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"49 Prozent ist ein vernünftiger Spitzensteuersatz"

Am heutigen Tag zwei des SPD-Parteitages wird auch die Einkommenssteuer Thema sein. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck setzt den Höchstsatz bei 49 Prozent an - und will zudem "für höchste und sehr hohe Vermögen auch einen Beitrag miteinander vereinbaren".

Kurt Beck im Gespräch mit Peter Kapern | 05.12.2011
    Peter Kapern: Gestern haben die Sozialdemokraten ihren Altkanzler Helmut Schmidt gefeiert, anschließend ihre Europapolitik festgezurrt und dann eine Parteireform beschlossen. Heute, am zweiten Tag des Parteikongresses, geht es ans Eingemachte. Die Rentenpolitik steht auf dem Programm. Hier versucht der linke Flügel so etwas wie eine Rolle rückwärts. Und dann wird noch ein neuer Vorstand gewählt.
    Bei uns am Telefon ist nun der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck. Guten Morgen, Herr Beck.

    Kurt Beck: Schönen guten Morgen.

    Kapern: Herr Beck, gestern haben die Delegierten gemeinsam gejubelt, wir haben das gerade gehört, als Helmut Schmidt seine bemerkenswerte Rede hielt. Heute sind harte Auseinandersetzungen angesagt, zum Beispiel in der Rentenpolitik. Der linke Parteiflügel will das Rentenniveau beim derzeitigen Stand einfrieren. Macht die SPD bei der Rente die Rolle rückwärts?

    Beck: Nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Wir haben einen schlüssigen Antrag vorbereitet, der vor allen Dingen darauf abzielt: erstens, dass die Arbeit die Basis für die Rentenansprüche ist. Das heißt, wir brauchen gut bezahlte ordentliche Arbeit, wir brauchen Mindestlöhne, um die Basis für die Rente auch zu haben. Wir müssen mehr tun, um den Übergang in die Rente flexibler zu gestalten, Gesundheitsversorgung, Familienvereinbarkeit zu schaffen, und dann wird daraus auch eine vernünftige Rente entstehen. Es hat keinen Sinn, dass man jetzt so tut, als wisse man, was in 20 Jahren im einzelnen Detail sein wird. Deshalb glaube ich, dass die bisherige Rentengrundlage erhalten bleiben sollte. Wir wollen allerdings auch dieses Thema weiter verfolgen, denn wenn sich ein Parameter ändert, Wirtschaftskrise oder was auch immer, dann muss man auch im Rentenbereich nachzusteuern bereit sein.

    Kapern: So weit der schöne Antrag, den Sie vorbereitet haben. Aber der ist nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben steht, wenn sich der linke Flügel mit seinen Positionen heute durchsetzt?

    Beck: Na ja, so ist das nicht. Es gibt nur wenige Positionen, die diskutabel auch sind, ohne Frage, denn wir haben gemeinsam, dass wir Altersarmut vermeiden wollen, das ist ganz klar, und insoweit muss man darum ringen. Aber ich bin sicher, dass am Ende sich eine vernünftige Basis für die Rentenhöhe auch ergeben wird und dass die Fakten auch akzeptiert werden.

    Kapern: Was macht Sie da so sicher, Herr Beck? Denn der linke Flügel scheint, bitter entschlossen zu sein, sich durchzusetzen.

    Beck: Ach es geht, glaube ich, gar nicht um den linken Flügel. Es geht darum, dass die Senioren beispielsweise in der Partei, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dort ihre Bedenken haben. Dies haben wir eineinhalb Jahre in Vorbereitung dieses Parteitages auch diskutiert unter meiner Leitung, und ich glaube, dass wir sehr aktuell bezogen die richtigen Einschätzungen haben, aber, wie gesagt, auch die Flexibilität, damit man nachsteuern kann in den kommenden Jahren. Also wir sind näher zusammen, als jetzt aus Ihrer Anmoderation scheint.

    Kapern: Harte Auseinandersetzungen wird es dann aber auch in Fragen der Steuerpolitik geben. 49 Prozent oder, wie es ebenfalls der linke Parteiflügel verlangt, 52 Prozent Spitzensteuersatz, so oder so steht die Frage im Raum: Kann man als Steuererhöhungspartei Wahlen gewinnen?

    Beck: Ich glaube, dass alle wissen, wir haben in Deutschland eine deutlich zu niedrige Steuerlastquote. Mit dem, was wir derzeit an Steuereinnahmen haben, lassen sich weder bei den Kommunen noch bei den Ländern oder beim Bund wirklich die Aufgaben, die zentralen Aufgaben ausreichend erfüllen.

    Kapern: Das sind die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten, Herr Beck!

    Beck: Nein, nein. Das sind nicht die höchsten Steuereinnahmen. Wir sind gerade mal wieder auf dem Stand von 2008. Also da wird viel Unfug geredet. Wer einen Haushalt aufstellen muss wie ich, weiß, wie die Realitäten sind. Und wir haben insgesamt eine Unterfinanzierung. Das spüren wir ja, deshalb haben wir ja die Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben und da muss auch eine anständige Steuereinnahme her. Ich glaube, 49 Prozent ist ein vernünftiger Spitzensteuersatz, und wir müssen für höchste und sehr hohe Vermögen auch einen Beitrag miteinander vereinbaren. Das haben andere Industrienationen auch.

    Kapern: Gestern hat sich noch ein ehemaliger SPD-Kanzler zu Wort gemeldet, nämlich Gerhard Schröder, und der hat in einem Zeitungsinterview gesagt, er halte gar nichts von Steuererhöhungen.

    Beck: Ich glaube, dass das, was ich eben dargelegt habe, schlüssig ist aus der Verantwortung, die man hat. Wir haben sicher nicht die höchsten Steuern unter den Industrieländern und wir haben einen Spitzensteuersatz, der deutlich niedriger liegt als zu Zeiten Helmut Kohls. Warum sollen wir nicht zumindest in die Nähe einer solchen Verantwortung auch für sehr gut verdienende und für reiche Leute kommen. Ich glaube, das sind wir a.) einer gerechten Lastenverteilung in Deutschland schuldig und eben auch der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wenn da jemand mit meinem Einkommen – und Ministerpräsidenten haben ja kein Spitzeneinkommen -, aber mit meinem Einkommen 150 Euro im Monat mehr an Steuern bezahlen würde, dann würden weder meine Kinder leiden, noch meine Familie, noch sonst irgendetwas fehlen. Also lassen wir die Kirche im Dorf. Man muss sehen, dass man nicht 'überpest'. Deshalb glaube ich, 49 Prozent ist angemessen.

    Kapern: Herr Beck, nervt Sie eigentlich die Debatte um die K-Frage?

    Beck: Ach, mich nervt sie nicht. Ich habe sie erwartet, denn das ist ja in der Politik immer das Einfachste, wenn man über Personen diskutiert. Aber man darf sich davon nicht ablenken lassen. Die SPD stellt jetzt inhaltlich vor allen Dingen die Weichen, um regierungsfähig zu sein, ihr Programm klar aufzuzeigen, und dann anschließend kommt die Personalie.

    Kapern: Gerhard Schröder sagt, es sei längst entschieden, wer antritt aus dem Führungstrio, nur die Parteiführung sage es noch nicht. Stimmt das?

    Beck: Nein, das stimmt nicht. Er hat sicher eine Vorstellung im Kopf, das ist sein gutes Recht, aber so einfach ist es Gott sei Dank in der SPD nicht, dass ein paar Leute was im Kopf haben und dann läuft es so. Ich finde es prima, dass wir mehrere Leute haben, die für eine solche Aufgabe infrage kommen, und es wird ja Zeit, dass Deutschland wieder anständig regiert wird. Das, was wir derzeit erleben von dieser Bundesregierung, das geniert einen ja.

    Kapern: Peer Steinbrück hat gestern in einem Interview gesagt, dass die SPD nicht als Juniorpartner für eine große Koalition zur Verfügung stehen würde, nach eventuellen Neuwahlen, oder überhaupt nach den nächsten Wahlen. Kann er mit dem Ausschluss dieser Machtoption noch Kandidat werden?

    Beck: Wir wären ja verrückt, wenn wir antreten würden, um Zweiter zu werden. Wir treten an, um zu regieren, um sozialdemokratische Vorstellungen in einer vernünftigen Koalition dann auch zu verwirklichen. Deshalb ist es völlig richtig, dass man nicht auf Platz, sondern auf Sieg setzt.

    Kapern: Kurt Beck war das, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Beck, danke für das Gespräch. Schönen Tag!

    Beck: Danke Ihnen! Tschüss!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.