:
    "Wir haben das schon mal vor ein paar Jahren gemacht und das war total praktisch, da hat man sich ins Netz gestellt und alles war gut. Auf jeden Fall habe ich jetzt beschlossen, dass ich das nicht mache, weil mir die Zeit einfach davonrennt und ich keine Lust habe, da beim Bezirksamt anzutapern, und wer weiß, wann ich da überhaupt einen Termin bekomme. Wäre eigentlich schön gewesen, weil wir könnten dann unseren Familienurlaub ein bisschen mitfinanzieren, aber so ist das eben nicht, und deshalb fällt der Urlaub nun wohl ein bisschen sparsamer aus, aber jetzt mache ich das erst mal nicht."
    Registrierungspflicht seit 2014
    Wer nur ein Zimmer oder weniger als die Hälfte der eigenen Wohnung zur Vermietung anbietet, kann sich kostenfrei beim Bezirksamt registrieren lassen. Wer die ganze Wohnung anbietet, egal wie lange, muss sich eine Genehmigung besorgen. Diese kostet über 200 Euro, wenn man sie denn überhaupt bekommt.
    20.000 bis 30.000 Wohnungen oder Zimmer werden in Berlin als Ferienunterkünfte vermietet, so die Schätzungen des Berliner Senats. Zumindest die kompletten Wohnungen, die ausschließlich als Ferienunterkünfte betrieben werden, will die rot-rot-grüne Landesregierung mit dem seit 2014 geltenden Gesetz wieder für den regulären Wohnungsmarkt zurückgewinnen. Die Einführung der Registriernummer soll nun die Kontrolle erleichtern, sagt Petra Rohland aus der Stadtentwicklungsverwaltung:
    "Das ist notwendig, damit bei der Bewerbung von solchen Ferienwohnungen auch eingesehen werden kann, liegt eine Genehmigung für diese Ferienwohnung vor oder ist das eine Wohnung, die keine Genehmigung hat und damit illegal an Feriengäste vermietet wird."
    Verwirrung auf allen Ebenen
    Dennoch sind bei den Berliner Bezirksämtern noch nicht einmal 1.000 Anträge auf eine Genehmigung und/oder die Erteilung einer Registriernummer gestellt worden. Das liege auch daran, dass noch gar nicht feststeht, wie die Regelung berlinweit in den Bezirksämtern umgesetzt werden soll, sagt Stephan La Barré, von der Apartmentallianz, einem Zusammenschluss mehrerer Ferienwohnungsanbieter:
    "Man hat zwar das Gesetz gemacht, hat aber bisher noch keine Verordnungs- und keine Ausführungsvorschriften. Das heißt, da gibt es ein Riesendurcheinander und man kann sich nicht einigen."
    Das heißt, dass manche Bezirksämter sich zum Beispiel als Beleg für den Zeitraum und den Grund der Abwesenheit Flugtickets oder Unibescheinigungen vorlegen lassen, außerdem den Mietvertrag, eine Erlaubnis zur Untervermietung vom Vermieter oder einen Grundbuchauszug bei Eigentumswohnungen.
    Die neue Regelung führe zu nichts als Verwirrung, sagt Maren Jasper-Winter von der FDP. Sie plädiert dafür, die Vermietung der eigenen Wohnung einfach generell für die Hälfte des Jahres zu erlauben. Was die Hälfte einer Wohnung ist, sei ohnehin nicht zu kontrollieren:
    "Was ist jetzt hier noch 49 Prozent der Wohnung und was ist schon 50. Sind das nur die Schlafzimmer? Ist das die Fläche? Also 182 Tage im Jahr habe ich schnell kontrolliert, da gibt es auch jetzt schon Funktionen, wo man ja dran erkennen kann digital, wie viele Tage vermietet jemand im Jahr."
    Plattformen bangen um Einnahmen
    Wer heute etwa auf der Internetplattform Airbnb eine private Unterkunft sucht, findet zum Beispiel. für ein Wochenende Ende November noch über 300 verfügbare Angebote – vom "Oriental Style Room" im Szenebezirk Prenzlauer Berg bis zum "Sunny Loft" mit Blick auf den Fernsehturm. Eine im Inserat sichtbare Registrierungsnummer gibt es nur sehr selten.
    Theoretisch drohen den Betreibern damit jetzt Geldbußen bis zu einer halben Million Euro – wenn man sie denn finden würde. Das wird jedoch schwierig, weil die Vermieter im Inserat nur mit ihrem Vornamen und ohne Adresse auftreten. Außerdem gibt Airbnb, genauso wie andere Portale, die Daten ihrer Nutzer nicht heraus.
    Menschen wie Claudia Neumann dürften eine Genehmigung und eine Registriernummer für das Homesharing während des Urlaubs wohl problemlos bekommen. Dennoch schrecken die neuen Regelungen einige Anbieter ab – und sorgen damit für Gewinneinbußen bei Airbnb, das an jeder Vermietung über die Plattform mitverdient. Radiospots des Unternehmens sollten die Vermieter deshalb jetzt zum Weitermachen motivieren:
    "Frau Melzke haben Sie..."
    "Herr Schneider, hallo!"
    "Da wohnen Leute in ihrer Wohnung, die kein Wort Deutsch sprechen."
    "Ja stimmt, zwei nette Schweden, und dafür, dass sie bei mir Urlaub machen dürfen, verdiene ich mir was dazu."
    "Ist das nicht verboten?"
    "Nee, ich darf das, habe ich ja angemeldet."
    Die Nachbarn als Spitzel
    Ob allerdings jemand auch ohne Anmeldung oder Genehmigung einfach weitervermietet, ist für die Bezirksämter nur herauszufinden, wenn sie Hinweise von Nachbarn bekommen. Über 2000 Mal ist das bereits vorgekommen. 8.000 Wohnungen seien so seit 2014 dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt wieder zur Verfügung gestellt worden, freut sich Petra Rohland von der Senatsverwaltung:
    "Das betrifft natürlich nicht nur Ferienwohnungen, weil dieses Gesetz auch bei Leerstand oder gewerblicher Nutzung greift. Etwa 4.000 Wohnungen dieser 8.000 insgesamt sind Ferienwohnungen gewesen, die haben wir jetzt wieder für Berlinerinnen und Berliner als Wohnung zur Verfügung. Ich finde das ist schon ein schönes Ergebnis."
    Opposition sieht das Gesetz skeptisch
    Aber es ist keine Lösung des Berliner Wohnungsproblems, sagt Maren Jasper-Winter von der FDP: Über 300.000 bezahlbare Wohnungen fehlen laut einer Studie der Humboldt Universität in Berlin:
    "Es müssen Wohnungen schneller gebaut werden. Und es darf hier keine Augenwischerei betrieben werden, indem man sagt, wir machen doch so viel mit Hilfe des Zweckenentfremdungsverbotsgesetzes. Das hat bisher noch keine einzige neue Wohnung gebaut und es hat auch noch keine einzige Miete nachhaltig gesenkt."
    Viele Vermieter klagen außerdem gegen das Berliner Gesetz. Noch in diesem Jahr wird sich voraussichtlich das Bundesverfassungsgericht damit beschäftigen.