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25 Länder auf einen Streich

Das EU-Patentrecht ist zu kompliziert und uneinheitlich, jedes Land bewertet Anträge anders. Das EU-Parlament stimmt am Dienstag über eine Vereinfachung und Vereinheitlichung ab: Künftig soll ein Patentantrag reichen, um Erfindungen europaweit zu schützen.

Von Annette Riedel | 10.12.2012
    Bei der Diskussionen ein EU-Patentrecht geht es viel um Befindlichkeiten der einzelnen Mitgliedsstaaten:Von der Festlegung der Amtssprachen, über die Frage, wo der Patentgerichtshof sitzen soll bis hin zu Unstimmigkeiten bei drei Paragrafen im Gesetz. Letzteres wiederum ärgert das EU-Parlament, das sich in seiner ureigenen Aufgabe - der Gesetzgebung - untergraben sieht. Ein Rück- und Ausblick in vier Kapiteln.

    "Der Weg, den das europäische Patent sozusagen im Geburtskanal beschreitet, ist lang und schwierig."

    Sehr lang und sehr schwierig. Je nach Lesart begann die "Geburt" des EU-Patents, von der die Patentexpertin bei der EU-Kommission, Kerstin Jorna, spricht, schon vor mehr als 30 Jahren, spätestens aber vor über zehn Jahren. Und das, obwohl es so bestechend einleuchtend erscheint, dass ein Gemeinschaftspatent für alle EU-Länder Sinn macht - in mehrerlei Hinsicht.

    Kapitel 1: Warum ein EU-Patent?

    "Mit einem einheitlichen EU-Patent sollten die Kosten für die Patentierung in Europa erheblich sinken. Gerichtsverfahren sollten mit einem dann auch gemeinsamen System von Patentgerichten deutlich einfacher und schneller werden."

    Bringt Ilias Konteas vom europäischen Unternehmerdachverband Businesseurope die Vorteile eines EU-Patents auf den Punkt. Und vertritt damit die Meinung von 41 europäischen Arbeitgeberverbänden aus 35 Ländern. Die Mitglieder der einzelnen Verbände sind sowohl große Unternehmen als auch kleine und mittlere. Unternehmen wie etwa Sensaris, das Anwendungen für das drahtlose Internet und Mobiltelefone verkauft. Michael Setton hat sein Unternehmen im Jahr 2000 gegründet; es ist in der Gegend von Grenoble ansässig, hat fünf Mitarbeiter und Kunden in 25 Ländern. Meldete in den letzten beiden Jahren jeweils zwei Patente an. Michael Setton erläutert, dass sich gerade für kleine Unternehmen an ein Gemeinschaftspatent einige Hoffnungen knüpfen:

    "Statt den Patentschutz in jedem einzelnen Land anzumelden, könnte man Schutz mit einem Schlag in allen EU-Ländern bekommen. Wenn heute ein Unternehmen meine Produkte kopiert und sie in Deutschland oder Großbritannien verkauft, und ich hätte vielleicht genau in den Ländern keinen Patentschutz beantragt, kann ich nichts dagegen tun."

    Das Europäische Parlament will nach langer Verzögerung morgen über die Einführung eines EU-Patents entscheiden. Michael Setton ist überzeugt, dass ein kostengünstiger und umfassender Patentschutz nicht nur für das einzelne Unternehmen gut wäre:

    "Ich wünschte die Gesetzgeber würden begreifen, dass sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas durch das neue EU-Gemeinschaftspatent verbessern wird."

    Eine Einschätzung, die man teilt beim Riesenkonzern Siemens, Weltmeister sozusagen bei den Patentanmeldungen in 2011, mit weltweit im Schnitt täglich 40 Patentanmeldungen.

    "Wenn Sie in Europa immer landesweise ein Patent durchsetzen müssen, während Sie in den USA einmal sich auseinandersetzen vor Gericht und damit eine Klärung für den ganzen Wirtschaftsraum der USA haben, oder in China ist es genauso, das ist so aufwendig, dass es in Europa ein echter Standortnachteil ist."

    ... so Uwe Schriek, Patentanwalt bei Siemens.

    Kapitel 2: Wie Patentschutz zurzeit in der EU funktioniert.

    Um besser einschätzen zu können, was sich ändert mit einem EU-Patent, das es, wenn ab sofort alles halbwegs gut geht, ab April 2014 geben soll - muss man sich ein bisschen genauer anschauen, wie es zurzeit ist, wenn man in Europa ein Patent schützen lassen will. Bisher gibt es zwei Möglichkeiten: Man kann ein Patent entweder in einem Land, nach dem jeweiligen nationalen Patentrecht, in einem der nationalen Patentämter anmelden. Oder beim Europäischen Patentamt mit Sitz in München für eine beliebige Reihe von europäischen Ländern - mit einem sogenannten europäischen oder Bündelpatent - nicht zu verwechseln mit dem noch nicht existierenden EU-Gemeinschaftspatent. Kompliziertes einfach erklärt in den Worten von Klaus-Heiner Lehnen, CDU-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Rechtsausschusses im EU-Parlament:

    "Im Grunde haben wir im Moment eine Situation, in der es die nationalen Patente gibt. Das ist ganz einfach. Ich habe was erfunden; ich geh' zum nationalen Patentamt. Ich beantrage ein Patent. Das Patent krieg ich. Und das Patent gilt dann in Deutschland, gilt aber nicht in Italien, gilt nicht in Frankreich, gilt nur in Deutschland. Jetzt kann ich zum Europäischen Patentamt gehen und kann sagen, ich möchte mehr haben als nur mein Patent für Deutschland. Da wird das Europäische Patentamt fragen, wo soll denn das Patent dann noch gelten. Und da sage ich, das soll noch gelten, was weiß ich, in Frankreich, in Italien, in Spanien und in Großbritannien. Und dann erteilen die ein sogenanntes Bündelpatent. Das ist aber ungefähr zehnmal teurer, als was ein nationales Patent in Deutschland ausmacht. Und dieses Bündelpatent, das gilt in den Staaten, die ich benannt habe."

    Es gibt also zurzeit schon ein europäisches Patent, das aber eben nicht automatisch überall in der EU gilt - sondern nur in dem "Bündel" von Ländern, für die ein Unternehmen ausdrücklich einen Patentschutz anmeldet. In jedem dieser Länder muss es dann auch jeweils Patentschutzgebühren zahlen.

    "Wenn ich in Deutschland eine Patentverletzung habe, dann muss ich vor ein deutsches Gericht gehen und muss in Deutschland einen Titel erstreiten gegen den, der mein Recht verletzt hat. Das gilt aber nur in Deutschland. Das geht nicht in Frankreich, nicht in Italien, nicht in Spanien. Wenn ich in Frankreich, Italien und Spanien das gleiche haben will, weil der gleiche Mensch da mein Patent auch verletzt, muss ich da immer noch mal separat klagen."

    Bernhard Rapkay:
    "Und was heißt das? Das heißt erneuter administrativer Aufwand. Das heißt Geld bezahlen dafür - nicht nur für den Akt selber, sondern sie müssen ja auch Geld zahlen dafür, dass das Patent geschützt ist. Sie müssen eine Gebühr zahlen. Das führt dazu, dass es natürlich sehr aufwendig und sehr teuer ist."

    Diese Kosten, von denen Bernhard Rapkay spricht, sind erheblich. Er ist stellvertretender Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament und - genauso wie sein Kollege Lehnen - Berichterstatter des Parlaments in Sachen EU-Patent. Wer heute ein Patent in allen 27 EU-Ländern geschützt wissen will, muss leicht über dreißigtausend Euro investieren. Hinzu kommen Jahresgebühren, die in jedem einzelnen der 27 Länder zu entrichten sind. Ein vergleichbarer Patentschutz in den gesamten USA kostet dagegen nur rund 2000 Euro. Das einheitliche EU-Patent für die gesamte Union soll irgendwann rund 5000 Euro kosten. Der Kostenfaktor ist gerade für kleine und ganz kleine Unternehmen, wie zum Beispiel das Fünfmannunternehmen Sensaris ein erheblicher. Klaus-Heiner Lehnen:


    "Für große Unternehmen ist das nicht so richtig dramatisch. Die zahlen das halt. Die haben eine große Rechtsabteilung, aber der kleine Mittelständler - der hat natürlich ein echtes Problem damit. Und der kommt dann natürlich unter massiven Druck, und der bekommt dann relativ schnell von der anderen Seite ein Angebot, die sagt: Das ist doch viel zu teuer. Lass uns doch mal auf einen billigen Vergleich - da kriegst du wenigstens noch was, sonst kommst du damit sowieso nie durch, und dann hast du, wenn das Italien ist, in zehn Jahren noch keine Entscheidung und hast bis dahin nur gewaltige Kosten."

    Kapitel 3: Warum das EU-Patent eine so schwierige Geburt ist.

    Wenn es doch offenbar viele gute Gründe für ein EU-Patent gibt und diejenigen, die meinen, dass wir es brauchen, deutlich in der Mehrheit - warum dauert die Diskussion darüber seit Jahren an?

    Klaus-Heiner Lehnen:
    "Das ist in der Tat vollkommen verrückt. Aber das hat auch Gründe gehabt, die mit Rationalität nichts mehr zu tun gehabt haben. Der problematischste Grund, der auch bis jetzt problematisch ist, ist die Sprachendebatte. Die ist wirklich an Abstrusität nicht mehr zu schlagen. Das hängt damit zusammen, dass hier nicht die Fachleute das Sagen gehabt haben, sondern irgendwelche Diplomaten in den Außenministerien."

    Denn es ging nicht zuletzt in den jahrelangen Diskussionen auch um Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten. Zum Beispiel eben bei der Frage, welches künftig die Amtssprachen an einem zu schaffenden Europäischen Patentgericht sein sollten. Denn ein Gemeinschaftspatent macht nur wirklich Sinn mit einem gemeinsamen Patentgerichtssystem und einem gemeinsamen europäischen Patentgericht als höchster Instanz. Der Vorschlag der EU-Kommission sah vor, beim künftigen Europäischen Patentgericht mit denselben Amtssprachen zu arbeiten wie beim Europäischen Patentamt, das also, nicht zuletzt aus Kostengründen, auch nur in drei Sprachen übersetzt werden muss: Deutsch, Englisch und Französisch. Aber dieser Vorschlag stieß, wie Europaparlamentarier Lehnen erzählt, auf erheblichen Widerstand im Kreise der Mitgliedsländer. Klaus-Heiner Lehnen:

    "Dann hat sich da natürlich sofort der Italiener gemeldet und hat gesagt: Das geht gar nicht. Italien ist so wichtig - wir: große Jurisdiktion und wir: viele Patente. Also wir wollen auch italienisch. Dann hat sich natürlich sofort der stolze Spanier gemeldet und gesagt, wenn italienisch, dann wir natürlich auch. Und dann hat sich der Niederländer gemeldet und hat gesagt, ja wenn die, dann wir auch niederländisch, und so ging dann der Reflex runter bis Malta. Am Ende hatten wir nachher 21 Amtssprachen, in denen das Patent übersetzt werden sollte."

    Das wiederum wollten nicht nur die Deutschen auf keinen Fall. Da nach den EU-Verträgen ein Beschluss über Amtssprachen von den Mitgliedsländern nur einstimmig gefasst werden kann, die Spanier und Italiener bis zuletzt nicht zum Einlenken bereit waren, werden sie nun beim EU-Patent erst einmal nicht dabei sein. Die anderen 25 Länder führen es auf dem Wege der verstärkten Zusammenarbeit ein. Spanien und Italien klagen dagegen beim Europäischen Gerichtshof. Aber die Umsetzung des EU-Patents und des EU-Patentgerichtshofs verzögerte sich zuletzt noch aus zwei anderen Gründen - zum Ärger vieler EU-Parlamentarier wie Bernhard Rapkay. Einer der Gründe: der Streit um die Frage, in welchem Land der neue Gerichtshof sitzen wird:

    "Diese leidige Frage mit dem Sitz der Zentralkammer des Gerichtes! Wo Frankreich für Paris, Deutschland für München, Großbritannien den Sitz für London gefordert hatte. Und dann ist ein typischer Gipfelkompromiss rausgekommen. Ich hab dann später despektierlich gesagt, wir haben ja Glück, dass nicht acht Länder den Sitz beantragt haben, sonst hätten wir jetzt acht Sitze. Was haben sie gemacht, sie haben entschieden, dass es eigentlich faktisch drei Sitze hat: Einen in Paris - da ist die Verwaltung. Einen in London - da werden die Fälle im Bereich Pharma, Chemie und so weiter verhandelt und einen in München, wo dann Anlagenbau, Ingenieur und so weiter verhandelt werden."

    Das war beim Gipfel im Juni. Allerdings haben die Staats- und Regierungschefs im Zuge des Feilschens um den Sitz beziehungsweise die Sitze des Patentgerichts gewissermaßen handstreichartig auch noch die geplante Verordnung zum Gemeinschaftspatent selbst verändert und die drei umstrittenen Paragrafen 6 bis 8 gestrichen. Der dritte Verzögerungsgrund.

    "Bei diesen Artikeln geht es im Grunde darum, zu beschreiben, welche Rechte gibt das Europäische Patent und welche Ausnahmen gibt es vom Europäischen Patent. Aus unserer Sicht war es besser für die Rechtssicherheit, diese Artikel wirklich in das Gesetz zu schreiben, und deshalb hatten wir vorgeschlagen, dass diese Artikel da drin sein sollten."

    Erläutert die Patentexpertin bei der EU-Kommission, Kerstin Jorna. Im Europäischen Parlament herrscht eine ähnliche Haltung zu den umstrittenen Paragrafen vor, sagt Bernhard Rapkay.

    "In den drei Artikeln wird der Regelungsgegenstand beschrieben - was ist zu regeln, und was ist nicht zu regeln. Und jetzt werden genau die drei Artikel rausgenommen. Da sagt mir mein gesunder Menschenverstand: Das kann doch wohl nicht wahr sein."

    Es sei ausreichend, wenn der Regelungsgegenstand in der Vereinbarung zum Patentgericht auftaucht und müsse nicht auch noch in der Verordnung über die Schaffung des Gemeinschaftspatents selbst hinein. So sieht es zum Beispiel Ilias Konteas vom europäischen Arbeitgeberdachverband Businesseurope:

    "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir dafür sind, die Artikel 6 bis 8 aus der Verordnung zu streichen. Das, worum es in diesen Artikeln geht, kann auch viel besser in den Abmachungen zum Patentgerichtshof angesprochen werden."

    Diejenigen unter den Patentanwälten, den Mitgliedsländern und auch viele aus der Wirtschaft, die gegen diese drei Artikel an der ursprünglichen Stelle argumentieren, befürchten, dass durch sie bei Patentverletzungen der Europäische Gerichtshof als letzte Instanz ins Spiel käme. An dessen Kompetenz im Patentrecht die Kritiker entweder zweifeln oder den sie grundsätzlich so weit als irgend möglich raushalten wollen, wie die Briten. So war es denn auch der britische Premier Cameron, der die Streichung betrieb. Man kann zur Bedeutung der Artikel 6 bis 8 und deren Verzichtbarkeit oder Unverzichtbarkeit unterschiedlicher Meinung sein. Auf alle Fälle aber fühlte sich das Parlament düpiert durch die Tatsache, dass die Regierungschefs, die nicht Gesetzgeber sind, einen beschlossenen Text kurzerhand veränderten. Und so hat das Parlament zunächst seine notwendige Zustimmung zum EU-Patent verweigert und dann eine erneute Abstimmung im Plenum immer wieder verschoben. Es geht dabei also mindestens so sehr um eine als Missachtung der Parlamentarier wahrgenommene Vorgehensweise der EU-Länder wie um die umstrittenen Paragrafen selbst. Aus Sicht von Siemens-Patent-Anwalt Schriek müsste jetzt vor allem eine zügige Einigung her:

    "Ich sehe das primäre Ziel auch darin, dass wir möglichst schnell jetzt zur Einigung, einem positiven Schluss des Verfahrens kommen. Insofern beteilige ich mich nicht an der Diskussion, wo die Artikel 6 bis 8 stehen sollen."

    Sie werden jetzt - so der in den vergangenen Wochen ausgehandelte Kompromiss zwischen Rat und Parlament - zwar aus der Verordnung zur Schaffung des Gemeinschaftspatents selbst gestrichen. Aber, es wird ein neuer Paragraf 5a in die Verordnung eingefügt, die auf gleichlautende Paragrafen an anderer Stelle verweist - eben im zwischenstaatlichen Abkommen über den Sitz des Gerichts, das zum Gesamtpaket rund um die Schaffung des EU-Patents gehört.

    Kapitel 4: Patentschutz in der EU - die Zukunft.

    Wenn das EU-Patent denn nun nach den langen Geburtswehen demnächst Realität werden wird, dann verschwinden weder das nationale noch das Bündelpatent. Es werden alle drei Möglichkeiten der Patentanmeldung parallel existieren. Der Werkzeugkasten für den Patentschutz wird sozusagen um ein Instrument ergänzt, beschreiben der Parlamentarier Klaus-Heiner Lehnen und Kerstin Jorna von der EU-Kommission die Zukunft.

    Klaus-Heiner Lehnen:
    "Ich kann sagen, ich mache nur ein nationales Patent. Ich kann sagen, ich mache ein Bündelpatent, also ich suche mir die Jurisdiktionen aus, in denen es dann gelten soll. Oder ich mache das Gemeinschaftspatent. Ich habe also drei Möglichkeiten zwischen denen ich wählen kann."

    Kerstin Jorna:
    "Natürlich ist jetzt überhaupt kein Unternehmen verpflichtet, das eine oder das andere zu nehmen. Was für uns wichtig ist, ist, dass die Unternehmen die Wahl haben und dass sie den Schutz nehmen und das Patent nehmen, was in ihrem Fall, für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung das angemessene Instrument ist."

    Siemens-Patentanwalt Schriek geht davon aus, dass sein Unternehmen mit diesem "Patentwerkzeugkasten" sehr pragmatisch umgehen wird.

    "Wir suchen uns je nach Branche drei bis sechs Länder normalerweise heraus. Das heißt, es ist für uns wirklich entscheidend die Kostenfrage. Wenn das Gemeinschaftspatent günstig ist, dann werden wir auch zum großen Teil umschwenken. Dann werden einige 1000 Anmeldungen auch rauskommen für das Gemeinschaftspatent."

    Der Zuspruch zum EU-Patent wird also von der noch nicht abschließend geklärten Frage abhängen, wie viel der neue EU-weite Patentschutz im Vergleich zum Schutz in ausgewählten Ländern kosten wird. So günstig wie bei der nationalen Anmeldung werde die Gebühr selbstverständlich nicht ausfallen, so der Abgeordnete im EU-Parlament Lehnen.

    "Natürlich werden die Gebühren teurer sein als beim Bundespatentamt. Also insofern wird das nicht der "billige Jakob". Da machen wir uns auch nichts vor."

    Das EU-Patent birgt zudem ein Risiko für den Kläger. Das ergibt sich sozusagen aus der Kehrseite der Medaille. Wenn nämlich künftig gilt: eines für alle - also neben der einen Anmeldung auch das eine Verletzungsverfahren vor dem Patentgericht, dann hat der Urteilsspruch EU-weite Gültigkeit. Dass, so Patentanwalt Schriek, kann im Einzelfall aber auch mal ein Nachteil sein.

    "Dazu kommt, dass man vor Gericht das Patent durchsetzt - dann war das bisher so, dass man das national tun konnte und musste und vor nationalen Gerichten, das heißt auch vielfach. In Extremfällen kam es da sogar zu unterschiedlichen Entscheidungen. Das werden wir dann nicht mehr haben, weil es nur noch ein Verfahren geben wird. Aber dieses eine Verfahren hat natürlich dann eine erheblich größere Tragweite, weil es dann die Entscheidung über das Patent gemeinschaftsweit herbeiführen wird. Und das (ist) natürlich mit höheren Risiken verbunden. Da gewinnt man oder verliert man. Und das gilt dann eben für die ganze Gemeinschaft."

    Von außen betrachtet, von außerhalb Europas betrachtet, erschließt sich die Koexistenz der drei verschiedenen Formen von Patenten in der EU - nationales Patent, Bündelpatent und demnächst dann auch Gemeinschaftspatent - vielleicht nicht auf Anhieb. Manch einem mag es nicht als gut sortierter Werkzeugkasten erscheinen, um Patente ganz nach individuellen Bedürfnissen zu schützen, sondern auf den ersten Blick eher verwirrend. Vor allem von Nicht-Europäern hat Ilias Konteas von Businesseurope das schon öfter gehört.

    Ilias Konteas:
    "Wir haben mit Chinesen gesprochen und haben ihnen die jüngsten Entwicklungen bei den Anstrengungen Europas erklärt, sein Patentsystem zu reformieren. Dabei wurde mir klar, wie komplex und schwierig das System für Nicht-Europäer klingt. Aber wenngleich es eine sehr europäische Realität ist, so hält es doch Unternehmen keineswegs davon ab, das System ganz nach ihren Bedürfnissen zu nützen."

    In dieser Woche wird nun, wenn alles gut geht, das EU-Parlament mit seiner Zustimmung zur Verordnung über die Schaffung des Gemeinschaftspatents einen Punkt hinter die jahrzehntelange Diskussion machen. Wenn das geschieht - und davon ist auszugehen - dann geht die lange und schwierige Geburt, von der Kerstin Jorna sprach, glücklich zu Ende. Aber auch erst dann.

    "Wir wussten, eigentlich unter Dach und Fach ist nichts, bis alles unter Dach und Fach ist. Und solange nur ein Punkt nicht unter Dach und Fach ist - wie zum Beispiel der Sitz des Gerichts, wie das im Juni der Fall war - so lange können sich immer wieder Überraschungen und neue Entwicklungen ergeben, was der Fall gewesen ist."