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50 Jahre Coverkunst von Hipgnosis
Wenn eine Kuh zur Ikone wird

Die britische Grafikagentur Hipgnosis hat in den 70er-Jahren Plattencover geschaffen, die zu Meisterwerken wurden. Inspiriert von Surrealisten wie Dali und Buñuel entstand auch das berühmte Cover mit Kuh für Pink Floyds Album "Atom Heart Mother". Die Entwürfe standen fest - gesucht wurde der passende Musiker.

Von Jenni Zylka | 27.09.2018
    Eine Kuh steht auf einer Weide und guckt den Betrachter an
    Eine Kuh auf einer Weide - das Cover des Albums "Atom Heart Mother" von Pink Floyd („Vinyl Album Cover Art: Hipgnosis – Das Gesamtwerk“© Pink Floyd Music Ltd )
    Ein großartiger Song einer großartigen Band: "Wish You Were Here" von Pink Floyd. Doch auch das Cover, das dieses neunte Album der Briten zierte, gehört zu den Meilensteinen der Coverkunst: Auf einem Foto schütteln sich zwei Männer in Anzügen vor einem verlassenen Studiogelände die Hand. Der rechte von ihnen steht in Flammen. Ein Bild, dessen verstörende Absurdität ein Geheimnis zu bergen scheint. Wie fast alle Alben davor waren der 2013 verstorbene Künstler Storm Thorgeson und der Fotograf Aubrey Powell für die Gestaltung der Plattenhülle verantwortlich. 1975 hatten sie bereits einen großen Namen. Doch angefangen hat alles eher durch einen Zufall - Storm und Aubrey teilten sich in den 60ern eine Wohnung mit dem ehemaligen Pink Floyd-Mastermind Syd Barrett.
    Aubrey Powell: "Storm und ich haben Hipgnosis in den 60ern gegründet, damals lag Revolution in der Luft, und auch Albumcover und Kunst an sich veränderten sich sehr schnell. Ich glaube, wir waren ein Teil dieser Bewegung - wir waren eben zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und als Pink Floyd uns fragten, ob wir das Cover zu ihrem zweiten Album 'A Saucerful of Secrets' machen, wollten wir natürlich nicht einfach ein Bandfoto auf der Vorderseite haben, das hat uns nicht interessiert. Also haben wir eine Collage mit einer Menge Space-Motive gemacht. Und so haben wir angefangen."
    "Wir nennen das ein Nicht-Cover"
    Ein paar Jahre später war die Agentur so erfolgreich, dass die Rockbands der Zeit ihnen nachliefen. Für ihre guten Freunde von Pink Floyd dachten sie sich 1970 ein ebenfalls ikonisches Cover aus - die Kuh, die auf dem Cover etwas verwundert über die Schulter in die Kamera guckt, weiß garantiert nicht, dass sie Werbung für eine Platte namens "Atom Heart Mother", die Mutter mit dem Atomherz, macht.
    "Eines der besten Cover zum Beispiel ist 'Atom Heart Mother' für Pink Floyd, mit einer Kuh drauf. Wir nennen das ein Nicht-Cover, es ist kein Cover, es existiert nicht als Cover, weil es weder die Band repräsentiert, noch Plattentitel oder Bandnamen zeigt, noch etwas mit der Musik zu tun hat. Es ist einfach nur eine Idee. Und wenn man damals diese riesigen Plattenläden betrat, fiel einem ein Bild von einer Kuh gegenüber all den Covern mit Bandfotos drauf natürlich auf."
    Die Idee mit dem Nicht-Cover funktionierte, weil das surreale und zu vielen unterschiedlichen Interpretationen einladende Bild neugierig machte und das Publikum nicht unterforderte. Gute Ideen waren für Hipgnosis so elementar, dass sie sogar unterschiedlichen Bands die gleiche präsentieren konnten:
    "Ich weiß noch genau, wie ich Robert Plant von Led Zeppelin eine Idee zeigte. Und er drehte das Papier um und auf der Rückseite waren Judas Priest durchgestrichen, Ten CC durchgestrichen, Wishbone Ash durchgestrichen - und er sagte: 'Heißt das, du hast diese Idee all diesen Leuten gezeigt?' 'Ja', sagte ich. Und er: 'Sie war also nicht speziell für Led Zeppelin?' 'Nein', sagte ich, 'die Idee ist gut, es wäre toll, wenn du oder einer der anderen Künstler sie nimmt!' Er war nicht begeistert, das können Sie mir glauben!"
    "Das war eine große Leinwand auf der man arbeitete"
    Storm und Aubrey arbeiteten bis 1983 in einer künstlerisch und freundschaftlich extrem fruchtbaren Partnerschaft zusammen. Sie ließen sich neben den Surrealisten wie Dali und Buñuel und Covern wie dem legendären Sergeant-Pepper-Album auch von ihrem Unterbewusstsein inspirieren. Und mischten die von männlichen Musikerposen dominierte Rockwelt mit einem intuitiven, extrem detailliert ausgearbeiteten Ansatz kräftig auf. Heute, wo Cover keine Rolle mehr spielen, geht Künstlern wie Hipgnosis dadurch eine Spielfläche verloren.
    "Du musst dir vorstellen - Album Cover waren tatsächlich groß, entweder 31 mal 31 cm oder 62 mal 31. Das war eine große Leinwand auf der man arbeitete, und für jeden, der Cover machte, war das wie ein großes Bild zu malen. Und was könnte schöner sein als wenn dein Bild von Millionen Menschen gesehen wird - 'Dark Side of the Moon' haben 65 Millionen Menschen gekauft!"
    Und doch musste 1985 Hipgnosis Insolvenz anmelden. Powell inszeniert inzwischen seit Jahren erfolgreich Filme, Dokumentationen und Videoclips. Bei der liebevoll kuratierten und umfassenden Ausstellung in der Berliner Browse Gallery, wo neben den unzähligen Covern auch weitere wunderbare Fotos von Powell und Thorgeson hängen, wird der Künstler am Samstag zu Gast sein. Und mit einer Unterschrift kann man sich sein Pink-Floyd-Plattencover so zu einem Kunstwerk veredeln lassen.
    Aubrey Powell: "Vinyl Album Cover Art: Hipgnosis - Das Gesamtwerk"
    Edel Books Hamburg, 2018. 320 Seiten, 35 Euro.

    Ausstellung: "Daring to Dream. 50 Jahre Hipgnosis"
    30.9. - 28.10.2018
    The Browse Gallery
    Bergmannstraße 5
    10961 Berlin