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300 Jahre Freimaurer
Zaghafte Öffnung

Die Freimauerer gelten als Geheimloge. Doch zu ihrem 300-jährigen Bestehen zeigt sich, dass die traditionsreiche Vereinigung bereit ist, sich im Zeitalter von Transparenz ein Stück weit zu öffnen - auch, um den potenziellen "Nachwuchs" zu erreichen. Eine Reportage aus Hannover.

Von Dietrich Mohaupt | 27.06.2017
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    Die Freimaurer geben nicht viele Informationen nach Außen: Doch nun zeigt sich, dass die Verschlossenheit auch zu einem PR-Problem werden kann. (Imago)
    An einem unscheinbaren Haus in einer kleinen Seitenstraße in der Nähe des Maschsees leuchtet über dem Hauseingang – messingfarben auf tiefblauem Grund – das Freimaurerzeichen: Winkelmaß und Zirkel.
    Friedhelm Kreth, Mitglied der Loge "Zum schwarzen Bär", schließt die Tür zu einer 300 Jahre alten Welt auf. Durch das Foyer des Logenhauses geht es unter anderem ins Scharnhorst-Zimmer. In dem nach dem preußischen Armeereformator – ebenfalls ein Freimaurer – benannten Raum treffen sich die Logenbrüder regelmäßig – auch zu den sogenannten Kerzengesprächen, bei denen, wie der Name schon sagt, eine Kerze eine gewisse Rolle spielt. Wobei…
    "…die Kerze ist da eigentlich gar nicht so wichtig, sondern sie symbolisiert, dass ich in dem Moment das Wort habe. Es wird ein Thema vorgegeben – und über dieses Thema wird dann diskutiert. Diskutiert heißt: Ich sage meine Meinung zu diesem Thema – und solange wie die Kerze vor mir steht, solange darf ich sprechen!"
    Die "Dunkle Kammer" bleibt verschlossen
    Klingt nicht sonderlich geheimnisvoll oder mystisch – das ändert sich dann aber ein wenig im Obergeschoss des Hauses. Peter Rosenstein, Mitglied in der Loge "Georg m Hohen Ufer", deutet auf eine unscheinbare Tür, hinter der sich die sogenannte "Dunkle Kammer" verbirgt. Hier beginnt der Aufnahmeritus für Neu-Mitglieder der Loge.
    "Da wird der Aufzunehmende vorbereitet – das heißt, er sitzt da drin und macht sich Gedanken über Fragestellungen, die ihm die Loge vorlegt, über Gott, die Welt, die Gesellschaft und alles das, was er für die Loge in Zukunft tun könnte und was die Loge vielleicht für ihn tun könnte."
    Die "Dunkle Kammer" bleibt heute für uns verschlossen – dafür öffnet Peter Rosenstein eine andere Tür. In dem schlichten Raum dahinter stehen mehrere Stuhlreihen rechts und links an den Wänden, eine Art Pult an der Kopfseite, davor zwei große, säulenförmige Kerzenständer.
    "Da sind wir im sogenannten Dreier-Tempel – hier werden die Erhebungen zum Meister vorgenommen. Wir arbeiten ja, das dürfte bekannt sein, in drei Graden: des Lehrlings, des Gesellen und des Meisters. Und dieser Raum ist speziell für die sogenannten Meistererhebungen, also den Aufstieg in den dritten Grad vorgesehen."
    Zu den Ritualen dabei schweigt Peter Rosenstein. Der Tempel ist, so wie er sich jetzt darstellt, auch nicht vollständig eingerichtet – und nur deshalb frei zugänglich.
    "Wenn der allerdings eingerichtet wäre – das heißt, so, als ob wir zu Arbeit, zur freimaurerischen Arbeit schreiten würden, dann würden wir Ihnen den auch sehr ungern zeigen."
    Das Ideal der Freimaurer: die persönliche Entwicklung
    Trotz aller Verschwiegenheit und Geheimhaltung – mystische Geheimniskrämerei sei kein Wesenszug des Freimaurertums, betont Peter Rosenstein. Man wolle einfach nur die eigentliche Logenarbeit und ihre Rituale nicht an die große Glocke hängen.
    "Wir Freimaurer gehen davon aus, dass die sogenannte Arbeit an sich selbst – wir nennen es die 'Arbeit am rauen Stein' – über das persönliche Beispiel nach außen wirkt. Das heißt, der Einzelne wirkt auf seine Persönlichkeit mittels Ritualen, mittels Symbolen, mittels des vertraulichen Gesprächs mit seinen Brüdern auf sich ein, um – na, ich nenne es mal: Einen besseren Menschen aus sich zu machen."
    Bei diesen Ritualen spielen die jahrhundertealten Symbole aus der Maurerei, ursprünglich aus den Dombauhüten, eine entscheidende Rolle. Winkel, Zirkel, Lot oder Wasserwaage – das sind auch heute noch die Eckpfeiler ritualisierter Dialoge, die tatsächlich von der Öffentlichkeit streng abgeschirmt werden. Damit stehe die moderne Freimaurerei – vor allem in Deutschland – vor einem echten Dilemma, meint Peter Rosenstein.
    "Ich denke, wir haben ein ziemliches Defizit darzustellen, was wir eigentlich machen und warum wir es machen. Und wenn man nicht kommuniziert, dann entstehen falsche Bilder und Gerüchte. Weder strebt die Freimaurerei die Weltherrschaft an noch stürzen wir Regierungen oder tun sonst irgendwas – wir sind eine brüderliche Vereinigung, die danach strebt, in der der Einzelne danach strebt, selber an sich zu arbeiten."
    Wie erreicht man den "Nachwuchs"?
    Diese Forderung nach einer vorsichtigen Öffnung der Logen unterstützt bei einem Festakt zum 300. Jubiläum der modernen Freimaurerei in Hannover auch der ehemalige Präsident des niedersächsischen Landtags, Jürgen Gansäuer – auch er ein Freimaurer. Vor allem mit Blick auf den Nachwuchs sei das zwingend notwendig, denn…
    "Junge Menschen haben heute andere Empfindungen als noch vor 50 und 100 Jahren – und in 50 und 100 Jahren wird es wieder andere Einstellungen zu bestimmten Problemen geben. Und diesen Fortschritt, den müssen wir natürlich mitgestalten – aber immer auf der Basis unserer Grundüberzeugungen, die eben auch vor 300 Jahren so wichtig waren wie noch in 300 Jahren."
    Diesen Prozess der behutsamen Öffnung und Modernisierung wollen die Freimaurerlogen in Hannover im Jubiläumsjahr noch mit einigen öffentlichen Veranstaltungen vorantreiben – unter anderem ist am 1. September die Zentrale Festveranstaltung der Vereinigten Großlogen aus ganz Deutschland im Sprengel Museum geplant.