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32 Tote bei Brand in Moskauer Studentenwohnheim

Bei dem Brand in einem Moskauer Studentenwohnheim sind heute morgen 32 Menschen ums Leben gekommen, über 130 wurden mit Verletzungen in Krankenhäuser gebracht. In dem Gebäude der Patrice-Lumumba-Hochschule für Völkerfreundschaft lebten hauptsächlich ausländische Studierende aus China, Vietnam und Afrika. Das Feuer konnte erst nach fünf Stunden gelöscht werden.

24.11.2003
    Campus & Karriere: Ruth Dickhoven in Moskau, was weiß man über die Brandursache?

    Dickhoven: Also, zunächst kursierten drei Versionen, wonach es sich um Brandstiftung handeln könnte, um Fahrlässigkeit im Umgang mit einem Gaskocher auf dem Zimmer und eventuell um einen Kurzschluss in einer defekten Leitung. Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass es sich doch wohl um Fahrlässigkeit oder um Kurzschluss handelt. Drei Mädchen aus Afrika, die erst seit einem Monat dort gewohnt haben, haben das Wohnheim verlassen, sind geflüchtet, eine ist gefunden worden. Sie sind möglicherweise durch den Schreck weggelaufen, also das weiß man jetzt noch nicht genau. Sie werden befragt, sie können aber noch kaum Russisch. Es sieht wahrscheinlich so aus, dass es irgendwie mit einem Koch- oder Heizgerät zusammenhängt, das in diesem Zimmer war, wo die drei Mädchen aus afrikanischen Ländern, Kenia, Mali und Nigeria, gewohnt haben.

    Campus & Karriere: Unter den Opfern waren ja ausschließlich ausländische Studierende, die dort auf engstem Raum zusammenlebten. Was war das genau für ein Wohnheim?

    Dickhoven: Die Patrice-Lumumba-Universität ist 1960 gegründet worden, um aus den befreundeten, befreiten Exkolonien Studenten einzuladen und als zukünftige russisch- oder sowjetfreundliche Kader auszubilden. Und dieses Wohnheim wurde als so genanntes Quarantänewohnheim benutzt. Diejenigen, die gerade angekommen sind, mussten erst einmal ein, zwei Monate dort wohnen, um auf Tropenkrankheiten untersucht zu werden. Von da aus werden sie dann in weitere Wohnheime verlegt. Sie beginnen dann dort auch Russisch zu lernen. Eben diese Mädchen, in deren Zimmer der Brand ausbrach, waren ja auch erst seit einem Monat in Moskau.

    Campus & Karriere: Wie sind denn die Lebensbedingungen dieser Studenten in diesem Wohnheim?

    Dickhoven: Also, das ist schon sehr bescheiden. Ich kenne dieses spezielle Wohnheim nicht, aber andere, auch der Lumumba-Universität, von früheren Besuchen. Das ist schon extrem bescheiden, wie da gelebt wird und es hängt immer davon ab, wie die Unterstützung von zu Hause ist. Es gibt hier in Moskau regelmäßig Demonstrationen von afrikanischen Studenten vor deren Botschaften, dass die Stipendien nicht ausgezahlt werden und die Studenten dann oft überhaupt nicht wissen, wovon sie leben sollen. In vielen Fällen ist es sogar so, dass Studenten ihr Studium abgeschlossen haben und da überhaupt kein Geld mehr von zu Hause oder von ihrer Regierung fließt, können sie nicht ihr Rückflugticket bezahlen und können nicht mehr nach Hause reisen. Also, es hängt natürlich ein bisschen von den Umständen ab, wie die Familie betucht ist, die vielleicht ihren Kindern helfen kann, aber wenn das nicht der Fall ist, dann leben die schon oft sehr arm.

    Campus & Karriere: Es wurde ja zu Anfang auch über Brandstiftung als Ursache spekuliert und möglicherweise auch aus rassistischen Motiven. Ist Rassismus denn ein Problem an russischen Universitäten?

    Dickhoven: Ja, das ist leider ein großes Problem. Es gibt alleine in Moskau über 5.000 gewaltbereite Skinheads und viele der ausländischen Studenten, auch derer, die an der Lumumba-Universität studieren, haben sich schon sehr häufig darüber beklagt, dass sie Gewalt ausgesetzt sind, dass sie abends auf dem Heimweg zusammengeschlagen werden, überfallen werden. Das ist leider keine Seltenheit, auch Überfälle nicht nur auf Studentenwohnheime, sondern auch auf Wohnheime, in denen Flüchtlinge wohnen oder Gastarbeiter aus südlichen Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Es hat auch öfter schon Initiativen von Studenten nicht nur in Moskau, sondern auch in anderen russischen Städten gegeben, von ausländischen Studenten, die gesagt haben, wir halten das nicht mehr aus. Wir trauen uns nicht mehr raus aus unseren Wohnheimen und allein aus diesem Grund hat man zunächst auch für sehr gut möglich gehalten, dass es sich eventuell um einen rassistischen Brandanschlag gehandelt haben könnte, aber im Moment sieht das nicht mehr so aus. Es sieht wahrscheinlicher aus, dass eben tatsächlich hier ein unsachgemäßer Umgang oder ein Unfall passiert ist mit Elektrogeräten.

    Campus & Karriere: Informationen von Ruth Dickhoven, vielen Dank nach Moskau.