Freitag, 29. März 2024

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5. Jahrestag von Winnenden
Ein Amoklauf und seine Folgen

Mit der Einweihung einer Gedenkstätte, Gottesdiensten und einer Lichterkette gedenkt die schwäbische Stadt Winnenden heute der Opfer des Amoklaufs von vor fünf Jahren.

11.03.2014
    Blick auf eine Frau, die Blumen ablegt.
    Eine Besucherin der Gedenkveranstaltung legt am 11.03.2014 in Winnenden (Baden-Württemberg) eine weiße Rose auf das Mahnmal "Gebrochener Ring". Fünf Jahre nach dem Amoklauf von Winnenden wird der 15 Opfer gedacht. (dpa / Sebastian Kahnert)
    Am 11. März 2009 hatte ein 17-jähriger Jugendlicher in seiner ehemaligen Schule acht Mädchen, einen Jungen und drei Lehrerinnen erschossen. Auf seiner Flucht tötete er drei weitere Menschen, ehe er sich das Leben nahm. Auch nach fünf Jahren bleibt das Trauma für Schüler, Angehörige und Stadt. Und dennoch - vieles hat sich seitdem verändert.
    Nach der Tat wurde die Schule umgebaut, die Eltern der Opfer gründeten ein Aktionsbündnis, eine Gedenkstätte erinnert an die Opfer. Für Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth vergeht kaum ein Tag, an dem er sich nicht mit dem Amoklauf auseinandersetzt. Widersprüchlich bleibt der Umgang mit der Tragödie: Die einen finden Gedenken und Aufarbeiten wichtig, die anderen können das Thema Amoklauf nicht mehr hören.
    Albträume, Angstzustände, immer wieder Arbeitsunfähigkeit - nach dem Amoklauf in Winnenden kämpfen Polizisten und Kriminalbeamte noch immer mit Schwierigkeiten. Posttraumatische Belastungsstörungen bei der Polizei wurden neu thematisiert.
    Autor Jochen Kalka lebt mit seiner Familie in Winnenden. Zwei Jahre nach der Tat fragt er nach den Folgen für die Stadt und ihre Bewohner. In seinem Buch "Winnenden. Ein Amoklauf und seine Folgen" geht es weniger um die Schreckenstat selbst als um den Versuch, das Psychogramm einer bis heute durch und durch verstörten Stadt zu zeichnen.
    Ein Blatt mit der Frage "Warum?" liegt in Winnenden vor der Albertville-Realschule.
    Ein Blatt mit der Frage "Warum?" liegt in Winnenden vor der Albertville-Realschule. (AP)
    Neuer Fokus auf das Waffenrecht
    1,4 Millionen Menschen haben in Deutschland insgesamt 5,5 Millionen Schusswaffen. Dazu kommen Polizei, Zoll und Militär und eine sehr kleine Zahl von Menschen, die Schusswaffen zu ihrem eigenen Schutz tragen dürfen. Seit Winnenden und Erfurt stehen aber auch Sportschützen und Jäger unter Beobachtung. Nach dem Amoklauf wurde heftig über den Gebrauch von Waffen in Deutschland diskutiert. Großkaliberwaffen für Privatpersonen sollten verboten werden und Sportschützen ihre Munition nicht mehr Zuhause lagern dürfen.
    "Sehr leicht" könne man in Deutschland als Sportschütze an Schusswaffen kommen, sagt Otto Obermeyer, ehemaliger Präsident des Bundes deutscher Sportschützen. Zu Unrecht werde so getan, als sei hierzulande das Waffenrecht deutlich sicherer als das der USA.
    Als Konsequenz gab es ein neues Nationales Waffenregister.
    Mehr Lehrer, Psychologen und Sozialarbeiter für die Schulen
    Allein nach dem Amoklauf von Winnenden gab es in den folgenden Monaten deutschlandweit 3000. Amokdrohungen an Schulen. Diskutiert wurde in diesem Zusammenhang auch immer wieder die Schulkultur. "Die Lehrer allein können viele Probleme an den Schulen nicht bewältigen. Sie brauchen Unterstützung, brauchen auch Schulsozialarbeiter und brauchen auch schulpsychologische Unterstützung. Es ist nun einmal so, die Gesellschaft ist komplizierter geworden, schwieriger. Die Kinder haben mit ganz anderen Problemen zu tun und deshalb kann man heute Schule nicht mehr organisieren wie vor 50 Jahren", sagte 2012 Thüringens Kulturminister Christoph Matschie.
    Schülerinnen umarmen sich während der Gedenkfeier für die Opfer des Amoklaufs in Winnenden an der Albertville-Realschule.
    Schülerinnen umarmen sich während der Gedenkfeier für die Opfer des Amoklaufs in Winnenden an der Albertville-Realschule. (AP)
    In Winnenden selbst wurde die "Stiftung Gewalt gegen Schulen" gegründet, die dazu beigetragen hat, dass das Waffenrecht in Deutschland verschärft wurde. Die aktive Prävention gegen Gewalt gilt auch als Vorbild für andere Länder: So kam kürzlich eine Delegation aus den USA.  die ihrerseits versucht, Amokläufe zu verhindern.
    Filmische Annäherung an ein Schockthema
    Der deutsche Regisseur Thomas Sieben befasst sich in seinem neuen Spielfilm "Staudamm", einem fiktiven Drama, mit den Folgen eines Amoklaufs für die Überlebenden. Die ruhigen Bilder geben dem Zuschauer viel Raum zum Nachdenken. Der Film ist eine erstaunlich leise Annäherung an das Thema, die auch dank des ausgezeichneten Spiels der Schauspieler Friedrich Mücke und Liv Lisa Fries funktioniert, hießt es in der Filmrezension von "Kultur heute".
    Mehr zum Thema heute im Deutschlandfunk:
    16.35 Uhr "Forschung Aktuell": Was Kriminologen und Psychologen aus dem Amoklauf in Winnenden gelernt haben