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3-D-Drucker
Milchverschluss mit Frischesensor

3D-Drucker sind in der Lage, Schicht für Schicht beliebige Körper aufzubauen. Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in Berkeley haben nun einen Körper gedruckt, der auch elektronische Funktionen ausführt. Es geht um einen Verschluss für Milchkartons.

Von Manfred Kloiber | 19.08.2015
    Milchkannen auf einem Holztisch
    Mit dem Smart-Cap soll die Frische der Milch garantiert werden. (dpa/picture-alliance/Markus C. Hurek)
    Schlechte Mich, das passiert schnell, wenn die Milch zu lange im Kühlschrank steht. Sie wird schmeckt unangenehm. Doch statt einem Schluck sauerer Milch schlägt der Professor für Maschinenbau Liwei Lin von der Universität von Kalifornien in Berkeley einen Kappentausch vor. Mit einem 3-D Drucker hat er einen Milchkarton-Verschluss der besonderen Art gedruckt:
    "Er ist in der Lage zu erkennen, ob die Milch frisch ist oder nicht. Das ist ein ganz einfacher elektronischer Schaltkreis mit einem Kondensator und einer Spule. Und der Kondensator misst den Zustand der Flüssigkeit. Wenn die Milch zwischen die beiden Platten gerät, kann ihre Frische gemessen und das Ergebnis drahtlos übertragen werden."
    In der Kappe hängt ein winziger Regenschirm, der beim Umdrehen eine kleine Milchprobe auffängt. Und in diesem Plastikschirm mit eingedruckt ist ein Kondensator. Die Frische der Milch zwischen den Kondensatorplatten wird durch ein Pipsignal deutlich.
    Je nachdem, ob die Milch gut oder schlecht ist ändert sich die Resonanzfrequenz des eingedruckten Schaltkreises. Mit einem sehr einfachen Messgerät könnte die Kundschaft im Supermarkt den Test selber machen, oder auch mit einer eigenen App auf dem Smartphone. Vor allem in der möglichen Verbindung von selbstgedruckten "Dingen" mit dem Smartphone stecke viel Potenzial, erklärt Liwei Lin. Besonders im Medizinbereich:
    "Es geht um Einweg-Produkte zum Beispiel für medizinische Anwendungen zu Hause. Etwa ein Bluttest für ihre spezifischen Werte. Denken Sie an ein Testset, das drucken sie sich aus, machen den Bluttest und werfen es danach weg. Das wird sehr, sehr preiswert. Da können andere Herstellungstechnologien nicht mithalten, wenn es um Dinge geht, die extrem auf den Patienten zugeschnitten sind."
    Doch ganz so einfach, wie Professor Lin es für die Zukunft prognostiziert, war der 3D-Druck seiner Smart-Cap für den Milchkarton nicht. Denn streng genommen wurden die elektronischen Bauteile gar nicht gedruckt, sondern gegossen.
    Überall, wo leitfähiges Material entstehen sollte, wurde statt mit Kunststoff mit Wachs gedruckt. In einem zweiten Schritt wurde das Wachs heraus geschmolzen. Schritt drei: Die so entstandenen Hohlräume wurden mit flüssigem Silber wieder aufgefüllt. Preiswert war der Druck auch nicht. Auf 50 US-Cent schätzt Lin den Materialwert. Etwa die Hälfte von dem, was heute ein Milchkarton samt Inhalt kostet.
    Oliver Refle, 3D-Druck-Experte beim Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart, ist deshalb auch sehr viel skeptischer. Auf glatten Flächen elektronische Komponenten mit leitenden und sogar halbleitenden Substanzen zu drucken, das ginge schon ganz gut. Aber in sie funktionale Körper direkt einzudrucken, das sei sehr, sehr aufwendig:
    "Da sind natürlich 'ne Menge Materialen im Spiel, die sehr präzise und exakt dosiert und miteinander vernetzt oder gekoppelt werden müssen, um eben diese elektronischen Funktionalitäten im Drucken zu erreichen. Das ist möglich; dafür gibt es genügend Veröffentlichungen und Beispiele. Aber der Aufwand der dahinter steht und der Nutzen, der dann das Ganze aufwiegen müsste, der ist doch sehr gering. Und die Klimmzüge, um so etwas wirklich in die Fertigung zu bekommen, wären recht hoch."
    Von der Herstellung zu Hause ganz zu schweigen. Oliver Refle hält deshalb die hybriden Produktion von mechanischen Bauteilen mit elektronischen Funktionalitäten für naheliegender. Fertige elektronische Baugruppen werden dabei im Druckprozess gleich an passender Stelle eingesetzt. Auch dieses Verfahren sei noch in der Entwicklung, böte sich aber für hochspezialisierte Industrieprodukte in Kleinserien an:
    "Das ist auch eine Schwierigkeit, dass eben dort eine sehr enge Verzahnung stattfinden muss zwischen dem generativen Prozess, auf der einen Seite und dem Montageschritt, der ja nun notwendigerweise automatisiert vonstatten gehen muss. Genau da liegt momentan auch der Bedarf, erst mal passende Verfahrenskombinationen zu entwickeln und soweit zu treiben, dass die auch stabil und einsetzbar sind."