Donnerstag, 25. April 2024

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50. Todestag von Evelyn Waugh
Radikalkonservativer Moralist mit bissigem Stil

Der britische Schriftsteller Evelyn Waugh verachtete die Politik, den Wohlfahrtsstaat und nahm die Klassengesellschaft als gottgegeben. Sein Leben lang träumte er davon, zur Aristokratie zu gehören. In diesem Geist ist sein erfolgreichster Roman "Wiedersehen mit Brideshead" entstanden. Vor 50 Jahren starb er.

Von Ruth Fühner | 10.04.2016
    Zitat aus "Wiedersehen mit Brideshead": "Wir befanden uns am Eingang eines Tals. Eine halbe Meile entfernt, grau und golden inmitten eines Schutzwalls aus Gebüsch, schimmerten Kuppel und Säulen eines alten herrschaftlichen Hauses.
    'Na?', sagte Sebastian und hielt den Wagen an. Jenseits der Kuppel und im Schutz der sanften Hügel ringsum waren mehrere hintereinanderliegende Wasserflächen zu erkennen.
    'Na?'
    'Was für ein Leben, an so einem Ort!', rief ich."
    Dass die Idylle von Brideshead trügt, wird Charles, der Ich-Erzähler, bald bemerken. Trotzdem teilt er mit dem Autor die Sehnsucht nach einem Leben "an so einem Ort". Der 1903 geborene Evelyn Waugh, immerhin Sohn eines angesehenen Verlegers, haderte mit seiner Herkunft. Seine Studienzeit im Oxford der 20er-Jahre, die der Roman "Wiedersehen mit Brideshead" spiegelt, bot ihm die Chance zum Anschluss an eine Clique aristokratischer Dandys und Exzentriker, die ihre Langeweile in Champagner ertränkten und Ideale durch Vergnügungssucht ersetzten.
    Nicht zufällig zitiert Waughs satirischer erster Roman "Decline and Fall" den Titel von Edward Gibbons "Verfall und Untergang des römischen Imperiums". Das 20. Jahrhundert mit seinem Untergang des Britischen Empire und dem Aufstieg der Mittelschicht bedeutete für Waugh den Siegeszug der Barbarei. Einer Barbarei, der er seine Konversion zum Katholizismus entgegensetzte.
    "Es ist schwierig, die Existenz Gottes zu erklären, zu akzeptieren, dass alles Gute in der Welt von ihm abhängt. Das ist nicht wie im Wohlfahrtsstaat: Man hat ein gutes Einkommen. Und dann kommt die Religion noch als Verzierung oben drauf. Religion ist die Essenz des Ganzen."
    Waughs Katholizismus war allerdings nicht von der Art der Wassertrinker. Dem Alkohol frönte er exzessiv, sein bissiger Stil ist von Galle getränkt. Und in die Welt hinaus trieb ihn kein missionarischer Eifer, sondern die Neugier. Waugh reiste viel, oft als Zeitungskorrespondent. Und er kannte den Journalismus gut genug, um mit "Scoop" ein hinreißend böses Buch darüber zu schreiben. Und wenn er auch zum Beispiel die Eroberungspolitik Mussolinis in Abessinien verteidigte – er war klug genug, Europas Schuld in Afrika zu erkennen.
    Arroganz und Menschenverachtung
    Im Zweiten Weltkrieg diente Waugh unter anderem als Verbindungsoffizier in Jugoslawien. Allerdings brachte er es durch Arroganz und offensive Menschenverachtung so weit, dass er vor seinen eigenen Leuten beschützt werden musste. Mitten im Krieg ließ er sich freistellen, um sich auf seine Art auf die Suche nach der verlorenen Zeit zu begeben – mit dem "Brideshead"-Roman. Die Rahmenhandlung spielt im Jahr 1943, als dem Ich-Erzähler ein junger Offizier zugeteilt wird. Für ihn die Verkörperung des aufziehenden Mittelmaßes:
    "In jenem stoischen Ein-Indianer-kennt-keinen-Schmerz-Intermezzo, das unsere Schulen zwischen die rasch fließenden Tränen des Kindes und das Leben als Erwachsener setzen, hatte Hooper oft geweint, allerdings weder über König Heinrichs Rede am Crispianusfest noch über die Grabinschrift bei den Thermopylen. Die Geschichte, so wie man sie ihm beigebracht hatte, enthielt nur wenige Schlachten, dafür eine Fülle von Details über eine humane Rechtsprechung und die industrielle Entwicklung der jüngsten Vergangenheit."
    "Brideshead Revisited" machte Waugh mit einem Schlag reich und berühmt. Elegant und elegisch, nostalgisch und ironisch zugleich, ist es ein Abgesang auf eine orientierungslose Oberschicht ebenso wie ein Zeugnis für den Aufstieg des gemeinen Mannes. Waughs folgende Kriegstrilogie "Schwert der Ehre" wirkte schon verspätet, ebenso "Helena", sein Roman über die Christianisierung des Römischen Reiches. Der Zeitgeist ging über Waugh hinweg - und er war stolz darauf.
    Waugh war bekennender Reaktionär, Frauenfeind und Antisemit, frommer Gegner des Zweiten Vatikanischen Konzils und Befürworter der Todesstrafe. Aber eben auch ein brillanter Autor, dessen scharfzüngige Gesellschaftssatiren noch heute Vergnügen machen.
    Evelyn Waugh starb am 10. April 1966, einem Ostersonntag, nach dem Besuch der Lateinischen Messe. Er wurde 62 Jahre alt.

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