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3.5.1919 - Vor 85 Jahren

Ich glaube, dass nicht nur Lieder geschrieben werden müssen. Es muss auch gehandelt werden. Die Welt wird nicht durch Songs, sondern nur durch Aktionen gerettet werden. Das zentrale Motto muss sein: Denke global, und handle vor Ort.

Von Michael Kleff | 03.05.2004
    Von diesem Motto hat sich Pete Seeger sein ganzes Leben lang leiten lassen. Auf den politischen Aktivisten und Vater des amerikanischen Folkrevivals berufen sich Künstler wie Joan Baez und Bob Dylan. Und dass er auch in der Welt der Rockmusik seine Spuren hinterlassen hat, zeigt Seegers Aufnahme in die Rock And Roll Hall Of Fame.

    "Which Side Are You On?" - "Auf welcher Seite stehst Du?" Für Pete Seeger war das nie eine Frage. Er stand immer auf der Seite unterdrückter und verfolgter Menschen.
    Am 3. Mai 1919 geboren als Sohn eines Musikethnologen und einer Konzertgeigerin reiste er in den dreißiger Jahren mit Woody Guthrie durchs Land und spielte vor Gewerkschaften und Landarbeitern. In den Vierzigern sang er mit den Almanac Singers antifaschistische Lieder. Mit den Weavers war der Sänger und Banjospieler auch einer der ersten in den Hitparaden erfolgreichen Folkmusiker.

    In den fünfziger Jahren wurde auch Pete Seeger Opfer der antikommunistischen Jagd auf Linke und Intellektuelle. Vor dem McCarthy-Ausschuss für "unamerikanische Aktivitäten" erklärte er:

    Ich werde keine Fragen in bezug zu meinen Verbindungen, zu meinen philosophischen und religiösen oder politischen Ansichten beantworten. ... Ich glaube, dass es völlig unangebracht ist, diese Fragen einem Amerikaner zu stellen, zumal unter der Androhung von Repressionen.

    Pete Seeger wurde der "subversiven Tätigkeit" für schuldig befunden und 1961 wegen angeblicher Missachtung des Parlaments zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Obwohl das Urteil aufgehoben wurde, dauerte es Jahre, bis der Künstler wieder im Fernsehen und im Rundfunk auftreten konnte.

    Seeger ließ sich jedoch nie entmutigen. Fortan engagierte er sich in der Anti-Vietnamkriegs- und Bürgerrechtsbewegung, der er mit "We Shall Overcome" auch gleich zu ihrer Hymne verhalf.

    Für den amerikanischen Publizisten Dave Marsh ist Pete Seeger eine der zentralen Figuren, die das musikalische, kulturelle und politische Leben verändert haben.

    Pete Seeger ist nicht nur die Inkarnation einer musikalischen, sondern auch einer politischen Kultur. Er steht für einen humanen Sozialismus oder für einen sozialistischen Humanismus. Wie man will, je nach Song. Er hat eine Vision von Gerechtigkeit und Frieden. Für so viele Menschen, Wanderarbeiter, Bürgerrechtler, Studenten, Antikriegskämpfer, Menschen im Krieg. Pete hat uns gezeigt, dass wir viel mehr erreichen können als wir glauben.

    Februar 2003. Bei den Demonstrationen gegen den Krieg im Irak stand auch Pete Seeger in der ersten Reihe. Dafür hatte er sogar einen neuen Song geschrieben – "Take It From Dr. King". Man müsse nur dem Beispiel von Martin Luther King folgen, um sein Ziel zu erreichen, singt er.

    Noch immer ist Pete Seeger ständig im Einsatz, wenn es gilt, politische und soziale Missstände anzuprangern. Mit 85 Jahren glaubt er jedoch, seine historische Aufgabe erfüllt zu haben.

    Ich kann mir keinen glücklicheren Menschen vorstellen. Ich habe von meiner Musik gelebt. Ich bin für die Menschen aufgetreten, die mit mir singen wollten. Was kann man sich mehr wünschen? Heute bin ich glücklich, so lange gelebt zu haben, um noch zu sehen, wie junge Menschen diese Arbeit fortsetzen.