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3D-Aufzug ohne Seil
Auch horizontal durchs Gebäude gleiten

ThyssenKrupp entwickelt zurzeit einen Aufzug, der komplett ohne Seil funktioniert. Die neue Transportkabine kann nicht nur auf und ab, sondern Personen auch horizontal von A nach B transportieren. In der Schwebe gehalten wird der Aufzug von Magnetspulen.

Von Haluka Maier-Borst | 18.12.2014
    Rauf oder runter, das sind normalerweise die Richtungen, in die ein Fahrstuhl fahren kann. Doch geht es nach den Ingenieuren von ThyssenKrupp soll sich das ändern. Sie entwickeln quasi einen 3D-Aufzug. Der soll in Zukunft nicht nur aufwärts und abwärts fahren. Bei MULTI soll es auch nach links und rechts gehen. Die Kabinen sollen horizontal durch Stockwerke gleiten können, denn sie sind nicht an Seile gebunden.
    "Anstatt eines Motors, der über ein Seil die Kabine antreibt, sind es bei MULTI magnetische Spulen in der Aufzugsschiene, die die Kabine bewegen", sagt Patrick Bass, der Chefentwickler des Projekts. Der Antrieb ist ein sogenannter Linearmotor, wie er auch beim Transrapid verwendet wurde. Die Magnetspulen in der Aufzugsschiene halten den Aufzug in der Schwebe, weil an der Kabine Permanentmagneten befestigt sind. Polt man nun den elektrischen Strom an den Magnetspulen um, entsteht ein Wechselspiel zwischen Kabine und Aufzugsschiene. Das magnetische Anziehen und Abstoßen führt zu einem kontinuierlichen Gleiten der Aufzugskabine.
    "Gegen Ende haben wir auch noch die Technik der Aufzugsschienen weiterentwickelt, sodass Kabinen sogar diagonal durch ein Gebäude fahren können, wenn die Schienen entsprechend verlegt sind"
    Mehrere Kabinen können in einem Schacht fahren
    Die neue Technik ermöglicht aber nicht nur, dass die Kabinen in jede beliebige Richtung fahren können. Auch die Zahl der Kabinen in den einzelnen Schächten kann dadurch variiert werden, wie Patrick Bass erklärt:
    "Bislang war es so, dass wir mit einer, maximal zwei Kabinen im Schacht fahren konnten. Jetzt kann ich aber gleich mehrere Kabinen in einem Schacht betreiben. Und außerdem kann ich je nach Bedarf Kabinen einfügen oder herausnehmen wie die Waggons einer U-Bahn."
    Das MULTI-System hat aber noch weitere Vorteile. Zum einen sind die Kabinen und Schächte kleiner und nehmen so weniger Baufläche weg. Zum anderen sind die Kabinen vom Gewicht her leichter. Und auch den Fall, dass eine Kabine stecken bleibt, haben die Ingenieure bedacht.
    "Wenn eine Kabine hängen bleibt, dann können wir das Gleiche machen wie heute auch, also die Passagiere sicher und komfortabel aus der Kabine bringen. Während das aber geschieht, müssen wir nicht die ganze Anlage stoppen. Wir können die anderen Kabinen um die stecken gebliebene herum manövrieren."
    Ab 2016 will ThyssenKrupp das System in voller Größe erproben und zwar in einem Testturm im schwäbischen Städtchen Rottweil. Der Grundstein für diesen Turm wurde vor kurzem gelegt. Patrick Bass glaubt sogar, dass schon in rund sechs Jahren die ersten Multi-Aufzüge im Einsatz sein könnten. Und wie es dann für den Fahrstuhlfahrer klingen wird, weiß der Ingenieur ebenfalls schon.
    "Eine Sache, um die sich Leute Sorgen gemacht haben, ist, ob es mehr vibrieren wird wegen der Linearmotortechnik. Aber unsere Antwort darauf ist: Nein. Denn wenn man auf die traditionellen Aufzüge guckt, dann sind die Seile das, was viel Lärm verursacht und das wird bei uns natürlich fehlen. Entsprechend sollten Geräusche und das Fahrgefühl ähnlich gut oder sogar besser sein."
    Auch wenn sich also an der Technik von Aufzügen viel ändert, viel merken wird der Nutzer davon nicht.