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40 Jahre nach Francos Tod
Spanien ringt um die Erinnerung an die Opfer des Regimes

Seit 1975 ist Spaniens ehemaliger Diktator Francisco Franco tot. Aber das Land ist bis heute nicht richtig über diese Diktatur hinweg. Den Opfern des Regimes wird immer noch Gerechtigkeit und Wiedergutmachung verwehrt. Nun haben mehrere Menschenrechtsanwälte geklagt: Sie wollen Francos Gebeine aus dem Mausoleum im Tal der Gefallenen heraus haben.

Von Hans-Günter Kellner | 28.02.2017
    Eine von Rost verfärbte Kette hängt am 12.10.2011 auf dem Gelände des Tals der Gefallenen (Valle de los Caídos) nahe Madrid. Die Gedenkstätte zu Ehren der Gefallenen der faschistischen Truppen Francos im Spanischen Bürgerkrieg gilt als bedeutendes architektonisches Symbol der Diktatur Francos und wurde u.a. von etwa 20 000 Zwangsarbeitern errichtet.
    Valle de los Caidos - Tal der Gefallenen (picture alliance / dpa / Bodo Marks)
    Das enorme Kreuz aus Beton ist weithin sichtbar. Es thront über der von Tausenden von Zwangsarbeitern in den Fels gehauenen Basilika. Auf zwei Gräbern rechts und links des Altars liegen immer frische Blumen, hier sind Spaniens Ex-Diktator Francisco Franco und der Gründer der faschistischen Falange Partei, José Antonio, bestattet. Das Tal der Gefallenen ist das bekannteste Symbol für Francos fast 40-jährige Herrschaft. Doch das soll sich jetzt ändern:
    "Wir wollen zunächst, dass jedes Symbol des Franco-Regimes dort entfernt wird. Die Gebeine von Franco und José Antonio sollen exhumiert werden. Außerdem soll daraus ein Ort der Erinnerung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung werden", sagt Rechtsanwalt Manuel Ollé. Er ist neben dem ehemaligen Untersuchungsrichter Baltasar Garzón einer der Spezialisten für Internationales Recht und Menschenrechte, die eine Umwidmung des Tals der Gefallenen gerichtlich durchsetzen wollen.
    "Mehr als 114.000 Opfer der Repression des Franco-Regimes gelten noch heute als verschwunden. Wir haben uns immer gefragt, warum genießen die dafür verantwortlichen Täter das Privileg, dort so exponiert bestattet zu sein, und die Opfer werden vergessen."
    Gebeine exhumiert ohne Einverständnis der Angehörigen
    Zumal ein Gesetz zum Historischen Gedächtnis seit 2007 schon Symbole des Franco-Regimes an öffentlichen Gebäuden und andere Formen der Huldigung an das Regime untersagt. Und in der Basilika liegen in Stollen bis heute auch die Gebeine von Tausenden von Opfern des Regimes – bestattet ohne Einverständnis ihrer Angehörigen. So etwa die von Valerico Canales, Vater von Faustino Canales:
    "Es war zwei Uhr morgens. Wir schliefen alle. Die Falangisten kamen, fesselten meinen Vater und zwangen ihn zusammen mit sechs weiteren aus dem Dorf auf einen Lastwagen. 25 Kilometer weiter richteten sie sie hin. Ein achter konnte vor der Verhaftung zwar fliehen. Aber später entdeckten ihn zwei Nachbarn aus dem Dorf. Sie nahmen ihn fest, fuhren ihn im Auto weg – und kamen ohne ihn zurück."
    Der Sohn fand erst 2003 heraus, wo die Täter die Toten verscharrt hatten. Doch in der Grube fanden sie nur noch unvollständige Knochenreste. Das Regime hatte die Gebeine exhumiert und ins Tal der Gefallenen gebracht, ohne die Angehörigen zu informieren. 2008 verfügte ein Untersuchungsrichter am Nationalen Gerichtshof auf Faustinos Antrag zwar, dass die Gebeine von Faustinos Vater aus der Basilika exhumiert werden müssten. Doch nur einen Monat später annullierte das Gericht die Anordnung auf Antrag des Staatsanwalts.
    "Ich habe dem Chefstaatsanwalt am Nationalen Gerichtshof gesagt, dass das eine schallende Ohrfeige für uns war. Er war sehr freundlich und sagte mir, dass ich das nicht über das Strafrecht regeln könne. Aber ich könne mich ja über das Zivilrecht an das Gericht in San Lorenzo del Escorial wenden, das für das Tal der Gefallenen zuständig ist. Doch der Richter dort wollte auch nichts unternehmen."
    Hoffen auf Gesetzesinitiative der Sozialisten
    Seither hat sich Faustino vor Gericht nur blaue Flecken geholt: Der Oberste Gerichtshof, das spanische Verfassungsgericht und sogar der Europäische Menschengerichtshof haben seine Klagen auf Herausgabe der Gebeine seines Vaters abgewiesen. So hofft er, dass die Klage der Rechtsanwälte wie auch eine neue Gesetzesinitiative der Sozialisten im Parlament wieder Bewegung in die Sache bringen könnten. Aber im Grunde glaubt er nicht, dass er die Gebeine seines Vaters in seinem Heimatdorf in der zentralspanischen Hochebene jemals bestatten kann. Und er zweifelt auch daran, dass aus dem Tal der Gefallenen jemals ein Mahnmal werden könnte:
    "Wenn man die Basilika, in der die Toten liegen, weiter in Händen der Benediktiner-Mönche lässt, wenn das seinen religiösen Charakter behält, dann sehe ich keine Chance, dass daraus ein Ort der Erinnerung wird. Aber selbst wenn aus den Stollen, wo die vielen Gebeine liegen, ein öffentlicher Friedhof würde, wird dieser Ort für viele Spanier immer das Franco-Regime repräsentieren. Dennoch wäre eine Reform wohl das Beste."
    Rechtsanwalt Manuel Ollé ist optimistischer. Auch die Marineschule von Buenos Aires, das ehemalige Folterzentrum der argentinischen Diktatur, sei heute eine Gedenkstätte, sagt er. "Warum", fragt der Rechtsanwalt, "sollten wir also im Falle des Tals der Gefallenen kein positives Urteil bekommen?"