Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

275. Geburtstag von Philip Astley
Begründer des modernen Zirkus

Philip Astley war von Jugend an ein passionierter Reiter. In London gründete er eine Reitschule mit einer Arena und begeisterte mit seinen Pferdedressuren ein Massenpublikum. Mit Clowns, Jongleuren und anderen Artisten erweiterte er seine Darbietungen und gilt als Begründer des modernen Zirkus.

Von Jürgen Bräunlein | 08.01.2017
    Ein Zirkuszelt in Brüssel
    Ein Zirkuszelt in Brüssel. Als Begründer des modernen Zirkus gilt Philip Astley. (AFP)
    "Er liebte Pferde, er war ein Pferdeliebhaber und hat daraus seinen Beruf gemacht. Und das hat er sehr gut machen können, weil er natürlich ganz genau wusste, was kommt beim Publikum an. Und das war natürlich über das Pferd zur damaligen Zeit. Und das war eine gute Möglichkeit, daraus auch etwas zu entwickeln, damit Geschichten erzählen zu können."
    Philip Astley war ein unternehmerisches Talent: Aus seiner privaten Passion machte er ein lukratives Geschäftsmodell. Mit seinen ausgeklügelten Pferdedressuren gelang es ihm, ein breites großstädtisches Publikum in seinen Bann zu ziehen.
    Geboren wurde Astley am 8. Januar 1742 in Newcastle-under-Lyme in England. Der Vater war Möbeltischler mit eigener Werkstatt, doch der Sohn verbrachte seine Zeit lieber auf dem Rücken von Pferden. Mit 17 trat er in die britische Kavallerie ein, nahm am Siebenjährigen Krieg teil und brachte es bis zum Oberfeldwebel. 1766 quittierte er den Dienst, um im Süden Londons, in Lambeth, eine Reitschule zu eröffnen.
    Am Vormittag unterrichtete er, nachmittags führte er mit seinem Reitpferd "Gibraltar" kleine Kunststücke vor. Es kritzelte mit den Hufen Wörter in den Sand, legte sich still zu Boden und sprang auf Zuruf plötzlich wieder hoch. Doch Astley wollte ein Unterhaltungsprogramm im großen Stil, für alle Schichten vom Gassenjungen bis zum König. Dafür errichtete er ein überdachtes Holzgebäude mit Bühne, Orchester, Zuschauerraum und einer runden Arena, damit die Reiter im Kreis traben konnten. So hatten sie - anders als auf einem Reitplatz - ein besseres Gleichgewicht für waghalsige Kunststücke. Um sein Unternehmen erfolgreich starten zu können, benötigte Astley Verbündete:
    "Der britische König soll ihm auch Lizenzen erteilt haben aus Dankbarkeit, weil er das Pferd dieses britischen Königs irgendwie zum Stillstand bringen konnte, das war durchgegangen, und Philip Astley soll zufällig in der Nähe gewesen sein und soll dieses Pferd eingefangen und beruhigt haben", so Sylke Kirschnick, Autorin eines Buches über die Kulturgeschichte des Zirkus.
    Clowns, Pyramidenbauer, Seiltänzer, Klaviervirtuosen
    Um 1780 wurde "Astleys Amphitheater" in London eröffnet. Der Hausherr gab einen tollpatschigen Reiter, der ständig fast vom Pferd fiel, seine Frau ritt mit Bienenschwärmen, die ihre Arme umhüllten, durch die Manege. Nach und nach fügte Astley weitere Nummern hinzu: Clowns, Pyramidenbauer, Seiltänzer, Klaviervirtuosen, doch im Zentrum blieben Kunststücke auf dem Pferd, die zu Geschichten ausgebaut wurden. Dabei griff Astley auch historische Stoffe auf.
    So brachte er in London den Sturm auf die Bastille als Pantomime auf die Bühne, und zwar schon einen Monat nach den realen Ereignissen. Dabei verwendete er Bühnenbilder mit Ansichten von den Pariser Schauplätzen und authentische Uniformen für die Darsteller. Von den Köpfen der enthaupteten Staatsdiener hatte er sich zudem Wachsabdrücke besorgt. Später stellte Astley auch die Schlacht von Waterloo nach. Dem Publikum gefiel der Geschichtsunterricht, die Vorstellungen waren meistens ausverkauft. Trotzdem hatte Astley Konkurrenz zu fürchten. Neue Zirkusse schossen zu seiner Zeit wie Pilze aus dem Boden.
    "Der Konkurrenzkampf unter den frühen Zirkusunternehmen war natürlich enorm. Die Zirkusunternehmen spielten sich zum Teil gegenseitig an die Wand. In den Pantomimen durften die nicht reden, darum waren es Pantomimen, weil es gab dieses Redeverbot sowohl in Paris als auch in London. Sprechtheater, das war der Shakespeare-Bühne vorbehalten oder in Paris der Comédie Française. So, und dann bezichtigte ein Zirkusunternehmer den anderen, in seinem Unternehmen sei gesprochen worden, und somit brachte man sich gegenseitig in Arrest."
    Dependancen in mehreren europäischen Städten
    Astley eröffnete mehrere Dependancen in europäischen Städten, darunter früh auch in Paris. Zweimal brannte sein Londoner Theater ab – die Kerzenbeleuchtung war ein ständiges Sicherheitsrisiko. Doch der Zirkuspionier machte unverdrossen weiter und konnte bis zu seinem Tod im Januar 1814 gut von seinem "Pferdetheater" leben. Sein Zirkusunternehmen existierte noch bis 1893.
    Heute gilt Philip Astley als Begründer des modernen Zirkus, obwohl er sein Unternehmen selbst nie so bezeichnet hat. Die von ihm erfundene Manege von 19, später dann 13 Metern Durchmesser, ist immer noch das Standardmaß für die Zirkusarena. Allerdings war die Bedeutung der Pferde für die Manege nie mehr so groß wie zu Astleys Zeiten.