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5. ARD-Videotextfestival
Die reinste Form der digitalen Kunst

Pixel so groß wie Duplo-Steine: Im September wird der Videotext der ARD zum Kunstmuseum. Einen Monat lang wird der britische "Digital Retro Artist" Dan Farrimond jeden Tag ein Videotext-Kunstwerk erstellen, das zu den Meldungen im Teletext passt. Dabei ist sich der Künstler jetzt schon sicher: "Die Teletext-Kunst wird länger leben, als der Service selbst."

Von Ina Plodroch | 01.09.2016
    8-Bit-Retro-Sound, der an Atari- und Commodore-Computer erinnert und so klingt wie der Videotext im Fernsehen aussieht: Pixel so groß wie Duplo-Steine. Mehr Retro geht nicht. "It is even more Retro than Retro", findet Dan Farrimond, Digital Retro Artist, "weil der Teletext 1974 erfunden wurde. Vor dem Atari, vor den kleinen Computer der 80er, sogar vor dem Punk."
    Seit 2012 ist Farrimond Teletext-Artist. Das Jahr, in dem der Videotext, wie er auch genannt wird, in seinem Heimatland von der BBC abgeschaltet wurde.
    "Ich mag Teletext, weil es eine der ursprünglichsten Formen der digitalen Kunst ist. Unkompliziert, einfach. Und mehr als nur Fußball-Ergebnisse."
    "Teletext sieht immer etwas billig aus"
    Und deshalb machten die ARD-Teletext-Verantwortlichen Dan Farrimond zum ersten Artist in Residence. "Ich werde jeden Tag ein neues Teletext-Kunstwerk erstellen." Da wird der ARD-Teletext - der selbst schon mehr wie ein lebendiges Museum als ein zeitgemäßer Informationskanal aussieht - zum Kunstmuseum.
    "Die Werke werden sich darauf beziehen, was im ARD-Teletext passiert. Also Geschichten, Geburtstage, Sport-Ergebnisse."
    Oder Jahrestage: dafür gibt’s dann zum Beispiel das Schloss Neuschwanstein in Pixel-Optik, eine Katze, die nach ihrem Käse fragt, oder Wolkenkratzer zum Wolkenkratzer-Tag.
    "Ich versuche manchmal, mich auch mit anderen Themen zu beschäftigen. Aber im Teletext kann man nicht 100-prozentig ernst sein, weil es immer etwas billig aussieht."
    Teletext-Kunst weckt Erinnerungen an früher
    Wie auch das Ankündigungsbild, in dem sein Alter Ego den analogen Like-Daumen hebt zur Ankündigung "Live Teletext Feed September 1986". Klar, die Anspielung an Früher und das Jahr, in dem Dan Farrimond geboren wurde.
    "Ich bin mit Teletext aufgewachsen und habe ihn fast jeden Tag angemacht. Vor allem in den Werbepausen."
    Natürlich weckt diese Teletext-Kunst Erinnerungen an dieses Früher - als man nicht ständig auf Smartphone, Laptop und Fernseher gleichzeitig schauen musste und die Pixel knapp waren.
    "Die Leute fragen mich immer: Wie arbeitest du mit etwas, das so beschränkt ist? Ich finde das seltsamerweise befreiend."
    Sehnsucht nach dem Weniger
    Weniger ist mehr. Dass das in Zeiten von HD, endloser Pixel-Daten-Menge nötig scheint, zeigt ja auch Twitter mit seinen 140 Zeichen, Snapchat mit den zehn Sekunden oder der 8 Bit-Sound, der sich immer mal wieder in Popsongs schleicht. Und deshalb hat Dan Farrimond bei all der Sehnsucht nach dem Weniger und der Rückwärtsgewandtheit keine Angst, dass auch in Deutschland sein Medium bald abgeschaltet wird. Denn:
    "Die Teletext-Kunst wird länger leben, als der Service selbst."
    Dank der kaum enden wollenden Retromanie in der Popkultur. Und abgesehen davon: bei 4.000.000 Aufrufen pro Tag ist der ARD-Videotext auch noch ziemlich lebendig.