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400. Ganovenjagd

Nein, damit hätte er nicht gerechnet. Damals vor 40 Jahren. Zur Jubiläumssendung steht Eduard "Ede" Zimmermann, größter Ganovenjäger und auch TV-Kinderschreck, wieder im Studio, mittlerweile 78 Jahre alt. Am vergangenen Donnerstag strahlte das ZDF zum 400. Mal "Aktenzeichen ... XY" aus. Keiner hätte der Sendung so lange gegeben.

Von Cordula Diehm | 12.05.2007
    Die Sendung stand mal hart in der Kritik. Ende der 90er Jahre sank sie gar in ein tiefes Tal der Einschaltquoten. Vergessen. Heute steht "Aktenzeichen ... XY" als Erfolgsgeschichte da - verkauft in unzählige Länder und wieder mit Anteilen in der marktrelevanten Gruppe der 14-49-Jährigen.

    Lassen Sie uns die Bänder noch einmal zurückspulen, blicken wir zusammen in das Museum unserer Kinderängste und erinnern wir uns an das Gruseln auf dem Sofa, wenn's Freitag abends losging.

    Keiner kann sein persönliches erstes "Aktenzeichen XY" vergessen. Dieses mediale Erlebnis hat sich tief eingebrannt. Die Geschichte des kleinen Mädchens etwa, das allein auf dem nach Hause weg war, weil die Schule früher aus hatte. Später fand man sie. Tot. Im Wald. Zugedeckt mit Laub. Tagelang wichen wir der Mutter nicht von der Seite.

    " Den Bildschirm zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen ist Sinn dieser neuen Sendung. "

    1967 ging Eduard Zimmermann, fortan "Ede" genannt, mit "Aktenzeichen XY" zum ersten Mal auf Sendung. Zuerst hatten sich die Kinder noch aus den Betten gestohlen und frierend hinter der Wohnzimmertür gelinst. Später durfte man dann offiziell gucken. Mit pochendem Herzen saßen dann alle auf dem Sofa. Der Vater hatte kurz vor der Sendung noch alle Türen und Fenster kontrolliert, damit auch alles gut verrammelt war. Und wenn Ede dann streng aus dem schwarz-weiß Fernseher von seinem Blatt aufblickte und mit seiner sonoren Stimme den nächsten Fall ankündigte, wurde es unheimlich.

    Es gab damals nur drei Programme und der Kick war enorm: im Gegensatz zu sonstigen Krimis liefen die Schurken ja noch frei herum und konnten sich womöglich gerade an der hinteren Eingangstür zu schaffen machen. Die Erzählstimme gab einem den Rest.

    " Er kommt an diesem Tag ohne Gräser nach Hause ... "

    Legendär - die Schalten nach Österreich und in die Schweiz.

    " Hallo Wien, wie sieht es aus? "

    Teddy Podgorsky, Peter Nidetzky. Aus Zürich lernten wir die Namen Werner Vetterli und Konrad Toenz. Kult heute. In Berlin trägt eine Bar Toenz' Namen.

    Jeder versuchte sich die präsentierten Ansatzpunkte zu merken: die wertvolle Uhr mit der Bruchstelle im Ziffernblatt, das rote Damenfahrrad. Auch wenn man nichts erkannte. Tags drauf wurde genau geguckt.

    " 56 Prozent aller Zuschauer gaben sachdienliche Hinweise. "

    Der Mann mit den straff zurückgekämmten Haaren, seinen Anzügen mit Weste und streng geknoteter Krawatte war von Anfang an hart kritisiert. "konkret"- Autorin Ulrike Meinhof nannte ihn "Fernseh-Sheriff". Der "Spiegel" sprach von einer "Treibjagd mit moralischem Alibi". Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll sah ein "muffiges Grusical für Spießer". Der Vorwurf, man mache die gesamte Bevölkerung zu Hilfspolizisten saß tief. In der Jubiläumssendung kam Werner Vetterli noch mal darauf zu sprechen.

    " Wir haben nur ernst gemeinte Anrufe. Das Denunziantentum, das die linke Gegnerschaft gegen die Sendung brachte, vor Aufnahme der Sendung, fand nicht statt. Wir haben gute, präzise Anrufe. "

    Heute fragt man sich was gruseliger ist, die dargestellten Verbrechen oder die nebenbei gezeigte Wirklichkeit der 70er und 80er Jahre. Die Home-Video-Atmosphäre, die in den Einspielfilmen erzeugt wurde, die skurrilen Dialoge laienhafter Darsteller.

    2002 löste der Ex-Eiskunstläufer und Sportjournalist Rudi Cerne den glücklosen Butz Peters ab. Er hätte so eine nette menschliche Art, mit Problemen umzugehen, hieß es zur Einstellung Cernes. Längst ist das Studio modern eingerichtet, werden die Filme schnell geschnitten. Vier Millionen gucken im Durchschnitt zu. Im Internet diskutiert eine Fangemeinde über alte und neue Filmfälle. XY läuft europaweit und in den USA. 40 Prozent der Fälle werden aufgeklärt. Aber immer noch beginnt jeder Filmfall mit der gleichen Erzählart.

    " Montag, 16. Oktober 2006. Zwischen Hamburg und Travemünde ... "