Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

25 Jahre Kinderrechtskonvention
"Weil wir am besten wissen, was Kinder brauchen"

Als die Kinderrechtskonvention unterzeichnet wurde, trugen Kinder in der UNO-Generalversammlung ihre Wünsche vor. 25 Jahre später kommen im Deutschlandfunk die beiden Gymnasiasten Amina Settouf und Moritz Fahrnländer zu Wort. Ihr Fazit: Es bleibt viel zu tun – auch für den Bundespräsidenten, den sie getroffen haben.

Amina Settouf und Moritz Fahrnländer im Gespräch mit Sandra Schulz | 20.11.2014
    Proteste für Kinderrechte in Berlin 2014
    Proteste für Kinderrechte in Berlin 2014 (dpa / picture-alliance / Jens Kalaene)
    Seit dem Beschluss der Kinderrechtskonvention vor 25 Jahren durch die UNO-Vollversammlung habe sich in Deutschland zwar schon viel geändert, aber es könne noch mehr getan werden, erklärten die elfjährige Amina Settouf und der 13-jährige Moritz Fahrnländer, zwei Gymnasiasten aus Lörrach in Baden-Württemberg, im Deutschlandfunk. So könnten Verstöße dagegen nicht bestraft werden. Deshalb sei es wichtig, dass die Kinderrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden, sagten die beiden die Juniorbotschafter des UNO-Kinderhilfswerks Unicef. Das könne Bundespräsident Joachim Gauck zwar nicht selbst machen, aber er kenne ja viele Leute, "die da was verändern können". Und wenn er verspreche, sich dafür einzusetzen, dann wäre das schon ein Erfolg.
    Es sei auch wichtig, dass sich Kinder selbst für das Thema Kinderrechte einsetzten, erklärten die beiden Gymnasiasten: "Weil wir am besten wissen, was Kinder brauchen." Wichtig sei zum Beispiel, dass alle Kinder gleichberechtigt seien. Denn die Kinder könnten ja zum Beispiel nichts dafür, ob sie reiche oder arme Eltern hätten.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Klar ist: Es ist noch ein weiter Weg zu gehen. 25 Jahre UNO-Kinderrechtskonvention - zu dem Termin will Bundespräsident Joachim Gauck heute in Bellevue mit 50 Kindern und Jugendlichen diskutieren. Mit dabei sind Amina Settouf, elf Jahre alt, und Moritz Fahrnländer, der ist 13. Beide sind Juniorbotschafter des Kinderhilfswerks UNICEF und Gymnasiasten aus dem baden-württembergischen Lörrach. Vor der Sendung habe ich sie gefragt, ob sie denn aufgeregt sind.
    Amina Settouf: Ein bisschen ja schon.
    Moritz Fahrnländer: Ein bisschen ja schon.
    Schulz: Und glaubt ihr, dass der Bundespräsident auch aufgeregt ist?
    Settouf: Ich denke schon.
    Fahrnländer: Vielleicht ein bisschen, aber der ist es ja gewöhnt, mit so wichtigen Leuten wie wir zu sprechen.
    Schulz: Wollt ihr dem richtig die Meinung sagen?
    Fahrnländer: Wahrscheinlich schon, ja.
    Schulz: Und was sind da so die wichtigsten Sachen, die ihr unbedingt sagen wollt?
    Settouf: Wer wir sind und was wir...
    Fahrnländer: ... für Forderungen haben.
    Schulz: Was wollt ihr denn?
    Settouf: ..., dass alle Kinder gleichberechtigt sind.
    Fahrnländer: ..., und dass die Kinderrechte ins Grundgesetz kommen. Aber wir wissen, dass er das eigentlich nicht selber bestimmen kann, weil er da nicht direkt Zugriff drauf hat. Aber er kennt ja viele Leute, die damit was zu tun haben und deswegen da was verändern könnten.
    Schulz: Und glaubt ihr, dass er euch ganz genau was sagen kann, was er als nächstes macht?
    Fahrnländer: Ja, ich glaube schon.
    Settouf: Ja.
    Schulz: Und wenn er das nicht macht, was macht ihr dann als nächstes?
    Fahrnländer: Das ist schwierig.
    Settouf: Also überprüfen...
    Fahrnländer: ... können wir das ja jetzt direkt nicht, aber wir können halt gucken, ob er wirklich mit den Leuten redet, die dafür zuständig sind, mit den Leuten, die da für uns dieses ins Grundgesetz bringen könnten, weil das Problem ist, dass es jetzt erst nur in den Menschenrechten ist, und dabei ist das Problem, dass das noch nicht strafbar ist. Wenn jetzt die Eltern ihr Kind schlagen, können sie dafür noch nicht bestraft werden, und das ist eben das Problem.
    Schulz: Glaubt ihr denn, dass am ehesten den Kindern in Deutschland geholfen werden müsste, oder eher in Ländern, in denen es den Menschen nicht so gut geht, in ärmeren Ländern?
    Settouf: Ich denke, es kommt darauf an, wie schlimm es ist für das Kind. In anderen armen Ländern gibt es ja auch Eltern, die nicht ganz so schlimm sind wie manche Eltern hier in Deutschland.
    Fahrnländer: Ja, es kommt natürlich total darauf an.
    Settouf: Es ist unterschiedlich.
    Schulz: Ist das die schlimmste Bedrohung für die Kinder, ihre Eltern?
    Fahrnländer: Nicht direkt. Es ist sicher so, wenn die Eltern irgendwie arm sind oder so und dann müssen die Kinder arbeiten. Das ist ja hier in Deutschland besser, weil hier haben die Kinder Chance auf Schule. Das ist schon mal besser geregelt. Also nicht Chance auf Schule; die dürfen zur Schule gehen.
    Schulz: Um nicht zu sagen, sie müssen.
    Fahrnländer: Sie müssen, ja. Aber es ist halt anders in anderen Ländern, weil die Eltern irgendwie die Kinder zuhause haben müssen, weil die arbeiten müssen und weil sie nicht genug Geld haben. Und das ist eben wichtig: das Recht auf Bildung.
    Schulz: Ihr beide setzt euch auch jetzt schon lange für Kinderrechte ein. Könnt ihr da ein bisschen erzählen, was ihr da schon gemacht habt?
    Fahrnländer: Wir haben...
    Settouf: ... Handy-Sammelboxen gemacht.
    Fahrnländer: Das war jetzt unser letztes Projekt, ja. Ich bin schon seit 2007 dabei, also sieben Jahre.
    Schulz: Und das, obwohl Du erst 13 bist.
    Fahrnländer: Ja, da war ich sechs. Und als erste Aktion - die stelle ich auch morgen kurz vor -, das war eine Aktion, wo wir Adventskalender mit eigenen Zeichnungen gebastelt haben und die dann verkauft haben. Da waren wir genau 24 Leute und jetzt sind wir schon viel mehr.
    Schulz: Und glaubt ihr denn, dass mit dem, was ihr gemacht habt, dass ihr auch schon wirklich Kindern geholfen habt?
    Fahrnländer: Ja. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir da vieles tun konnten, weil das Geld direkt zu den Leuten geht und...
    Settouf: ... das ist das Geld ja auch, das wir dadurch sammeln.
    Fahrnländer: Ja!
    Schulz: Aber habt ihr nicht das Gefühl, dass da, wo das Geld möglicherweise Gutes tut, dass das furchtbar weit weg ist und dass man gar nicht so richtig weiß, ob und wem da geholfen wird?
    Fahrnländer: Ja, das ist schon so. Aber weil UNICEF auch so eine große Organisation ist, hat die auch die Möglichkeit. Da sind ja auch Helfer und die kontrollieren das. Es gab ja schon mal Fälle, aber das ist schon länger her, dass irgendwie das Geld angekommen ist und dann irgendwie in die Hände von Terroristen oder so gegangen ist, die dann das für Waffen ausgegeben haben oder so.
    Schulz: Warum kümmert ihr euch überhaupt um solche, ich sage es jetzt mal ein bisschen frech, warum kümmert ihr euch überhaupt um solche Erwachsenenthemen? Warum lasst ihr das nicht die Erwachsenen machen?
    Settouf: Es geht ja um die Kinderrechte und dann sind wir Kinder ja sozusagen auch gleichberechtigt. Es macht ja auch Spaß...
    Fahrnländer: ... und weil wir vielleicht auch am besten wissen, was Kinder brauchen: Recht auf Bildung und darauf, dass sie trotzdem noch ein schönes Leben haben und nicht komplett vernachlässigt werden und die ganze Zeit arbeiten müssen. Deswegen finde ich das sehr wichtig, dass wir da mithelfen.
    Schulz: Viele Ältere zumindest in Deutschland sagen vielleicht, na ja, die, die heute jung sind, die haben ja überhaupt keine echten Sorgen, die interessieren sich nur dafür, dass sie eine tolle Marken-Jeans haben und vielleicht das neueste Smartphone. Was antwortet ihr denn da?
    Fahrnländer: Ich interessiere mich schon dafür, was ich habe, aber ich interessiere mich auch dafür, was andere Kinder haben und dass ich nicht nur für mich selber sorge. Ehrenamtliche Arbeit ist schon eigentlich wichtig, weil wenn es immer jemand machen müsste, der das bezahlt, dann würde da wahrscheinlich auch gar nicht so viel Geld zu den Leuten gehen. Deswegen finde ich unsere Arbeit echt wichtig.
    Settouf: Und man kann ja nichts dafür, wie man lebt. Das war auch bei einem Spiel so: Tischlein deck dich. Da konnte man würfeln, auf welchen Platz man kommt, ob man ganz schlechtes Essen bekommt oder einfach ganz gutes Essen. Da sieht man mal, dass man nichts dafür kann, ob man reiche Eltern hat oder arme Eltern. Und ich interessiere mich auch dafür, was andere Kinder haben, und natürlich auch Sachen, die ganz normal sind in meinem Alter. Aber ich finde es auch wichtig, dass andere Kinder ein gutes Leben führen.
    Schulz: Was könnt ihr besser als Erwachsene?
    Settouf: Einschätzen, wie blöd es ist, wenn jemand Kinderarbeit macht. Wenn ich Kinderarbeit machen würde, könnte ich es ja besser einschätzen als Erwachsene...
    Fahrnländer: ... und dass wir - das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen doof an, aber es ist natürlich auch so: Wenn sich jetzt ein Erwachsener auf die Straße stellt und Geld sammelt, kriegt der wahrscheinlich lang nicht so viel wie ein Kind, das nett guckt und sein Geld sammelt. Das ist natürlich auch noch ein Aspekt.
    Schulz: Und deswegen wollt ihr zum Bundespräsidenten?
    Fahrnländer: Nein, nicht deswegen. Es geht ja eigentlich nur um die Aktion, aber das Geld ist halt wichtig für die Aktion und deswegen finde ich, es kommt darauf an, was man für Aktionen macht, wohin das Geld geht...
    Settouf: ... und in unseren Spielen ist es ja so: Wir bekommen Geld dafür und viele kleine Kinder wollen dort bestimmt gerne mitmachen, und die Eltern denken dann auch, ja, das finde ich gut, da tut man was Gutes und dann darf mein Kind da mitmachen.
    Fahrnländer: Es macht ja auch mehr Spaß, wenn man dabei noch was macht, als wenn man nur Geld sammelt, ohne was da zu tun.
    Schulz: Und wie wird es sein, wenn ihr euch mit dem Bundespräsidenten trefft? Wie müsste das laufen, damit ihr hinterher sagt, das war wirklich ein super Erfolg?
    Settouf: Wenn der Bundespräsident uns versteht und auch...
    Fahrnländer: ... unsere Forderung annimmt...
    Settouf: ... und sagt, er versucht es, aber er kann es natürlich nicht versprechen, und dann hoffen wir, dass...
    Fahrnländer: ... das umgesetzt wird.
    Settouf: Genau!
    Schulz: Glaubt ihr denn, dass Politiker das machen, was sie versprechen?
    Settouf: Ich denke, nicht alle Politiker versprechen was. Aber wenn sie sagen, sie versuchen das, dann versuchen die das bestimmt, wenn sie Zeit haben.
    Fahrnländer: Und das ist ja auch kein kleines Nebenthema. Das ist ja wirklich wichtig, in Deutschland genauso wie überall auf der Welt, und deswegen, finde ich, sollte er da eine klare Meinung zu haben. Am Ende machen wir auch noch eine Diskussionsrunde, wo wir Fragen stellen können, und da, glaube ich, wird noch mal einiges besprochen, was wir für Forderungen haben, zum Beispiel, dass mehr Flüchtlinge aufgenommen werden und so, und das ist total wichtig, weil die werden in ihrem Land verfolgt und hier können sie ein Dach überm Kopf haben. Deswegen, finde ich, sollten wir mehr Flüchtlinge aufnehmen.
    Schulz: Ihr wisst es ja: Der Anlass für das Treffen, das ist das 25. Jubiläum der Kinderrechtskonvention, am 20. November 1989 in Kraft getreten. (Anmerkung der Redaktion: Die Konvention wurde am 20. November 1989 von der Vollversammlung verabschiedet. Inkraftgetreten ist sie am 2. September 1990) Was müssen 25 Jahre danach alle Erwachsenen in diesem Land wissen?
    Settouf: Also, dass Kinderrechte wichtig sind und dass man Kindern helfen sollte, weil wir hier haben genug Geld, um wenigstens einen Euro zu spenden. Ein Euro von jedem Menschen hier n dem Land ist ganz viel Geld und das kann man dann für andere Kinder spenden. Erwachsene sollten das schon wissen, dass man einen Euro abgeben kann für Kinder in anderen Ländern.
    Fahrnländer: Ja, und vor allem, dass die Kinderrechte bekannt sind, weil wir haben schon so oft Leute auf der Straße getroffen, denen wir von den Kinderrechten erzählen haben und uns dann aufgefallen ist, dass die darüber noch gar nichts wussten. Deswegen ist es in den 25 Jahren schon viel besser geworden. Früher waren Kinderrechte auch hier sehr vernachlässigt und so.
    Settouf: Ja, und in der Schule auch. Da wurden die Kinder geschlagen und so. Da war das viel disziplinierter und das hat sich auch verbessert in den Jahren.
    Schulz: Ich habe jetzt keine Fragen mehr an euch, sondern möchte mich herzlich dafür bedanken, dass ihr so toll auf meine Fragen geantwortet habt. Danke schön!
    Fahrnländer: Okay, bitte!
    Settouf: Tschüss!
    Schulz: Gestern habe ich mit Amina Settouf (11) und Moritz Fahrnländer (13) gesprochen über ihr Treffen mit dem Bundespräsidenten heute.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.