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3D-Drucker-Farm in Prag
Abenteuerspielplatz für Erwachsene

Warum lange auf ein Ersatzteil warten? Als Josef Prusas Mischpult kaputtging, konstruierte er lieber einen 3D-Drucker und produzierte das Ersatzteil selbst. Damit war eine digitale Geschäftsidee geboren, mit der seine Firma inzwischen auf dem Weltmarkt mitspielt.

Von Kilian Kirchgeßner | 14.10.2019
Firmengründer Josef Prusa
Not macht erfinderisch: Josef Prusas Firmenidee entstand, nachdem sein Mischpult einen Defekt hatte. (Deutschlandradio / Kilian Kirchgeßner)
Noch steckt der Chef in einem Fototermin, ein Magazin irgendwo aus dem Ausland hat einen Fotografen geschickt. Josef Prusa posiert im Treppenhaus seiner Firma: Der Hipster-Vollbart ist frisch gebürstet, auf dem Kopf trägt er die markante Schiebermütze und die mächtige schwarze Brille, die zu seinen Markenzeichen geworden sind. Auf seinem schwarzen T-Shirt leuchten Zeichentrick-Figuren aus einem Fantasy-Film. Prusa ist bestens gelaunt.
Ob sie nicht auch ein Foto machen wolle, ruft er einer Mitarbeiterin zu, die sich feixend an ihm in den langen Flur vorbeidrängt. Krawatte trägt hier niemand, Josef Prusa mit seinem Freizeit-Look und seinem lockeren Umgangston verzichtet auf jegliche Chef-Attitüde.
"Wir sind hier nicht so steif. Wenn eine Firma so schnell wächst wie wir, ist es einfacher, wenn die Atmosphäre freier ist. Wozu hier überflüssig irgendeine Spannung schaffen, einen Dresscode oder so etwas?"
"Wenn man die Kunden trifft, das ist am besten"
Josef Prusa ist 28 Jahre alt, und trotz seiner mehr als 300 Mitarbeiter wirkt er so, als sei er eher aus Versehen in der Rolle des Chefs gelandet. Er baut 3D-Drucker, in fast allen Vergleichstests landen sie auf den Spitzenplätzen. Prusa selbst tüftelt am liebsten an der Technik herum oder diskutiert in New York oder Tokio auf Messen mit den Käufern, die meisten sind ähnliche Technikfreaks wie er selbst.
"Wenn man die echten Kunden trifft – das ist am besten. Sobald ich hier ins Büro komme, lösen wir von morgens bis abends nur irgendwelche Probleme. Ein Lieferant hat die falschen Teile geliefert, irgendwo hat ein Rohrbruch ein halbes Stockwerk überflutet, lauter solche Sachen, und man ist den ganzen Tag damit beschäftigt. Das ist nicht so erfüllend, wie die echten Kunden zu treffen, die zufrieden sind."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "An die Spitze - Das digitale Paradies in Tschechien" in der Sendung "Gesichter Europas".
Prusa geht voran, der Fotograf will ihn noch vor anderem Hintergrund aufnehmen. Lang sind die Flure, über die Prusa geht; lang und schmucklos. Ein Betonklotz aus sozialistischen Zeiten beherbergt seine Firma, gelegen am Rand des Prager Zentrums, sechs Stockwerke hoch und 7.000 Quadratmeter groß. Es sieht aus wie auf einem Abenteuer-Spielplatz für Erwachsene: Jeder Mitarbeiter hat neben seinem Schreibtisch einen 3D-Drucker, um einfach experimentieren zu können, wenn es zwischendurch mal etwas ruhiger zugeht.
Von der Musik zum 3D-Druck
"Ich hatte Spaß an Musik, als ich noch studiert hatte, elektronische Musik. Ich habe am Mischpult gestanden mit den verschiedenen Knöpfen und Reglern – und so kam ich eines Tages auf den 3D-Druck."
Das war, als einer der Regler kaputt ging. Muss man da jetzt wirklich wochenlang auf ein Ersatzteil warten, fragte sich der Informatik-Student, oder kann man sich nicht selber helfen? Sieben Jahre ist das jetzt her, und Josef Prusa las sich in alles ein, was es über den 3D-Druck damals gab. Am Ende konstruierte er selbst einen Drucker, mit dem er sich den Regler für sein Mischpult ausdruckte – ein Drucker war es, der besser war als vieles, was es auf dem Markt damals gab.
"Da habe ich einfach eine Firma gegründet. Der Anfang war langsam, ich fühlte mich noch nicht so weit, das gleich groß aufzuziehen. Ich habe dann Schulungen gegeben, und wer dort hinkam, konnte sich auch einen Drucker kaufen – das war hier in Prag. Erst später, als die Technik immer besser wurde, haben wir angefangen, auch ins Ausland zu versenden.
Drucker drucken Druckerteile
Mit dem Fotografen ist Prusa jetzt im Herzstück seiner Firma angekommen: in der sogenannten Drucker-Farm. In langen Regalen stehen hier 3D-Drucker, neben- und übereinander 400 Stück, sie alle arbeiten auf Hochtouren. Es ist ein geniales Fertigungssystem: Die Drucker reproduzieren sich selbst. Sie drucken die Teile aus, die nötig sind, um die nächsten 3D-Drucker zusammenzusetzen. Rund um die Uhr laufen die Maschinen, zur Bedienung sind nur zwei, drei Techniker nötig. Josef Prusa posiert für den Fotografen in einem Gang, links und rechts ragen Regale mit Druckern auf.
"Diese Druckerfarm hilft uns, weil wir darin unser Produkt gleich selbst testen. Am besten ist ein Produkt immer dann, wenn Sie damit Ihre eigenen Erfahrungen machen, wenn Sie Ihr eigenes Problem damit lösen."
Figuren von Firmengründer Josef Prusa aus dem 3D-Drucker
Mit 3D-Druckern lassen sich alle möglichen Formen herstellen - auch Abbilder des Firmengründers (Deutschlandradio / Kilian Kirchgeßner)
Dieses Verkaufsargument kommt an: Weltweit sind die Drucker von Josef Prusa gefragt, die Unternehmensberatung Deloitte kürte sein Unternehmen unlängst zur am schnellsten wachsenden Firma in Mitteleuropa – und das auf hohem Niveau: Im Jahr 2018 setzte Prusa mehr als 50 Millionen Euro um.
"Wenn ich manchmal in den Nachrichten sehe, wie die Firmen sich auf die Schulter klopfen, weil sie gerade ein Umsatzwachstum von drei Prozent geschafft haben, dann sage ich mir: Hey, Mann, wir haben hier hunderte Prozent! Und da haben wir eine tatsächliche Produktion. Wenn sich bei Facebook über Nacht die Benutzerzahl verdoppelt, dann vergrößern die ihren Serverraum und fertig. Wir müssen die Produktion vergrößern, vielleicht ein größeres Gebäude suchen und so weiter. Kaum eine technologische Firma kann so schnell wachsen wie wir."
Da klingt er dann doch durch, der Stolz des Geschäftsmanns und nicht nur der des Technikers.
Eine Produktion des Deutschlandfunk von März 2019