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EU-Türkei-Gipfel
Türkei fordert deutlich mehr Geld

Die Türkei soll die Lösung für die Flüchtlingskrise sein und bietet der EU Entlastung in der Flüchtlingskrise an. Doch Ministerpräsident fordert Gegenleistungen, vor allem neue Finanzhilfen - der Gipfel wurde bis in den Abend verlängert.

07.03.2016
    EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu and EU-Ratspräsident Donald Tusk (von links nach rechts)
    Gipfeltreffen: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu and EU-Ratspräsident Donald Tusk (dpa / AFP pool / Emmanuel Dunand)
    Die Türkei könnte mehr Flüchtlinge aus Griechenland zurücknehmen als bislang angekündigt. Beim Gipfel mit der Europäische Union in Brüssel legte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach Angaben von Diplomaten am Montag "neue und ehrgeizige Ideen" zum Thema vor.
    Davutoglu schlägt "Eins-zu-eins-Formel" vor
    Davutoglu sagte, das Ziel des neuen Vorschlags sei, "Leben von Flüchtlingen zu retten und diejenigen zu entmutigen, die die verzweifelte Lage der Flüchtlingen missbrauchen und ausnutzen wollen". Die EU künftig könnte demnach alle illegal einreisenden Migranten wieder in die Türkei zurückschicken - also nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge, sondern auch Syrer. Flüchtlingen soll so der Anreiz genommen werden, sich Schlepperbanden anzuvertrauen. Damit die Türkei mit der Last nicht alleine bleibt, will sie aber für jeden zurückgebrachten Migranten einen auf legalem Weg in die EU schicken. Diplomaten sprachen von der "Eins-zu-Eins"-Formel.
    Über Vereinbarungen mit der Regierung in Ankara will die EU den unkontrollierten Zustrom von Flüchtlingen in Richtung Westeuropa eindämmen. Über die Türkei kommen derzeit die meisten Flüchtlinge nach Griechenland, von dort aus über die Balkan-Staaten in Länder wie Deutschland. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen leben heute 2,7 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei - und es werden monatlich mehr.
    Türkei stellt Forderungen
    Die Türkei fordert laut EU-Parlamentschef Martin Schulz von den Europäern bis 2018 weitere drei Milliarden Euro. Die EU hatte der Türkei bereits im vergangenen November drei Milliarden Euro zur besseren Flüchtlingsversorgung zugesagt. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beschwerte sich, dass das Geld noch nicht angekommen sei: "Vier Monate sind vergangen, sie haben sie uns immer noch nicht gegeben."
    Für ihr Entgegenkommen in der Flüchtlingsfrage verlangt die Türkei aber noch mehr, wie Thomas Bormann für den Deutschlandfunk berichtet: Sie möchte erreichen, dass ihre eigenen Staatsbürger künftig ohne Visum in EU-Länder reisen können. Und sie fordert, die Verhandlungen für einen Beitritt der Türkei in die EU auszuweiten.
    Die EU-Chefs berieten am Nachmittag über die Vorschläge Davutoglus. Zuvor hatten sie mit dem Mann aus Ankara gut zwei Stunden lang gesprochen. Eine weitere Sitzung mit Davutoglu war laut Diplomaten für den Abend geplant.
    Trittin fordert: "Kein Rabatt bei Menschenrechten"
    Allerdings erscheint ein baldiger EU-Beitritt der Türkei sehr unwahrscheinlich, nachdem die türkische Staatsführung immer härter gegen kritische Zeitungen vorgeht - wie der Sturm auf die Zeitung Zaman am Wochenende gezeigt hatte. Jürgen Trittin forderte von der EU Haltung in den Verhandlungen. Auch wenn die Türkei in einer guten Verhandlungsposition sei, dürfe es keine Rabatte bei den Menschenrechten geben, sagte der Grünen-Politiker im Deutschlandfunk. Die türkische Oppositionspartei HDP übte konkret Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Seit es die Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise gebe, schweige die deutsche Regierung zu Menschenrechtsverletzungen und zum Druck auf die Medien, sagte der Ko-Vorsitzende Selahattin Demirtas.
    Ein gemeinsamer Pressetermin von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mit dem türkischen Regierungschefs Ahmet Davutoglu vor Beginn des Gipfels ist abgesagt. Schulz hatte angekündigt, die Erstürmung der Zeitung "Zaman" durch die türkische Polizei bei dem Treffen ansprechen zu wollen.
    Österreich und Visegrad-Staaten wollen Balkanroute "schließen"
    Wegen Grenzkontrollen unter anderem in Mazedonien passierten zuletzt weniger Menschen die sogenannte Balkanroute. In Griechenland strandeten Zehntausende Menschen. Forderungen, die Balkanroute für Flüchtlinge komplett zu schließen, sorgten auch beim Gipfel in Brüssel für Diskussionen. Merkel sagte dazu: "Es kann nicht sein, dass irgendetwas geschlossen wird." Die CDU-Politikerin lehnte damit eine Formulierung in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Gipfels ab. Über sie sollte die Flüchtlingsroute über den westlichen Balkan für "geschlossen" erklärt werden.
    Länder an der Balkanroute verteidigten hingegen die Formulierung. "Ich bin sehr dafür, mit klarer Sprache allen zu sagen: Wir werden alle Routen schließen, die Balkanroute auch", sagte der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann, dessen Land zuletzt Obergrenzen für Flüchtlinge eingeführt hatte. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban erklärte: "Die Grenzen müssen geschlossen werden." Niemand dürfe mehr ohne Erlaubnis und Registrierung durchkommen.
    (nch/tgs)